Der Solarstrom wird allen interessierten Parteien zur Verfügung gestellt, nicht alle Haushalte müssen mitmachen. Der Betreiber der PV-Anlage wird für die Beteiligten zum Stromlieferant und ist verpflichtet, eine Vollversorgung durch Zukauf von Reststrom sicherzustellen. Er unterliegt somit allen Pflichten eines Elektrizitäts- Versorgungs-Unternehmens (EVU).

1. Mieterstrom - Das Betriebskonzept

Der von der PV-Anlage erzeugte Strom wird durch einen Mieterstrom-Anbieter allen interessierten Parteien zur Verfügung gestellt. Der Betreiber der PV-Anlage wird für die Beteiligten zum Stromlieferanten und ist verpflichtet, eine Vollversorgung (d. h. in der Regel durch Zukauf von Reststrom) sicherzustellen. Er unterliegt somit allen Pflichten eines Elektrizitäts- Versorgungs-Unternehmens (EVU) (z. B. Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhung, Kündigungsrecht, Stromsteuernachweise, Abschläge). Das Recht zur freien Stromanbieterwahl für alle Haushalte bleibt unberührt – bei einem Wechsel verzichten sie jedoch auf den PV-Strom.

Eine zusätzliche Förderung (sog. „Mieterstromzuschlag“) ist möglich, jedoch mit zusätzlichen Pflichten behaftet. Z. B. dürfen die Stromkosten nicht mehr als 90 % des örtlichen Grundversorgertarifs betragen. In der Praxis erwiesen sich die Auflagen bisher als so aufwändig, dass viele Projekte ohne die zusätzliche Förderung umgesetzt wurden. Die Mieter:innen behalten somit die freie Wahl des Stromanbieters und können sich auch gegen den Mieterstromtarif entscheiden. Somit ist es möglich, dass sich regelmäßig, insbesondere bei Ein- und Auszug, neue Konstellationen der Beteiligung am Mieter strommodell ergeben. Das führt zu wirtschaftlichen Risiken und zu einem Mehraufwand bei der Abrechnung, sodass sich dieses Modell oft nur bei relativ großen Häusern mit vielen Wohnparteien oder im Neubau rentiert.

© SFV | Abb. 1 - Die teilnehmenden Parteien (2-4) werden mit Solarstrom beliefert. Partei 1 erhält keinen Solarstrom. Ein (virtueller) Summenzähler wird für die Abrechnung benötigt.

© Naturstrom AG | Abb. 2 - Viele Mieterstromprojekte werden durch externe Dienstleister, sog. Contractor, umgesetzt.

Die geeichten Zähler jeder Wohnpartei (Z₁ – Z₄) bleiben erhalten, weiterhin ist ein PV-Erzeugungszähler (ZPV) und ein Zweirichtungszähler (ZSUM) am Netzverknüpfungspunkt notwendig. So kann der  Mieterstromanbieter die Einspeisevergütung geltend machen und den Kunden einen Mischstrom aus Solar- und Reststrom in Rechnung stellen. Eine Befreiung von der Stromsteuer gibt es nur für den nachweislichen Anteil, der aus der Solarstromanlage an die Haushalte weitergegeben wurde. 

2. Vor- und Nachteile

Alle Betriebskonzepte bieten ihre Vor- und Nachteile. Oft lässt sich das richtige Betriebskonzept nur im Einzelfall für das jeweilige Projekt klären. Dennoch versuchen wir uns an einer kurzen Gegenüberstellung der relevanten Merkmale dieses Betriebskonzeptes:

 

Wer betreibt die PV-Anlage?Hauseigentümer:in / WEG / Pächter / Contractor
Installations- und Abrechnungsaufwand:Hoch
Geeignet für:Häuser mit vielen Wohnparteien
Vorteile:• Verbrauchsgerechte Abrechnung je Partei möglich
• Möglichkeit der Mieterstromförderung
Nachteile:• Relativ hoher Verwaltungsaufwand
• Oft nicht ohne externe Dienstleister umsetzbar                                                     

3. Praxisbeispiel

Von Martin Schöfthaler, Vorstand der Bürgerenergiegenossenschaft EENA eG

Die Bürgerenergiegenossenschaft EENA eG (ErneuerbareEnergien Neckar-Alb eG) unterstützt WEGs seit 2018 darin, gesetzliche Solardach-Pflichten oder das baden-württembergische EWärmeG zu erfüllen und auf Wunsch auch Solarstrom für die Bewohner bereitzustellen. Für diese Verknüpfung von Mieterstrom mit Vorgaben des Gesetz­gebers wurde die EENA im Jahr 2019 vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (bwgv) und den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) im Rahmen eines Ideenwettbewerbs ausge­zeichnet. Martin Schöfthaler, Vorstand der Bürgerenergiegenossenschaft, hat schon mehrere Anlagen im Mieterstrommodell umgesetzt und berichtet über eines seiner Projekte in Reutlingen.

