Das Einzählermodell ist ein wenig bekanntes, aber äußerst rentables Konzept für Photovoltaikanlagen in Mehrparteienhäusern. Johannes Jung erklärt uns, wieso.

Das Einzählermodell ist ein wenig bekanntes, aber äußerst rentables Konzept für 
Photovoltaikanlagen in Mehrparteienhäusern. Viele Eigentümergemeinschaften und Vermieter:innen sind überrascht von den wirtschaftlichen Vorteilen. In der Praxis erweist es sich häufig als die effizienteste und attraktivste Betriebsart, besonders in Gebäuden mit einem engen persönlichen Zusammenhalt der Haushalte.
 

Ein enormes, meist noch unberührtes Potenzial für den solaren Ausbau schlummert auf Dächern, unter denen sich mehrere Wohnungen befinden: Es gibt vier Millionen Mehrparteienhäuser (MPH) in Deutschland! Oft hört man das Vorurteil, dass Photovoltaik im Mehrparteienhaus ein schwieriges Thema sei. Im Solarberaterlehrgang wird sogar von der „Königsdisziplin“ der Solarberatung gesprochen. In der Tat machen regulatorische Themen und Gesetze eine simple Weitergabe von Sonnenstrom an Bewohnende im Haus nicht ganz leicht, doch mit dem Einzählermodell gibt es eine charmante Alternative zum bekannten Mieterstrommodell.

Nehmen wir als Beispiel ein MPH mit sechs Wohneinheiten und einem Allgemeinstromzähler: Für eine Mieterstrom-Lösung ist dieses Haus oftmals aus Sicht von Dienstleistern zu klein. Zudem steht die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung erst in den Startlöchern. Es zeichnet sich ab, dass auch sie kurz-/mittelfristig nicht das erwartete Heilmittel für die Umsetzung von Photovoltaik im Mehrparteienhaus werden wird. Gleichzeitig bietet das Dach mehr Potenzial als „nur“ für eine Allgemeinstromversorgung. Auch Einzelanlagen sind möglich, aber durch die Mehrfachanschaffung von Wechselrichtern und erhöhtem Umsetzungsaufwand haben sie nur eine schlechtere Wirtschaftlichkeit.

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Abb 1 — Auszug aus dem Leitfaden "Betriebskonzepte für Mehrparteienhäuser" der Energieagentur Regio Freiburg • Stand Juli 2024 

Mit einem Einzählermodell stellt sich dies ganz anders dar. Denn dessen Clou liegt darin, alle Zähler des Hauses, in diesem Fall sechs Stück, auf nur noch einen offiziellen Zähler des Netzbetreibers zu reduzieren. Ein Elektriker verändert hierzu die Schaltkreise und meldet die anderen Zähler ab. Das gesamte Haus läuft nun über einen Zähler und sieht von außen, also vom Netzbetreiber aus betrachtet, wie ein Einfamilienhaus aus. Der Reststrom von außen wird gemeinsam von einem Stromanbieter zugekauft. Dieses Verfahren bringt zwei große Vorteile mit sich:

  1. Die Eigenverbrauchsquote erhöht sich. Dadurch, dass fast immer jemand zuhause ist, erhöht sich die Eigenverbrauchsquote und damit der Ersparnishebel.
  2. Es fallen Zählergrundgebühren weg. Sind es, wie in diesem Beispiel, fünf Zähler, können jährlich etwa 700 Euro eingespart werden – über die bei Photovoltaikanlagen üblicherweise betrachtete Betriebsdauer von 20 Jahren wären dies allein 14.000 Euro! Die Amortisationszeit der Anlage verkürzt sich also bei dem Einzählermodell


Gleichzeitig tun sich jedoch zwei neue Herausforderungen auf:

