Interview mit Dr.-Ing. Natalie Mutlak, Mitglied der Clearingstelle EEG|KWKG

Was macht die Clearingstelle EEG|KWKG?

Was macht die Clearingstelle EEG|KWKG?

Die Clearingstelle ist die gesetzliche, neutrale Stelle zur Lösung von Konflikten und zur Klärung von Anwendungsfragen im Bereich des Rechts der erneuerbaren Energien, des Messstellenbetriebsgesetzes sowie des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes. Sie wird im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz betrieben, wir sind dabei jedoch nicht weisungsgebunden. Grund für die Errichtung der Clearingstelle im Jahr 2007 war eine steigende Anzahl von EEG-Anlagen mit zunehmend komplexen Konstellationen, bei denen technische, ökonomische und juristische Fragen geklärt werden mussten.

Wir sind Ansprechpartner für Anlagen-, Netz- und Messstellenbetreibende und Direktvermarktungsunternehmen. Wir lösen Konflikte nicht nur, sondern helfen schon frühzeitig durch umfangreiches Informationsmaterial, mögliche Konflikte zu vermeiden. So sorgen wir dafür, dass die Energiewende schneller voranschreitet.

Auf unserer Homepage haben wir dafür ein Anfrageformular bereitgestellt, über das Ratsuchende ihr Problem darstellen und online oder analog einreichen können. Intern klären wir dann, ob der Konfliktfall bereits behandelt wurde – dann wird auf das Ergebnis bzw. auf passende Antworten auf unseren “Häufigen Rechtsfragen” verwiesen –, oder ob ein neues Klärungsverfahren nötig ist. Hier bieten wir zur Klärung von Einzelfällen sogenannte Einigungsverfahren, schiedsrichterliche Verfahren und Votumsverfahren an. Die Kosten für unsere Einzelverfahren orientieren sich an der Leistung der Anlage. Insgesamt sind Verfahren bei der Clearingstelle in der Regel deutlich günstiger als ein Prozess vor Gericht.

Zudem kann die Clearingstelle auf Ersuchen eines ordentlichen Gerichts – d. h. von Zivilgerichten wie einem Amts-, Land- oder Oberlandesgericht – im Rahmen von sogenannten Stellungnahmeverfahren tätig werden und eine vom Gericht gestellte Frage beantworten.

Außerdem führen wir auch abstrakt-generelle, also über den Einzelfall hinausgehende Klärungen durch.

Häufige Rechtsfragen der Clearingstelle
 

In den "Häufigen Rechtsfragen" der Clearingstelle EEG|KWKG werden wichtige Themen zur Interpretation des EEG und MsbG erläutert.
Der SFV greift in seiner Beratungsarbeit sehr häufig darauf zurück und ist seit der Gründung der Clearingstelle EEG|KWKG im Jahr 2007 nichtständiger Beisitzer.

Gibt es einen Rechtsanspruch auf GGV und virt. Summenzähler?

Wir würden das Thema gerne auf zwei gesetzliche Neuerungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) lenken. Seit 2023 wird der „virtuelle Summenzähler“ im EnWG aufgeführt. Seit Mai 2024 ist auch die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV) im EnWG zu finden. Hat man einen Rechtsanspruch auf die beiden Konzepte?

Grundsätzlich haben Anlagenbetreibende einen Rechtsanspruch auf Umsetzung des mit dem GNDEW (1) eingeführten virtuellen Summenzählers (§ 20 Abs. 1d Satz 3 EnWG) sowie auf die mit dem Solarpaket I (2) eingeführte Möglichkeit der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (§ 42b EnWG), sofern die dort jeweils genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Zu beachten ist zunächst, dass die Gewährung oder Ablehnung eines Messkonzeptes bzw. einer einem bestimmten Messkonzept zugrundeliegenden Berechnungsformel durch den Netzbetreiber keine Frage des Netzanschlusses ist (3). Die Ablehnung eines Netzbetreibers mit der Begründung, dass ein bestimmtes Messkonzept nicht in seinen Technischen Anschlussbedingungen (TAB) steht, dürfte also nicht ohne Weiteres greifen, da Messkonzepte gerade nicht Bestandteil des (technischen) Netzanschlusses sind. Vielmehr dürfte dies zunächst eine Frage des Netzzugangs gemäß § 20 EnWG darstellen. Dabei gilt der Grundsatz, dass der Netzzugang mit den angefragten Modalitäten (z.B. ein bestimmtes Messkonzept) durch den Netzbetreiber zu gewähren ist. Eine Ausnahme davon besteht lediglich, wenn der Netzbetreiber gemäß § 20 Abs. 2 EnWG ein Verweigerungsrecht hat, nämlich wenn er nachweisen kann, dass ihm die Umsetzung „aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist“.

