Bei der Allgemeinstromversorgung fließt der erzeugte Strom in die gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen (z. B. Treppenlicht, Aufzug, ggf. eine Wärmepumpe) und verringert somit die Betriebskosten des Gebäudes. Die Bewohner:innen profitieren also durch eine günstigere Nebenkostenabrechnung.

1. Allgemeinstromversorgung: Das Betriebskonzept

Bei der PV-Allgemeinstromversorgung werden die gemeinsam genutzten Stromverbraucher des Hauses mit PV-Strom versorgt (z. B. Treppenlicht, Aufzug, ggf. Wärmepumpe o. ä.). Die PV-Anlage wird dafür an den Allgemeinstromzähler (ZA) des Hauses angeschlossen. Dieser muss dann als Zweirichtungszähler ausgeführt werden. Der überschüssige Strom wird über den Zweirichtungszähler ins Netz eingespeist und vergütet. An der Haus- und Messtechnik der Bewohner:innen (Z₁ – Z₄) wird keine Änderung vorgenommen. Außerdem ist kein zusätzlicher Einspeisezähler (ZPV) notwendig. Der Installations- und Abrechnungsaufwand bleibt somit gering.
 

© SFV | Abb. 1 - Der Allgemeinstrom (z. B. Treppenlicht) wird von der Solaranlage versorgt. Der übrige Strom wird eingespeist.

Der Solarstrom kann dann über die Betriebskosten abgerechnet werden. Er reduziert damit die Stromkosten, die von einem externen Stromlieferanten anfallen. Die Bewohner:innen können also indirekt vom Solarstrom profitieren. Die Versorgung der Haushalte sowie des Allgemeinstroms mit Reststrom aus dem Netz bleibt über den jeweiligen externen Lieferanten erhalten. Besonders rentabel ist dieses Betriebskonzept bei Häusern mit einem relativ hohen Allgemeinstrombezug. Bei geringem Allgemeinstrombedarf wird die Anlage vorrangig über Netzeinspeisung refinanziert.

2. Vor- und Nachteile

Alle Betriebskonzepte bieten ihre Vor- und Nachteile. Oft lässt sich das richtige Betriebskonzept nur im Einzelfall für das jeweilige Projekt klären. Dennoch versuchen wir uns an einer kurzen Gegenüberstellung der relevanten Merkmale dieses Betriebskonzeptes:

 

Wer betreibt die PV-Anlage?Hauseigentümer:in / WEG / Pächter / Contractor                                 
Installations- und Abrechnungsaufwand:Eher gering
Geeignet für:Häuser mit kleiner Dachfläche und / oder hohem Allgemeinstromverbrauch (z. B. Aufzug, Wärmepumpe)
Vorteile:• Einfache Umsetzung
• Erhöhter Eigenverbrauch durch
Allgemeinstromnutzung
• Einfache Abrechnung
Nachteile:• Keine Stromlieferung an die Wohnungen
• Nur bei relativ hohem Allgemeinstrombedarf vorteilhaft

3. Praxisbeispiel: Allgemeinstromversorgung in Münster

Von Susanne Henschel, Wohnungseigentümerin in Münster

Unser Mehrfamilienhaus wurde 2014 / 15 gebaut und Ende 2015 bezogen. Es ist ein Neubau. Gut gedämmt und energetisch ausgerichtet. Aber: Erdgeschoss und Keller liegen unterhalb des normalen Bodenniveaus. Folge: Wir haben z. B. zwei Pumpwerke, um Regenwasser und Abwasser hoch zu pumpen in die städtische Kanalisation. Dies und Extras, wie eine Rampenheizung für die recht steile Tiefgarageneinfahrt, führen zu ungewöhnlich hohen Allgemeinstromverbrauch von 25.000 kWh/Jahr, aber in Spitzenjahren auch 35.000 kWh. Einer muss den Stein in Sachen PV ins Rollen bringen. Ich hatte im Frühjahr 2020 die Idee, dies zu tun. Weil ich gern etwas in der Hand habe, bevor ich anderen eine Idee vorstelle, erkundigte ich mich zuerst:

