Das Potential für Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern (MFH) ist riesig. Jedes dritte Gebäude in Deutschland ist ein MFH. Die allermeisten davon sind noch ohne Solaranlagen. Umso wichtiger ist es uns, Ihnen die notwendigen Informationen und eine Übersicht zu den verschiedenen Betriebskonzepten im MFH zu geben, um die Planung einer PV-Anlage im Mehrfamilienhaus voranzubringen. Ob als Volleinspeiseanlage, Einzelanlagenmodell oder über eine Belieferung der einzelnen Wohnungen - je nach Abrechnungsmodell können unterschiedliche Vorteile, aber auch Pflichten auf den Betreiber der Anlage zukommen. In diesem Beitrag geben wir einen kurzen Überblick, welche Betriebsmodelle sich je nach Anwendungsfall bewährt haben. Für eine genauere Betrachtung Ihres Projektes können Sie sich gern bezüglich einer MFH-Initialberatung an uns wenden.

Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der Planung von PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern (MFH)

Grundzuständiger Messstellenbetreiber (nach MsbG): örtliche Netzbetreiber (z. B. Westnetz, Avacon, Bayernwerk…) 

Wettbewerblicher Messstellenbetreiber: Unternehmen, dass Messdienstleistungen anbietet (z.B. überregionale Energieversorger, Energiegenossenschaften, spezialisierte Dienstleister)

Stromlieferant: Verkäufer von Strom (z.B. STAWAG, EWS, Naturstrom …)

1. Übersicht: Betriebskonzepte im Vergleich

Bei der Planung Ihres Solarprojektes im Mehrfamilienhaus sollten Sie sich frühzeitig über das passende Betriebskonzept informieren. Welches Konzept am Besten zu Ihnen passt, hängt von der Größe, den Wünschen und den Beteiligungsformen sowie der Gewinnerzielungsabsicht Ihrer Hausgemeinschaft ab. Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen ersten Überblick, bevor in den nächsten Abschnitten die einzelnen Betriebskonzepte genauer erläutert werden.

 

 Mögliche Betreiber:inInstallations-  und AbrechnungsaufwandGeeignet für
VolleinspeisungHauseigentümer:in / WEG / Pächter / ContractorGeringAlle, z. B. als Übergangslösung
Allgemeinstrom- versorgungHauseigentümer:in / WEG / Pächter / ContractorGeringHäuser mit kleiner Dachfläche und/oder hohem Allgemeinstromverbrauch (z. B. Schwimmbad)
EinzelanlagenJeweilige WohneinheitMittelWohnungen mit excl. Dachnutzungsrecht, MFH mit wenigen Parteien
BalkonsolarJeweilige WohneinheitGeringHäuser mit ungeeignetem oder bereits genutztem Dach (z. B. bei Volleinspeisung), oder als Übergangslösung
Kollektive SelbstversorgungHauseigentümer:in / WEGMittelWohnungsgemeinschaften mit gutem Zusammenhalt
MieterstromHauseigentümer:in / WEG / Pächter / ContractorHochHäuser mit beliebig vielen Wohnparteien
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV)*Hauseigentümer:in / WEG / Pächter / ContractorMittel (noch fehlende Erfahrungswerte)*

Häuser mit bis zu 30 Wohnparteien (noch fehlende Erfahrungswerte)*


 

* Die GGV ist ein recht neues Betriebskonzept. Bisher sind uns noch keine Erfahrungswerte zu diesem Betriebskonzept bekannt. Haben Sie bereits Erfahrungen gesammelt? Geben Sie sie gerne an uns weiter!

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2. Volleinspeisung

Eine Volleinspeiseanlage ist das einfachste Betriebskonzept. Der PV-Strom wird vollständig ins öffentliche Netz eingespeist. Dafür kann der Anlagenbetreiber für Anlagen, die ab dem 1.8.2022 in Betrieb gesetzt wurden,beim Netzbetreiber den “Volleinspeise-Bonus” abrufen (siehe auch “Einspeisevergütung”). Ein zusätzlicher Zähler misst die Einspeisemenge ins öffentliche Netz, wofür ggf. eine Ertüchtigung des Zählerschranks notwendig wird. Darüber hinaus wird keine Änderung an der weiteren Haus- und Messtechnik vorgenommen. Allerdings können die Bewohner:innen des Hauses nicht direkt vom Solarstrom profitieren.