Eine „Unmöglichkeit“ oder eine „Unzumutbarkeit“ dürfte dabei jedenfalls immer dann nicht anzunehmen sein, wenn ein Messkonzept oder eine bestimmte Abrechnungsformel irgendwo bei einem Netzbetreiber bereits in Verwendung ist. Daraus folgt jedoch nicht automatisch, dass der Netzbetreiber ein Recht hat, den Netzzugang abzulehnen, wenn das betreffende Messkonzept einschließlich Abrechnungsformel noch von keinem anderen Netzbetreiber umgesetzt wurde. Auch eine ggf. (noch) fehlende Einrichtung des eigenen IT-Systems des Netzbetreibers für die Abwicklung eines bestimmten Messkonzeptes im Massengeschäft dürfte grundsätzlich weder eine „Unmöglichkeit“ noch eine „Unzumutbarkeit“ für den Netzbetreiber gemäß § 20 Abs. 2 EnWG darstellen. 

Dies dürfte ebenso für den Einwand gelten, dass etwa ein bestimmtes Konstrukt wie z.B. ein virtueller Summenzähler oder eine gemeinschaftliche Gebäudeversorgung „von der BNetzA noch nicht in der Marktkommunikation spezifiziert“ wurde. In diesen Fällen ist die gesetzlich geschaffene Regelung ohne Massenprozess, mithin „händisch“, vom Netzbetreiber umzusetzen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass für die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung nach § 42b EnWG mit den seit April gültigen UTILTS (4) die MaKo-Regeln bereits alles Erforderliche enthalten dürften, um Berechnungsformeln zu erstellen, zu verwalten und auszutauschen.

Muss der Netzbetreiber die Konzepte umsetzen?

Was ist, wenn mein Netzbetreiber sich weigert, die Konzepte umzusetzen? Was kann ich dagegen tun? Gibt es Alternativen?

Soweit es sich um eine Weigerung des Netzbetreibers im Zusammenhang mit dem Netzzugang gemäß § 20 EnWG handelt, besteht die Möglichkeit, bei der Bundesnetzagentur (poststelle.bk6@bnetza.de) das etwaige missbräuchliche Verhalten des Netzbetreibers z.B. unter Berufung auf § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG anzuzeigen. Die BNetzA kann gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EnWG einen Netzbetreiber verpflichten, in Fällen eines rechtswidrig verweigerten Netzzugangs diesen zu genehmigen.

Im Hinblick auf den Netzanschluss gilt, dass ein streitiges Messkonzept – jedenfalls wenn die Sicherheit des Netzbetriebs nachweislich nicht gefährdet ist und wenn jedenfalls ein (ggf. virtueller) Übergabezähler zur Erfassung der aus dem Netz bezogenen und in das Netz eingespeisten Strommenge vorhanden ist – nicht zu einem Rechtsgrund für den Netzbetreiber führt, den Netzanschluss der Anlagen bis zur abschließenden Klärung des Messkonzeptes zu verweigern. Die in § 8 EEG 2023 geregelte Pflicht, dass Netzbetreiber EEG-Anlagen unverzüglich vorrangig an ihr Netz anschließen müssen, ist zu erfüllen. Zum konkreten Vorgehen bei einem streitigen Messkonzept hat die Clearingstelle in ihrer Empfehlung 2018/33 in Abschnitt 4.4.3 Ausführungen gemacht (5).

Die Frage, inwieweit der Netzbetreiber in seiner Rolle als grundzuständiger Messstellenbetreiber nach dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) verpflichtet ist, ein von Anlagenbetreibenden gewünschtes Messkonzept umzusetzen, ist derzeit nicht abschließend geklärt. Anlagenbetreibende haben jedoch nach § 5 Abs. 1 MsbG die Möglichkeit, einen anderen als den grundzuständigen Messstellenbetreiber (6) zu beauftragen, sofern dieser einen einwandfreien Messstellenbetrieb i.S.d. MsbG gewährleistet (7).

Mehr Infos: SFV Solar-Wiki


In unserem neuen Solar-Wiki finden Sie einen Artikel, der die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung erklärt:

Warum gibt es deutschlandweit keine einheitlichen Messkonzepte?

Oftmals wird bei Netzbetreibern auf die Zählerkonzepte eines bayerischen Verbandes zurückgegriffen. Wie verbindlich sind diese Zählerkonzepte bzw. warum gibt es deutschlandweit keine einheitlichen Messkonzepte?

