GGV-Leuchtturmprojekt in Halle
Lieber Herr Liebmann, für Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern gibt es zahlreiche Betriebskonzepte. Warum haben Sie sich gerade für die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung entschieden?
Die "Gemeinschaftliche Versorgung" hat mich überzeugt. Sie ist nicht nur ein gemeinschaftsförderndes Projekt, sondern auch eine win-win Lösung. Der Betreiber bekommt eine höhere Vergütung für seinen Strom als die reine Einspeisevergütung und die Hausbewohner profitieren von niedrigeren Strompreisen. Nebenbei wird der Strom dort genutzt, wo er entsteht. So verringert sich die Belastung der Netze.
Seit wann speist die Anlage bereits Strom in das öffentliche Netz ein?
Die Anlage wurde bereits am 30. Januar diesen Jahres als Volleinspeiseanlage fertiggestellt und liefert seitdem Strom in das öffentliche Netz.
Das ist sehr erfreulich. Gab es besondere Herausforderungen bei der Planung und Umsetzung der Anlage?
Eigentlich nicht. Es ist ja eine ganz normale Solaranlage. Einzig das „ok“ der Eigentümergemeinschaft zu erhalten hat sich, durch die langen Zeiten zwischen den Versammlungen, sehr in die Länge gezogen.
Wie wurde das Projekt vom Netzbetreiber in Halle unterstützt?
Die Energieversorgung Halle Netz GmbH hat das Projekt sehr positiv aufgenommen und sofort zugesagt, uns zu unterstützen und die Daten für die Abrechnung des Solarstroms zu liefern. Die Halle Netz hat ein iMSys-Portal, in dem wir, durch die im Vertrag festgehaltene Vollmacht der Letztverbraucher, die viertelstündlichen Verbrauchswerte der einzelnen Zähler einsehen und herunterladen können. Das Portal ist über das Internet zu erreichen.
Der Mitarbeiter, der uns mit dem Projekt persönlich betreut, scheint im Unternehmen gut vernetzt, kennt die Prozesse und war jederzeit ansprechbereit und kommunikativ.
Aber auch die lokale Firma Smooth-Energy hat uns von Anfang an Sicherheit geschaffen, weil sie auch zugesagt hat, die Einführung der gemeinschaftlichen Versorgung zu unterstützen. Ihre Kontakte haben uns geholfen, das Projekt an die Halle Netz GmbH heranzutragen und die Beratungen mit Sachverstand zu unterstützen.

© Smooth-Energy GmbH | Abb. 1 – 15 kWp auf dem Flachdach eines MFH. Sechs Parteien im Haus wollen sich an der GGV beteiligen.
Wie hoch werden die Zählerkosten pro Haushalt sein? Gibt es Zusatzkosten, die der Netzbetreiber in Rechnung stellt?
Die neuen Smart-Meter mit Datenfernübertragung wurden Mitte März installiert. Es entstehen dadurch keine zusätzlichen Kosten für die Zähler, da bereits davor moderne Zweirichtungszähler installiert waren. Ansonsten sind durch den Netzbetreiber keine zusätzlichen Kosten angemeldet worden.
Wollen Sie uns verraten, wie Sie den Strompreis berechnen? Wird es einen Grundpreis geben?
Es wird keinen Grundpreis geben. Den Verbrauchspreis pro kWh haben wir auf 80 % des aktuell günstigsten Preises des örtlichen Versorgers für Neukunden festgelegt.
Das lohnt sich ja wirklich. Warum haben Sie sich entschieden, die Abrechnung selbst zu übernehmen, statt einen Dienstleister zu beauftragen?
Weil für eine kleine Hausgemeinschaft die Kosten für einen Dienstleister wahrscheinlich den Rahmen sprengen würden. Ich würde auch bezweifeln, dass die Arbeit mit einem Dienstleister – für den das Konzept ja auch komplett neu ist – einfacher wäre, als selbst abzurechnen. Man muss nur das Verteilungskonzept durchdringen und mit einem Tabellenkalkulationsprogramm umgehen können.
Welche Vorteile und Herausforderungen sehen Sie in dem dynamischem Verteilschlüssel?
Wir haben den dynamischen Verteilschlüssel als Standard für alle Nutzerverträge angeboten. Damit haben wir für alle Nutzer einen einheitlichen Schlüssel. Der dynamische Verteilschlüssel sorgt dafür, dass der Strom im Haus maximal ausgenutzt wird.
Gibt es Pläne, das Modell auf weitere Gebäude auszuweiten?
Auf die Nachbargebäude – nein. Wir verbrauchen als Haus im Jahr zirka 25.000 kWh und erwarten zirka 15.000 kWh Solarstrom. Das passt ganz gut zusammen. Wenn sich andere Hausgemeinschaften für dieses Modell interessieren, stehen wir gern zum Austausch bereit. Vielleicht ergibt sich auch ein Projekt in der Stadt oder darüber hinaus an dem wir uns beteiligen können.
Welche Verbesserungen oder Anpassungen würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Die Anmeldung beim Zoll war sehr aufwändig. Da der Strom ja entweder selbst verbraucht wird oder steuerfrei ist, ist dieser Aufwand eigentlich unnötig. Vielleicht wäre auch ein frei verfügbarer minimalistischer Mustervertrag hilfreich, Ängste zu nehmen.
Welche Empfehlungen haben Sie für andere Hausgemeinschaften, die ein ähnliches Projekt umsetzen wollen?
Einfach mal machen! Ein Schritt nach dem anderen. Wir geben unsere Erfahrungen gern weiter.
Vorstellung: Betriebskonzept "Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung"
Das neue Konzept der "Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung" (GGV) soll es einfacher machen, Solarstrom innerhalb eines Gebäudes zu teilen. Mit demSolarpaket 1, das am 16.5.2024 in Kraft getreten ist, werden die Grundzüge gesetzlich festgeschrieben.
Das GGV-Konzept stammt ursprünglich aus Österreich und soll nun auch in Deutschland dazu beitragen, Solarenergie im Mehrfamilienhaus bürokratiearm zu nutzen. Wenn auf einem Gebäude Solarstrom erzeugt wird, sollen die Bewohner:innen oder Geschäfte diesen Strom direkt verwenden können. Der überschüssige, nicht verbrauchte PV-Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist und vergütet. Wichtig ist, dass sich die Solaranlagen und die Verbraucher:innen im gleichen Gebäudenetz befinden.
Die folgende Zusammenstellung von Regeln zur geplanten GGV ergibt sich aus dem neuen § 42 b EnWG. Aufgrund der Vielzahl von Nachfragen haben wir eine Übersicht für Sie zusammengestellt.