Eine Volleinspeiseanlage lässt sich in den meisten Fällen wirtschaftlich betreiben, auch wenn die Amortisation länger dauert als bei Anlagen mit Eigenverbrauch. Eine Volleinspeiseanlage stellt eine gute Übergangslösung dar, um von aktuell günstigen Anlagenpreisen zu profitieren. Die Betriebsweise der Anlage kann jederzeit durch einen Elektrofachbetrieb geändert werden, eine Umrüstung auf Eigenverbrauch ist also auch nachträglich möglich.

© SFV | Abb 1 ― Bei einer Volleinspeiseanlage wird der gesamte erzeugte Strom in das öffentliche Netz eingespeist.

© SFV | Abb 2 ― Diese Volleinspeiseanlage auf einem Aachener Mehrfamilienhaus amortisiert sich nach eigener Berechnung innerhalb von 15 Jahren. 

3. Allgemeinstromversorgung

Bei der Allgemeinstromversorgung fließt der erzeugte Strom in die gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen (Treppenlicht, Aufzug, ggf. Wärmepumpe / Schwimmbad o. ä.). Der Abrechnungsaufwand bleibt somit gering. Der Solarstrom kann über die Betriebskosten in Rechnung gestellt werden und reduziert damit die Stromkosten, die ansonsten von einem Stromlieferanten anfallen würden. Bei geringem Allgemeinstrombedarf wird die Anlage vorrangig über Netzeinspeisung refinanziert. Die Bewohner:innen des Hauses können vom erzeugten Solarstrom nur indirekt profitieren. 

© SFV | Abb 3 ― Bei hohem Allgemeinstromverbrauch kann eine PV-Anlage im Mehrfamilienhaus die Betriebskosten senken.

© SFV | Abb 4 ― Zur Abrechnung wird der Allgemeinstromzähler als Zweirichtungszähler ausgeführt. Darüberhinaus sind in der Regel keine weiteren Änderungen an der Hauselektrik notwendig.

4. Einzelanlagen-Modell

Beim Einzelanlagen-Modell wird jedem (interessierten) Haushalt ein Teil der Gebäudefläche (Dach, Fassade oder Balkone) zugewiesen und mehrere technisch unabhängige Einzelanlagen errichtet. Jeder Haushalt kann so selbst investieren und seinen selbst produzierten Strom verbrauchen; der überschüssig eingespeiste Strom wird vergütet. Das Modell entspricht dem Betrieb einer PV-Anlage eines Einfamilienhauses.

Während der abrechnungstechnische Aufwand gering bleibt, erhöht sich der Installations- und Materialaufwand, da keine gemeinsame Nutzung von Infrastruktur (Wechselrichter, Kabel etc.) möglich ist. Wer sicher gehen will, kann die individuelle Flächennutzung (je Haushalt)  im Grundbuch festhalten. Der Gesamtnutzen im Vergleich mit einer gemeinschaftlich betriebenen PV-Anlage ist geringer. Dieses Konzept eignet sich besonders für Wohnungen mit exklusivem Dachnutzungsrecht (z. B. Mansardenwohnungen) oder für einzelne Parteien, die sich individuell mit Solarstrom versorgen wollen. 

© SFV | Abb 5 ― Auch mehrere Einzelanlagen können errichtet und den einzelnen Parteien zugewiesen werden.

© SFV | Abb 6 ― Jede Partei rechnet selbst mit dem Messstellenbetreiber ab. Eine gemeinsame Nutzung von Infrastruktur (Zähler, Kabel etc.) ist nicht möglich.

5. Balkonsolar

Balkonsolaranlagen können als einfache (Übergangs-) Lösung dienen und ähneln dem Einzelanlagenmodell. Aktuell sind Anlagen bis 800 W für die vereinfachte Anmeldung zugelassen. Der eingespeiste Strom wird jedoch nicht vergütet. Die Anlagen können selbst installiert und in Betrieb genommen werden, es wird lediglich eine Anmeldung im Marktstammdatenregister gefordert. Bei Umzug können die Anlagen mitgenommen werden. Der wirtschaftliche Vorteil ist hoch. Steckersolargeräte amortisieren sich in wenigen Jahren. Allerdings können sie nur einen geringen Teil des individuellen Strombedarfs abdecken. , Der Installationsaufwand (bei tauglichem Balkon und vorhandener Außensteckdose) ist gering. Der Betrieb von Steckersolargeräten ist auch zusätzlich zur vorhandenen Dachanlage möglich.

