Das neue Konzept der "Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung" (GGV) soll es einfacher machen, Solarstrom innerhalb eines Gebäudes zu teilen. Es soll noch in diesem Jahr mit dem Solarpaket 1 vom Gesetzgeber beschlossen werden. Das Konzept stammt ursprünglich aus Österreich und soll nun auch in Deutschland dazu beitragen, Solarenergie im Mehrfamilienhaus bürokratiearm zu nutzen. Wenn auf einem Gebäude Solarstrom erzeugt wird, sollen die Bewohner:innen oder Geschäfte diesen Strom direkt verwenden können. Der überschüssige, nicht verbrauchte PV-Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist und vergütet. Wichtig ist, dass sich die Solaranlagen und die Verbraucher:innen im gleichen Gebäudenetz befinden.

Die folgende Zusammenstellung von Regeln zur geplanten GGV ergibt sich aus dem Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des § 42b EnWG). Aufgrund der Vielzahl von Nachfragen haben wir hier schon eine Übersicht für Sie zusammengestellt. Bitte beachten Sie allerdings, dass die GGV erst nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen im Solarpaket 1 in die Praxis überführt wird.

 

Was ist bei der “Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung” zu beachten?

 

1) Ort und Verbrauch müssen übereinstimmen

Der Solarstrom kann nur von den Stromkund:innen genutzt werden, die sich in demselben Gebäude befinden, auf oder an dem die Solaranlage angebracht ist. Die Durchleitung durch das öffentliche Netz zu einem anderen Grundstück ist nicht erlaubt.

 

2) Viertelstündliche Messung erforderlich 

Die Messung der Strommengen muss viertelstündlich erfolgen und über ein intelligentes Messsystem angebunden sein.

 

3) Gebäudestromliefervertrag 

Der Betreiber / die Betreiberin der Solarstromanlage muss mit allen Bewohner:innen, die Solarstrom beziehen wollen, einen Gebäudestromliefervertrag abschließen. Die Teilnahme ist nicht verpflichtend. Eine Kopplung mit einem Mietvertrag ist nicht zulässig. Der Reststrom wird wie gewohnt von frei wählbaren Energieversorgern geliefert. Einzelne Wohnungen können, wenn gewünscht, weiterhin vollständig aus dem öffentlichen Netz versorgt werden. 

  • Im Vertrag muss folgendes geregelt werden:
  • Ab wann startet die Belieferung?
  • Wie hoch ist der Preis pro gelieferte Kilowattstunde (Ct/kWh)?
  • Wie sind die Regeln zum Betrieb, zur Wartung und zum Erhalt der Solaranlage und wie werden die Zusatzkosten aufgeteilt?
  • Wie wird der erzeugte Solarstrom auf die verschiedenen Nutzer im Gebäude aufgeteilt (Aufteilungsschlüssel)? 
  • Es wird klargestellt, dass die Solaranlage keine Vollversorgung ermöglicht.
  • Es wird klargestellt, dass ein ergänzender Stromvertrag mit einem Lieferanten notwendig ist, den jeder Strombezugskunde weiterhin selbst wählen kann.
  • Die Lieferzeit soll mindestens 2 Jahre betragen.
  • Es muss festgelegt werden, wie und in welchen Fristen der Vertrag gekündigt werden kann.
  • Nach §42b Abs.6 EnWG kann der Gebäudestromnutzungsvertrag auch durch einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ersetzt werden, wenn die WEG die Gebäudestromanlage betreibt.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

gelb= Solarstrom, rot= Reststrom, schwarz = nimmt nicht an PV-Versorgung teil, 100 % Netzstrom

4) Abrechnung durch den Netzbetreiber

Die Abrechnung der Vor-Ort-Belieferung erfolgt durch den örtlichen Netzbetreiber. Dabei wird der viertelstündlich gelieferte Solarstrom vom Strombezug der Wohnung oder Gewerbeeinheit abgezogen. Dadurch wird der Eigenverbrauch von Solarstrom in Mehrfamilienhäusern dem in Einfamilienhäusern gleichgestellt, was ein großer Vorteil ist.

Die Zuteilung des PV-Stroms erfolgt durch einen Aufteilungsschlüssel, der im Gebäudestromliefervertrag festgelegt und dem Netzbetreiber mitgeteilt wurde. Es gibt zwei Varianten:

Statische Aufteilung: Es wird als fester Anteil der je Viertelstunde gemessenen Strombezug pro Wohneinheit zugeteilt. Das kann anhand der Haushaltsgröße, der Wohnfläche oder der Zahl der Wohneinheiten erfolgen  (zum Beispiel je 20 % bei 5 Wohneinheiten (WE) ). Der vom Messtellenbetreiber erfasste prozentualen Anteil am Strombezug wird vom Netzbetreiber (der häufig auch Messstellenbetreiber ist) von der Stromrechnung abgezogen.

Die Abrechnung setzt voraus, dass intelligente Messsysteme (Smart Meter Gateway) eingesetzt werden. Diese Pflicht könnte aus Sicht des SFV in der Anfangszeit, wo intelligente Messsysteme noch nicht hinreichend verfügbar sind, ohne viertelstündliche Messung umgesetzt werden. Das wäre eine deutliche Vereinfachung. Bislang fehlt dieses Angebot von der Bundesregierung.

Dynamische Aufteilung: Der Solarstrom, der innerhalb jedes 15-Minuten-Intervalls zeitgleich verbraucht wird, muss dem Gesamtverbrauch anteilig zugeordnet werden. Dadurch wird das individuelle Stromverbrauchsverhalten genauer widergespiegelt und der Solarstrom gerechter verteilt. 

Für den Solarstrom, der nicht zeitgleich vor Ort genutzt, sondern in das öffentliche Netz eingespeist wird, erhält der / die Anlagenbetreiber:in weiterhin die gesetzliche Einspeisevergütung vom Netzbetreiber. 


5) Speicherung des Stroms und Nutzung als Gebäudestrom (Allgemeinstrom, Wärmepumpe)

Es gibt keine Einschränkungen für die Speicherung von Solarstrom. Der Selbstversorgungsanteil kann damit deutlich gesteigert werden.

Auch die Stromversorgung von Wärmepumpen, des Allgemeinstroms (Hauslicht, Fahrstuhl etc) oder Wallboxen für die E-Mobilität ist möglich. Diese weitreichenden solaren Nutzungskonzepte müssen in die Messkonzepte eingebunden und in den Abrechnungsschlüsseln berücksichtigt werden. 

 

Freie Wahl des Betriebskonzeptes bei Mieterstrom weiter möglich

Alle Betreiber:innen von PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern können weiterhin das Betriebskonzept selbst wählen. Hierzu zählen:

  • Volleinspeisung
  • Einzelanlagen-Modell
  • Allgemeinstromversorgungs-Modell
  • Stromlieferung an Wohnungseigentümer:innnen  / Mieter:innen
  1. Kollektives Eigenversorgungskonzept
  2. Einzelabrechnung mit Mieterstromförderung
  3. Einzelabrechnung ohne Mieterstromförderung
  • NEU: Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist ein weiteres, schon jetzt in der Branche sehr beliebtes Modell, das den bürokratiearmen und einfachen Einstieg in Mieterstromversorgung anbieten soll. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die geplanten gesetzlichen Änderungen in der Praxis rasch umsetzbar sind. Netzbetreiber signalisieren schon jetzt, dass der Mangel an intelligenten Messsystemen, Fachkräften und Abrechnungssystemen zu Verzögerungen führen wird.