Die von Ihnen wahrscheinlich angesprochenen VBEW-Messkonzepte sind zwar nicht rechtlich verbindlich, jedoch dürften diese einen Anhaltspunkt dafür geben, welche Messkonzepte bereits von vielen Netzbetreibern umgesetzt werden. Dort auftauchende Messkonzepte dürften danach jedenfalls nicht mit dem Argument abgelehnt werden können, dass deren Umsetzung „unmöglich“ oder „unzumutbar“ i.S.v. § 20 Abs. 2 EnWG ist.

Warum es keine deutschlandweit einheitlichen Messkonzepte gibt, ist in der Tat eine gute Frage. Möglicherweise liegt das daran, dass unklar ist, welcher Urheber auf welcher rechtlichen Grundlage dazu berufen sein könnte, eine solche Veröffentlichung zu machen. Mir ist bekannt, dass es Bestrebungen gab, im Rahmen des VDE-Metering-Codes umfassende Messkonzepte zu integrieren, wodurch ggf. eine größere rechtliche Verbindlichkeit (über § 10 Abs. 2 EEG i.V.m. § 49 EnWG) erzielt worden wäre. Dies wurde jedoch offensichtlich nicht weiterverfolgt.

Im aktuell laufenden Rechtsetzungsverfahren zum “Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Bereich der Endkundenmärkte, des Netzausbaus und der Netzregulierung” (8) ist mit § 20b EnWG geplant, eine gemeinsame Internetplattform für die Abwicklung des Netzzugangs zu schaffen, die offenbar auch Messkonzepte umfassen soll. Dies ist also weiter zu beobachten. Dabei dürfte allerdings klar sein, dass Standardmesskonzepte nicht für alle Einzelfälle passgenaue Lösungen bieten können.

Wer ist beim Messstellenbetriebsgetz zuständig?

Ist die Clearingstelle bei rechtlichen Streitfällen rund um das Messstellenbetriebsgesetz auch zuständig? Falls nicht, an wen kann man sich sonst wenden?

Im Jahr 2017 wurde unsere Zuständigkeit um das im September 2016 in Kraft getretene Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) erweitert, wenn die Messung des für den Betrieb einer EEG-Anlage gelieferten oder verbrauchten oder von einer EEG-Anlage erzeugten Stroms betroffen ist, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) oder der BNetzA gegeben ist. (vgl. § 81 Abs. 3 Nr. 4 EEG 2023).

Tatsächlich haben wir seitdem bereits eine Vielzahl von Empfehlungen zum MsbG veröffentlicht sowie Einzelfall-Klärungen zur Messung durchgeführt. Im Rahmen unserer Verfahren prüfen wir auch, inwieweit ein Mess- und Abrechnungskonzept mit den Vorgaben des EEG i.V.m. dem MsbG vereinbar ist.

Über die Autorin

Dr. Natalie Mutlak ist Diplom-Ingenieurin für technischen Umweltschutz und arbeitet seit 2009 bei der Clearingstelle. Hier beschäftigt sie sich insbesondere mit Messwesen sowie Fragen des Netzanschlusses. Dr. Mutlak hat zahlreiche Empfehlungen, Hinweise und Einzelfallverfahren zu komplexen technischen und rechtlichen Fragen im Bereich der erneuerbaren Energien verfasst.

Weitere Links und Nachweise

(1)  Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) vom 22. Mai 2023, nähere Informationen dazu unter https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/gesetz/6628.
(2) Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung (Solarpaket I), nähere Informationen dazu unter https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/gesetz/6847.
(3) So bereits Clearingstelle, Empfehlung v. 26.9.2019 - 2018/33, Leitsatz 6 und 7 sowie Abschnitt 4.4.1, 4.4.2, abrufbar unter https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/empfv/2018/33.
(4) UTILTS AHB zur Berechnungsformel 1.0f sowie UTILTS MIG 1.1c, in Mitteilung Nr. 36 der BNetzA zu den Datenformaten zur Abwicklung  der Marktkommunikation, abrufbar unter https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Beschlusskammern/BK06/BK6_83_Zug_Mess/835_mitteilungen_datenformate/Mitteilung_36/Mitteilung_Nr36.html.
(5) Clearingstelle, Empfehlung v. 26.9.2019 - 2018/33, abrufbar unter https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/empfv/2018/33, Abschnitt 4.4.3.
(6) Der grundzuständige Messstellenbetreiber ist in der Regel der Verteilnetzbetreiber.
(7) Clearingstelle, Empfehlung v. 09.05.2017 – 2016/26, abrufbar unter https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/empfv/2016/26, Abschnitt 3.5
(8) Nähere Informationen dazu unter https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/gesetz/6944.