6. Kollektive Selbstversorgung

Die kollektive Selbstversorgung wird auch als “Einzählermodell” bezeichnet und bietet sich hauptsächlich für kleinere MFH mit vertrauensvollem Zusammenhalt an. Die Abrechnung wird vereinfacht: Denn bis auf den Zähler zum öffentlichen Netz werden alle Unterzähler privat eingerichtet und verwaltet. Gegenüber dem Netzbetreiber tritt die Hausgemeinschaft also als ein Stromkunde auf. Der Vorteil: Die Mess- sowie Grundgebühren für die Gemeinschaft verringern sich. Der Abrechnungsaufwand für die Einspeisevergütung und den Reststrombedarf bleibt gering, jedoch erhöht sich der Abstimmungs- und Verwaltungsaufwand für die internen Abrechnungen der Wohngemeinschaft. Außerdem müssen sich die beteiligten Hausbewohner:innen einig sein, einen gemeinsamen Stromanbieter zu nutzen. Sie verlieren damit die Möglichkeit, jeweils einzeln einen Stromlieferanten für den Reststrom zu wählen. Insgesamt kann diese Betriebsweise zu einem einfachen und wirtschaftlicher Betrieb der PV-Anlage führen. Das Modell eignet sich in aller Regel für Mehrfamilienhäuser mit wenigen Wohneinheiten (z.B. bis zu 20)  Wenn einzelne Haushalte nicht teilnehmen wollen, können sie über eine zweite Leitung vom öffentlichen Netz versorgt werden. Diese Variante führt zu einem höheren Installationsaufwand. 

© SFV | Abb 7 ― Bei der kollektiven Selbstversorgung nehmen alle Parteien an der Solarstromlieferung teil. Ein gemeinsamer Lieferant für den Reststrom muss gewählt werden.

© SFV | Abb 8 ― Messkonzept für die kollektive Selbstversorgung. Ein geeichter Zähler misst den Strombezug sowie die Einspeisung. weitere private Unterzähler können zur internen Abrechnung dienen.

7. Mieterstrom (mit und ohne Förderung)

Der von der PV-Anlage erzeugte Strom wird allen interessierten Parteien zur Verfügung gestellt. Nicht alle Haushalte müssen mitmachen. Der Betreiber der PV-Anlage wird für die Beteiligten zum Stromlieferant und ist verpflichtet, eine Vollversorgung (d.h. in der Regel durch Zukauf von einem Stromlieferanten) sicherzustellen. Er unterliegt somit allen Pflichten eines Elektrizitäts-Versorgungs-Unternehmens (EVU) (z.B. (Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhung, Kündigungsrecht, Stromsteuernachweisen, Abschläge). Das Recht zur freien Stromanbieterwahl für alle Haushalte bleibt unberührt. Somit ist es möglich, das regelmäßig, insbesondere bei Ein- und Auszug, neue Konstellationen der Beteiligung am Mieterstrommodell ergeben. Das führt zu wirtschaftlichen Risiken und führt zu einem Mehraufwand bei der Abrechnung. Außerdem dürfen die Stromkosten nicht mehr als 90% des örtlichen Grundversorgertarifs betragen. Eine Befreiung von der Stromsteuer gibt es nur für den nachweislichen Anteil, der aus der Solarstromanlage an die Haushalte weitergegeben wurde. Eine zusätzliche Förderung (Mieterstromzuschlag) ist möglich.

Wegen der aufwändigen Pflichten ist der Verwaltungsaufwand bei diesem Modell für die PV-Anlagenbetreiber:in relativ hoch, sodass sich dieses Konzept besonders bei größeren Hausgemeinschaften rentiert.

Info: Contracting

Um die bürokratischen Pflichten zu umgehen, kann die Installation und der Betrieb der PV-Anlage auch an Dritte (sogenannte “Contractor”) abgegeben werden. Wegen des relativ hohen Verwaltungsaufwandes ist dies insbesondere bei Mieterstromprojekten eine übliche Herangehensweise. In unserem Beitrag “PV-Contracting” gehen wir genauer auf die verschiedenen Optionen und deren Vor- und Nachteile ein.