Das Mieterstromgesetz aus dem Jahr 2017 schreibt vor, dass der Solarstrom vom Dach die Wohn­einheiten innerhalb des Gebäudes physisch versorgen kann. Schon diese Voraussetzung macht eine Mieterstromanlage deutlich komplexer als die PV-Anlage auf einem Einfamilienhaus: Die Versorgungs­leitungen aller Wohneinheiten müssen vor dem Netzverknüpfungspunkt zusammengeführt und über einen Summenzähler (Wandlerzähler) ans Netz angeschlossen werden. Diese Maßnahmen können die Kosten um einen fünfstelligen Betrag erhöhen. Spätestens dann müssen Teile der Mehrkosten ggf. von der WEG getragen werden, selbst wenn unsere Genossenschaft als Außenstehende die PV-Anlage finanziert und betreibt. 

Außerdem wird vorausgesetzt, dass allen Bewohnern ein Komplettstrombezugsangebot („Mieter­stromtarif“) unterbreitet wird, das auch den ergänzenden Netzbezugsstrom („Dunkelstrom“) umfasst. Wir arbeiten dafür mit einem Mieterstrom-Dienstleister zusammen, der dies für uns übernimmt, und uns den im Gebäude genutzten Solarstrom zu einem langfristig festen Tarif (10 ct/kWh) abnimmt und für ein Mieterstromangebot mit bedarfsgerecht eingekauftem Ökostrom ergänzt. Jede Wohneinheit kann dieses Angebot frei und unabhängig von allen anderen annehmen. 

© Martin Schöfthaler | Abb. 3 - In einem Wohnhaus in Reutlingen werden die Haushalte seit 2021 mit Mieterstrom aus der Solaranlage beliefert.

© Martin Schöfthaler | Abb. 4 - Ein Monitor im Eingangsbereich des Gebäudes stellt die PV-Erzeugung grafisch dar.

In Reutlingen wurde die Mieterstromanlage von einem Verwaltungsbeiratsmitglied und Bewohner des Hauses initiiert. Er kam direkt auf uns zu und bat parallel auch die Liegenschaftsverwaltung darum mitzuwirken. Gemeinsam mit einem Solarteur projektierten wir die Anlage und ermittelten den finanziellen Einmalbeitrag für die WEG, der uns erlaubte, die PV-Anlage im Mieterstrommodell wirtschaftlich zu betreiben. Der Beschluss der WEG für eine durch uns verantwortete Mieterstromanlage erfolgte dann in der WEG-Versammlung am 20.07.2021. Die PV-Anlage wurde im September und Oktober errichtet und im Dezember 2021 endgültig per Zählersetzung durch den Netzbetreiber ans Netz gebracht. Typisch sind bei uns Zeiten ab Beschluss bis zum Netzanschluss von 3-6 Monaten.

Die Bezugszähler aller 85 Wohneinheiten in diesem Haus befinden sich jeweils auf ihren Stockwerken und sind über gemeinsame Stromschienen in einem Schacht mit dem Haus­anschluss verbunden. Im Keller musste somit lediglich ein Wandlermessschrank eingerichtet werden. In Mieterstromprojekten wird nach dem Summenprinzip abgerechnet: Der im Gebäude insgesamt genutzte „Eigenstrom“ ergibt sich wie in Einfamilienhäusern aus Erzeugung abzüglich Netzeinspeisung. In der Jahresabrechnung wird dieser allerdings durch den Gesamtstrombedarf aller tatsächlichen Mieter­stromkunden gedeckelt. Darüber hinausgehende Mengen werden nachträglich vom Netzbetreiber als Stromeinspeisung vergütet. Je mehr Bewohner Mieterstromkunden werden, desto höher wird die Menge des abrechenbaren Solarstroms. Unserer Erfahrung nach werden trotz Kostenersparnis jedoch manchmal nur 30% aller WEG-Bewohner tatsächlich Mieterstromkunden (einige sind einfach zu träge für einen Lieferantenwechsel).

Leider eignet sich unser aktuelles Konzept nur für größere WEGs (ab 20 Wohneinheiten), während wir viele Anfragen auch von kleineren WEGs erhalten. Mieterstrom wollen wir bisher bewusst nicht selbst (ohne Dienstleister) anbieten, da wir dann auch Ökostrom (Dunkelstrom) einkaufen müssten und uns dieser Aufwand im Ehrenamt noch zu viel ist. Wir hoffen eben auf die Alternative „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“, der die kostspielige physische Anschluss­zusammenlegung durch digitale Abrechnungsprozesse synchronisierter Viertelstunden-Messwerte ersetzt. Mehrere potenzielle Messstellenbetreiber bereiten sich derzeit auf entsprechende Angebote vor, so dass wir davon ausgehen, in 2025 erste GGV-Projekte realisieren zu können.

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