Was gibt unser Dach her? Solarkataster weist 52 kWp aus.
Welche Möglichkeiten gibt es? Der Freiburger Leitfaden auf den mich die Klimastelle der Landesregierung NRW hinwies, beschreibt vier Betriebsmodelle für ein MFH. Hinzu kommt die Möglichkeit, das Dach zu vermieten oder einen fremden Betreiber die Anlage bauen lassen und dann den Strom vom eigenen Dach günstiger einkaufen. 
Was muss man sonst noch beachten? Zum Beispiel, dass ab einer Anlagengröße von 25 kWp eine Fremdsteuerung eingebaut sein muss, die dem Netzbetreiber ermöglicht die Anlage auszuschalten, sollte es zu viel Strom im Netz geben und Instabilität drohen.

Nun war ich gerüstet und sprach meine Miteigentümer an. So bildete sich eine Gruppe interessierter Eigentümer. Wir diskutierten die Möglichkeiten, ließen uns von PV-Bauern in Sachen Größenordnung und Technik beraten und holten erste PV-Angebote ein. Nach einem guten halben Jahr hatten wir eine Vorlage für die WEG fertig. Diese wurde von unserer Verwaltung an alle Eigentümer verteilt und der Verwalter organisierte auch Video-Calls zur Diskussion der Vorlage. Das Ergebnis: Die WEG sagte nein, so nicht. Das ist zu teuer: Auch sind diese Fragen für uns offen. So wurde der Beschluss gefasst, dass die Fragen geklärt werden sollten, und nach günstigeren Angeboten gesucht. Außerdem wurde bereits der Förderantrag bei der Stadt eingereicht. Ein Jahr später, im Herbst 2022, entschied sich die WEG, einen Betrag für das Vorhaben PV einzustellen. Die Stadt hatte unseren Förderantrag genehmigt. Die vorliegenden Angebote  waren aber immer noch zu teuer. Wir verhandelten nach und daraufhin gab eine Sonder-WEG-Versammlung im Januar 2023 grünes Licht. Im Februar wurde der Auftrag vergeben. Im Juni wurden die Module geliefert, im Oktober der Speicher ohne Wechselrichter. Im Dezember wurde der Stromzähler getauscht, Mitte Januar 2024 wurde die fertige Anlage übergeben.

Praixbeispiele Allgemeinstrom

© Susanne Henschel | Abb. 2 - Die PV-Anlage für den Allgemeinstrombedarf auf dem Mehrfamilienhaus in Münster nutzt nur einen Teil der Dachfläche. Die WEG überlegt deshalb, die Anlage um eine weitere Anlage für den Eigenverbrauch zu erweitern. 

Nach 34 Monaten Vorbereitung und Bauzeit läuft unsere PV. Ich schaue täglich auf die App mit den Daten und freue mich. Ist das das Ende? Ich hoffe nein. Gut 50% des Daches sind noch frei. Das neue Betriebskonzept Gemeinsame Gebäudeversorgung (GGV) ermöglicht, die Wohnungen zu beliefern, ohne Stromproduzent zu sein. Das Model GGV lässt sich praktisch gerade noch nicht umsetzen, aber es besteht eine kleine Gruppe von Eigentümern, die diese neue Möglichkeit nutzen möchten. Bei der kommenden  WEG-Versammlung steht das Thema auf der Agenda. Natürlich auch ein Bericht über die bisherigen Ergebnisse unserer Anlage. Wir kommen auf eine Amortisation von knapp 11 Jahren. Dabei war auch die Förderung der Stadt wichtig, die fast 20 % unserer Investitionskosten entspricht. Lassen Sie uns in drei Jahren schauen, ob es eine Fortsetzung gibt.

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