Das neue Konzept der "Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung" (GGV) soll es einfacher machen, Solarstrom innerhalb eines Gebäudes zu teilen. Mit dem Solarpaket 1, das am 16.5.2024 in Kraft getreten ist, werden die Grundzüge gesetzlich festgeschrieben. 

Das GGV-Konzept stammt ursprünglich aus Österreich und soll nun auch in Deutschland dazu beitragen, Solarenergie im Mehrfamilienhaus bürokratiearm zu nutzen. Wenn auf einem Gebäude Solarstrom erzeugt wird, sollen die Bewohner:innen oder Geschäfte diesen Strom direkt verwenden können. Der überschüssige, nicht verbrauchte PV-Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist und vergütet. Wichtig ist, dass sich die Solaranlagen und die Verbraucher:innen im gleichen Gebäudenetz befinden.

Die folgende Zusammenstellung von Regeln zur geplanten GGV ergibt sich aus dem neuen § 42 b EnWG. Aufgrund der Vielzahl von Nachfragen haben wir eine Übersicht für Sie zusammengestellt. 

1. Ort und Verbrauch müssen übereinstimmen

Der Solarstrom kann nur von Stromkund:innen genutzt werden, die sich in demselben Gebäude befinden, auf oder an dem die Solaranlage angebracht ist. Die Durchleitung durch das öffentliche Netz zu einem anderen Grundstück ist nicht zulässig.

2. Viertelstündliche Messung erforderlich

Die Messung der Strommengen (Strombezug der Haushalte, Netzeinspeisung des Solarstroms) muss viertelstündlich über ein intelligentes Messsystem (iMSys) erfolgen. 

3. Gebäudestromliefervertrag

Der Betreiber / die Betreiberin der Solarstromanlage muss mit allen Bewohner:innen, die Solarstrom beziehen wollen, einen Gebäudestromliefervertrag abschließen. Die Teilnahme ist nicht verpflichtend. Eine Kopplung an einen Mietvertrag ist nicht zulässig. Der Reststrom der Haushalte wird wie gewohnt von frei wählbaren Energieversorgern geliefert. Alle Haushalte können sich frei entscheiden, ob sie an der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung teilhaben möchten und - sofern gewünscht - auch weiterhin vollständig aus dem öffentlichen Netz versorgt werden. 

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

© SFV | Abb 1 – Die Abbildung zeigt eine beispielhafte Stromliefer-Vertragsumsetzung: gelb= Solarstrom, rot= Reststrom, schwarz = nimmt nicht an PV-Versorgung teil, 100 % Netzstrom

Im Gebäudestromliefervertrag muss folgendes geregelt werden:

  • Ab wann startet die Belieferung?
  • Wie hoch ist der Preis pro gelieferte Kilowattstunde (Ct/kWh)?
  • Wie sind die Regeln zum Betrieb, zur Wartung und zum Erhalt der Solaranlage und wie werden die Zusatzkosten aufgeteilt?
  • Wie wird der erzeugte Solarstrom auf die verschiedenen Nutzer im Gebäude aufgeteilt (Aufteilungsschlüssel - statisch/dynamisch)?
  • Es wird klargestellt, dass mit der Solaranlage nur eine Teillieferung (keine Vollversorgung) ermöglicht werden kann.
  • Es wird klargestellt, dass ein ergänzender Stromvertrag mit einem Lieferanten notwendig ist, den jeder Strombezugskunde weiterhin selbst wählen kann.
  • Die Lieferzeit soll mindestens 2 Jahre betragen.
  • Es muss festgelegt werden, wie und in welchen Fristen der Vertrag gekündigt werden kann.
  • Nach §42b Abs.6 EnWG kann der Gebäudestromnutzungsvertrag auch durch einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ersetzt werden, wenn die WEG die Gebäudestromanlage betreibt.

4. Abrechnung durch den Netzbetreiber

Die Abrechnung der Vor-Ort-Belieferung erfolgt durch den Messstellenbetreiber. Dies kann durch den örtlichen Netzbetreiber (grundszuständiger Messstellenbetreiber) oder ein Dienstleistungsunternehmen (wettbewerblicher Messstellenbetreiber) umgesetzt werden. 

Dabei wird der viertelstündlich gelieferte Solarstrom vom Strombezug der Wohnung oder Gewerbeeinheit abgezogen. Dadurch wird der Eigenverbrauch von Solarstrom in Mehrfamilienhäusern dem in Einfamilienhäusern gleichgestellt, was ein großer Vorteil ist. Die Zuteilung des PV-Stroms erfolgt durch einen Aufteilungsschlüssel, der im Gebäudestromliefervertrag festgelegt und dem Netzbetreiber mitgeteilt wurde. Es gibt zwei Varianten:

Statische Aufteilung: Es wird als fester Anteil der je Viertelstunde gemessenen Strombezug pro Wohneinheit zugeteilt. Das kann anhand der Haushaltsgröße, der Wohnfläche oder der Zahl der Wohneinheiten erfolgen  (zum Beispiel je 20 % bei 5 Wohneinheiten (WE) ). Der vom Messtellenbetreiber erfasste prozentualen Anteil am Strombezug wird vom Netzbetreiber (der häufig auch Messstellenbetreiber ist) von der Stromrechnung abgezogen.

Die Abrechnung setzt voraus, dass intelligente Messsysteme (Smart Meter Gateway) eingesetzt werden. Diese Pflicht hätte aus Sicht des SFV in der Anfangszeit, wo intelligente Messsysteme noch nicht hinreichend verfügbar sind, auch ohne viertelstündliche Messung umgesetzt werden können. Das wäre eine deutliche Vereinfachung. Leider blieb diese Möglichkeit unbeachtet.