  1. Das Einzählermodell erfordert ein aktives Mitmachen der Mieter*innen oder WEG-Parteien. Denn grundsätzlich kann in Deutschland jede oder jeder den eigenen Stromlieferanten frei wählen. Schert nun eine (Miet-)Partei im Nachhinein aus, würde eine Elektrikerrechnung für die Nachrüstung eines separaten Zählers fällig. Da Mieter:innen mit dem Einzählermodell fast immer finanziell bessergestellt werden, ist dies selten der Fall. Bei zukünftigen Mieter:innen kann man frühzeitig abklären , ob sie mitmachen möchten. Grundsätzlich setzt ein Einzählermodell jedoch immer ein friedliches Binnenklima im Mehrparteienhaus voraus.
  2. Es stellt sich die Frage, wie mit unterschiedlich großen Stromverbräuchen der Wohneinheiten umzugehen ist. Tatsächlich ist bei einem Einzählermodell die Berechnung des individuellen Stromverbrauchs ein unregulierter Rechtsraum, in dem kreative Absprachen getroffen werden können. Am häufigsten wird dies jedoch gelöst, indem für jede Wohneinheit optionale Stromzähler eingebaut werden (nicht vom Netzbetreiber, sondern privat), die es erlauben, mit einer einfachen Excel-Tabelle eine Querverrechnung durchzuführen. Auf diese Weise kann man eine faire Verteilung der Kosten innerhalb des Hauses sicherstellen.

 

Besonders geeignet ist das Einzählermodell auch in Wohnsituationen, in denen der Strom durch die Vermieterpartei ohnehin pauschaliert abgerechnet wird, beispielsweise in Wohnheimen und bei Einliegerwohnungen.

Je nachdem, wie sich das Verhältnis der Dachgröße zum Jahresstromverbrauch aller Wohnungen darstellt, kann sich bei kleinen Dächern eine Solaranlage, die mit dem Einzählermodell betrieben wird, schon nach weniger als zehn Jahren wirtschaftlich amortisieren. Gleichzeitig bietet das Modell auch für große Dächer und WEG starke finanzielle Anreize, da sich die Zählergrundgebühren auf einen Bruchteil reduzieren.

Funktioniert die Kommunikation unter den Wohnparteien reibungslos, ist ein Einzählermodell uneingeschränkt zu empfehlen. Ist sie jedoch uneindeutig und unübersichtlich, kommt das Modell an seine Grenzen. Wer etwa macht die interne Verrechnung, falls dies nicht im Leistungsspektrum der Hausverwaltung liegt? Ein Problem, das häufig in großen WEG auftritt. Ideal ist hingegen das Einzählermodell in WEG mit 2 bis ca. 20 Parteien, in der bestenfalls Solarenthusiast:innen einmal im Jahr die kurze Umrechnung auf die einzelnen Parteien pro bono übernehmen.

Erst vor kurzem hat sich eine WEG in Freiburg mit dem Einzählermodell auf den Weg gemacht. Konkret sieht es dort so aus: Die Zähler aller 16 Wohneinheiten (teils in Vermietung) sowie der Allgemeinstrom-Zähler wurden über einen gemeinsamen Zähler an die hauseigene 50 kWp PV-Anlage angeschlossen.

Die Finanzierung fand anteilig über das Rücklagenkonto und zusätzlich mithilfe von Eigenkapital anhand der Miteigentumsanteile (MEA ) statt. Somit kann auch die Abrechnung der jährlichen Kosten über ein „PV-Stromkontingent“ je nach MEA einfach und fair erfolgen. Der PV-Strom wird hierbei mit 18 ct/kWh verrechnet und füllt über die kommenden Jahre das Rücklagenkonto der WEG wieder auf. Die wirtschaftliche Amortisation der PV-Anlage liegt bei voraussichtlichen acht Jahren.

Viele im Haus fragen sich heute, wieso nicht schon viel früher mit dem Einzählermodell gestartet wurde. Wieso ist dieses Modell so unbekannt und findet bisher so wenig Umsetzung? Die WEG denkt jetzt darüber nach, die eigene Photovoltaikanlage um Batteriespeicher zu erweitern und damit aktuelle und zukünftige Wallboxen für E-Autos zu versorgen.

Unterm Strich: Das Einzählermodell ist noch ein eher unbekanntes Modell aus dem Köcher der Betriebsarten für Photovoltaik im Mehrparteienhaus. Dennoch hat es sich schon vielfach bewährt. So manche WEG oder Vermieter:in war höchst überrascht, wie deutlich sich der Betrieb einer Photovoltaikanlage im Mehrparteienhaus lohnt.
In unserem Beratungsalltag zeigt sich, dass das Einzählermodell die häufigste Empfehlung aller Betriebskonzept ist. Sofern im Mehrparteienhaus ein gutes Binnenklima gegeben ist, stellt sich dort kein anderes Betriebsmodell wirtschaftlich attraktiver dar als das Einzählermodell.