© SFV | Abb 9 ― Beim Mieterstrommodell wird der Solarstrom in die Wohnung geliefert, Mieter:innen behalten das Recht auf die freie Wahl des Lieferanten und können sich auch gegen die Solarstromlieferung aussprechen.

© SFV | Abb 10 ― Um eine Zuweisung der gelieferten Solarstrommengen zu erhalten, sind aufwändige Messkonzepte notwendig. Durch virtuelle Summenzähler können dabei Kosten gespart werden.

Virtueller Summenzähler
Das Zählermodell kann sich bei einem Mieterstromkonzept beliebig kompliziert gestalten. Insbesondere bei Wohnquartieren, bei denen mehrere Wohngebäude in die Versorgung mit Solarstrom integriert werden sollen, waren bislang aufwändige Zählerkaskaden mit einem Summenzähler erforderlich. Hierfür mussten vorhandene Zählerkonzepte im Mehrfamilienhaus neu aufgesetzt werden. Das führte zu enormen Zusatzkosten. Durch eine Änderung des Messstellenbetriebsgesetzes ist es seit Mai 2023 rechtlich zulässig, sogenannte “virtuelle Summenzähler” einzusetzen. Das führt zu einer Reduzierung der Installationskosten von bis zu 20%. Teure Summenzähler oder Zwei-Schienen-Konzepte für die Aufteilung von solarversorgten und nicht-solarversorgten Haushalten entfallen. Wichtig ist allerdings, dass ein intelligentes Messsystem (Smart Meter Gateway) eingesetzt wird. Im Zuge der Digitalisierung des Messwesens ist diese Abrechnung ohnehin in den nächsten Jahren erforderlich. 

Unter diesen Bedingungen kann das grundsätzliche Zählerkonzept zur Abrechnung der Strombedarfe einzelner Haushalte - ggf mit einer zusätzlichen Umrüstung auf digitalen Zähler - bestehen bleiben. Die gesamt gelieferte Reststrommenge wird nur noch rechnerisch als Summe der Einzelzähler ermittelt. Für den Überschussstrom aus der Solaranlage, der ggf. in das öffentliche Netz eingespeist wird, ist nur noch ein Einspeisezähler erforderlich.
 

8. Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist ein neues Abrechnungsmodell, welches im Rahmen der Gesetzesänderung zum Solarpaket am Mitte Mai 2024  in Kraft getreten ist. Die PV-Anlage soll (technisch) als Volleinspeiseanlage betrieben und über Viertelstunden-Messungen (Smart Meter Gateway) mit den teilnehmenden Haushalten verrechnet werden. Die Abrechnung erfolgt über den grundzuständigen Messstellenbetreiber (= Netzbetreiber) oder einen wettbewerblichen Messstellenbetreiber (externer Dienstleister). Der Solarstrom soll vom Messstellenbetreiber über einen statischen oder dynamischen Abrechnungsschlüssel auf die Haushalte verteilt werden. Der PV-Anlagenbetreiber wird somit nicht zum EVU. Dadurch soll die Umsetzung vereinfacht werden. Bedingung zur Teilnahme an der GGV ist jedoch eine ¼ h-Messung der Strombedarfe und damit das Vorhandensein eines intelligenten Messsystems (Smart Meter Gateway) an jedem Zählpunkt.

Bislang gibt es einige Pilotprojekte, die sich in der Planungsphase für die Abrechnung einer GGV befinden. Die internen Verrechnungsstrukturen zwischen Netzbetreiber und Reststromlieferanten sind bislang noch nicht abgestimmt, so dass es nach unserem Kenntnisstand noch keine umgesetzten Projekte gibt. Die Bundesnetzagentur hat angekündigt, hierzu einen Leitfaden zu entwickeln. Sollten Sie bereits dennoch von der GGV profitieren und erste Erfahrungen gesammelt haben, melden Sie sich gern bei uns!

GGV statisch dynamisch

© SFV | Abb 11 ― Die Zuweisung der Strommengen bei der GGV können durch statische oder dynamische Verteilungsschlüssel erfolgen. Berechnungen zeigen, dass bei einer dynamischen Aufteilung eine höhere Eigenstromnutzung erreicht werden kann.

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