Beispiel: Statische Aufteilung

Drei Wohneinheiten:

1. Wohneinheit  = statischer Anteil 30 % 
2. Wohneinheit = statischer Anteil 30 % 
3. Wohneinheit = statischer Anteil 40 % 
 

Solarstromlieferung von 10:00 Uhr - 10:15 Uhr  = 10 kWh 
1. Wohneinheit: Strombedarf im Haushalt 4 kWh 

  • 3 kWh (=30%)  Solarstrom,
  • 1 kWh Reststrombezug

2. Wohneinheit: Strombedarf im Haushalt 2 kWh

  • 2 kWh (=20 %) Solarstrom,
  • anteiliger Solarstrom-Überschuss von 1 kWh (=10 %) gilt als eingespeist (Einspeisevergütung)

3. Wohneinheit: Strombedarf im Haushalt 9 kWh

  • 4 kWh (=40%) Solarstrom,
  • 5 kWh Reststrombezug

Über den gesamten Abrechnungszeitraum (1 Jahr) werden die so erfassten Strommengen jeweils als Solarstrom / Reststrombelieferung erfasst und abgerechnet.

Dynamische Aufteilung: 

Die innerhalb eines 15-Minuten-Intervalls erzeugte PV-Strommenge wird entsprechend ihres jeweiligen Anteils am Gesamtverbrauch aller Teilnehmenden innerhalb desselben 15-Minuten-Intervalls den einzelnen Teilnehmenden zugeteilt. In Folge bekommen Teilnehmende mit einem höheren Stromverbrauch in dem jeweiligen 15-Minuten-Intervall eine höhere Strommenge zugewiesen als solche mit einem niedrigeren Stromverbrauch. Dadurch wird der gesamte Eigenverbrauch aller Teilnehmenden je 15-Minuten-Intervall automatisch maximiert. Das kann insbesondere vorteilhaft sein, wenn Wärmepumpen oder Elektroautos als Stromverbraucher eingebunden sind, da der Stromverbrauch hier zu anderen Zeitpunkten erfolgt als der sonstige Haushaltsstromverbrauch.
 

Beispiel: Dynamische Aufteilung

Solarstromlieferung von 12:00 Uhr - 12:15 Uhr  = 4 kWh 
1. Wohneinheit: Strombedarf im Haushalt 0,5 kWh 

  • 0,5 kWh Solarstrom,
  • 0 kWh Reststrombezug
  • 0,07 kWh Solar-Netzeinspeisung

2. Wohneinheit: Strombedarf im Haushalt 1 kWh

  • 1 kWh Solarstrom,
  • 0 kWh Rststrombezug
  • 0,14 kWh Solar-Netzeinspeisung

3. Wohneinheit: Strombedarf im Haushalt 2 kWh

  • 2 kWh Solarstrom,
  • 0 kWh Reststrombezug
  • 0,29 kWh Solar-Netzeinspeisung

GESAMT-Bilanz für diese 1/4 h

  • 0,5 kWh Solar-Netzeinspeisung
  • 0 kWh Reststrombedarf

Die 1/4h erfassten Strommengen werden in Summe über den gesamten Abrechnungszeitraum (z.B. 1 Jahr) abgerechnet.

Falls kein Verteilungsschlüssel vereinbart wird oder der vereinbarte Verteilungsschlüssel unwirksam sein sollte, ist der Strom zu gleichen Teilen auf alle Teilnehmenden zu verteilen.

5. Einspeisevergütung

Für den Solarstrom, der nicht zeitgleich vor Ort genutzt, sondern in das öffentliche Netz eingespeist wird, erhält der / die Anlagenbetreiber:in weiterhin die gesetzliche Einspeisevergütung vom Netzbetreiber. 

Onlinevortrag: Mehrfamilienhaus Teil 1

Onlinevortrag: Mehrfamilienhaus Teil 2

Onlinevortrag: Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

6. Speicherung des Stroms und Nutzung als Gebäudestrom

Es gibt keine Einschränkungen für die Speicherung von Solarstrom. Der Selbstversorgungsanteil kann damit deutlich gesteigert werden.

Auch die Stromversorgung von Wärmepumpen, des Allgemeinstroms (Hauslicht, Fahrstuhl etc) oder Wallboxen für die E-Mobilität ist möglich. Diese weitreichenden solaren Nutzungskonzepte müssen in die Messkonzepte eingebunden und in den Abrechnungsschlüsseln berücksichtigt werden. 

7. Freie Wahl des Betriebskonzeptes bei Mieterstrom weiter möglich

Alle Betreiber:innen von PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern können weiterhin das Betriebskonzept selbst wählen. Hierzu zählen:

  • Volleinspeisung
  • Einzelanlagen-Modell
  • Allgemeinstromversorgungs-Modell
  • Stromlieferung an Wohnungseigentümer:innnen  / Mieter:innen
  1. Kollektives Eigenversorgungskonzept
  2. Einzelabrechnung mit Mieterstromförderung
  3. Einzelabrechnung ohne Mieterstromförderung
  • NEU: Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist ein weiteres, schon jetzt in der Branche sehr beliebtes und häufig diskutiertes Modell, das den bürokratiearmen und einfachen Einstieg in Mieterstromversorgung anbieten soll. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die gesetzlichen Änderungen in der Praxis rasch umsetzbar sind. Netzbetreiber signalisieren schon jetzt, dass der Mangel an intelligenten Messsystemen, Fachkräften und Abrechnungssystemen zu Verzögerungen führen könnte.

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