PV-Anlagen auf Mehrfamilien- und Mehrparteienhäusern gewinnen immer mehr an Bedeutung in der SFV-Beratung. Wir befürworten dies - denn bei einem Gebäudebestand von knapp einem Drittel aller vorhandenen Gebäude in Deutschland ergibt sich hier nicht nur ein enormes technisches Potenzial zur Solarstromerzeugung. Auch aus sozialer Sicht ist es wichtig, dass auch Menschen in Miet- oder Eigentumswohnungen an der Energiewende beteiligt werden. Eine PV-Anlage auf einem Mehrparteienhaus zu errichten, ist keine sonderliche Herausforderung. Denn technisch unterscheidet sie sich kaum von einer Anlage auf einem Einfamilienhaus. Doch gestaltet sich die Planung oft etwas komplexer. Welche Aspekte Sie dabei beachten sollten, erläutern wir im folgenden Beitrag.

1. PV-Potential auf Mehrfamilienhäusern erschließen

Das Potenzial für PV-Anlagen auf Mehrparteienhäusern ist riesig - ebenso die Möglichkeiten, dieses Potenzial zu erschließen. Eine einfache und individuelle Lösung zur Solarstromerzeugung können Stecker- bzw.Balkonsolaranlagen sein, in die Bewohner:innen eigenständig und - möglicherweise - unabhängig von der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. dem Vermieter investieren. Bei einem Umzug können sie mitgenommen werden.
Deutlich mehr Ertrag können jedoch gemeinschaftlich betriebene Aufdachanlagen bringen. Je nach Betriebskonzept können diese vom Hauseigentümer (Vermieter), der Wohnungsgemeinschaft, Energiegenossenschaften oder auch einem externen dritten (Contractor) betrieben werden. Wer vom günstigen Solarstrom profitieren kann, muss im Zuge der Planung eines passenden Betriebskonzeptes festgelegt werden. 

© Ronald Biallas | Abb 1- Balkonsolaranlagen sind eine einfache Art der Solarstromnutzung in Mehrfamilienhäusern.

© Pixabay - Solarimo | Abb 2 - Große Aufdachanlagen können mehrere Parteien direkt mit Strom beliefern.

2. Anlagenplanung & Ertragsabschätzung

Insbesondere bei hohen innerstädtischen Mehrfamilienhäusern gestaltet sich die Begutachtung des Daches schwierig. Hier können kommunale Solarkataster helfen, das Dach zu vermessen und einen ersten Eindruck über die Eignung zu erhalten. Auch einige herstellerabhängige, kostenlose Planungstools (z.B. von IBC Solar oder SMA) können helfen.

Grundsätzlich sind die meisten Dächer zur Solarstromerzeugung geeignet. Spitzdächer geben die mögliche Dachausrichtung und -neigung bereits vor. Flachdächer bieten unterschiedliche Möglichkeiten zur Anordnung der Solarmodule. Um den Eigenverbrauch zu steigern, sind insbesondere nach Osten und Westen ausgerichtete Solaranlagen interessant. Weitere Hinweise zur Bewertung des möglichen Solarertrags haben wir im Artikel “Ertragsabschätzung” zusammengetragen.

Info: Statische Dacheignung

Insbesondere bei älteren Häusern stellt sich die Frage der statischen Belastbarkeit des Daches. Nicht zuletzt durch deutlich rückgängige Schneelasten  ist der Großteil des Gebäudebestands für die zusätzliche Last durch eine Solaranlage geeignet. Sollten jedoch Zweifel am Zustand des Daches aufkommen, ist eine fachliche Beratung seitens eines Dachdeckers oder Statikers sinnvoll.

3. Baurecht, Abstände und Denkmalschutz

Solaranlagen gehören grundsätzlich zu den verfahrensfreien Bauvorhaben. Eine Baugenehmigung ist deshalb grundsätzlich nicht notwendig. Je nach Bundesland können aus Brandschutzgründen jedoch Abstandspflichten zur Nachbarbedachung gelten. Insbesondere bei engeren, innerstädtischen Gebäuden kann dies auch einen relevanten Effekt auf die Anlagenplanung haben. Im Artikel “Abstandsregeln für Reihenhäuser” geben wir eine Übersicht über die unterschiedlichen Vorgaben der verschiedenen Bundesländer. 


Eine Besonderheit stellen unter Denkmal- oder Ensembleschutz stehende Gebäude dar. Hier ist in der Regel nach Klärung mit der örtlichen Denkmalbehörde eine Baugenehmigung nötig. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Regularien der Länder sowie eine Sammlung von guten Beispielen sowie Gerichtsentscheidungen finden Sie im Beitrag “Solaranlagen und Denkmalschutz”.

4. Online-Vorträge

Onlinevortrag: Mehrfamilienhaus Teil 1

Onlinevortrag: Mehrfamilienhaus Teil 2

Onlinevortrag: Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

5. Wer investiert?

Ein Investor: der oder die Hauseigentümer:in kann selbst in die PV-Anlage investieren oder das Dach verpachten. 

WEG/Genossenschaft: 

  • Gemeinschaftliche Investition: Alle Wohnungseigentümer:innen investieren gemeinsam. Die Finanzierbarkeit und steuerliche Handhabung sollte rechtzeitig geklärt sein
  • Einzelne Eigentümer:innen investieren: Wenn nicht alle Eigentümer:innen mitmachen, sollte die Dachnutzung mit Hilfe eines Grundbucheintrages geklärt werden
  • Verpachtung: Auch eine Verpachtung der Dachflächen an Bewohner:innen oder Dritte ist möglich. Auch hier sollte ein Grundbucheintrag das Nutzungsrecht am Dach klären. 

Öffentliche Träger: Liegt das Gebäude in öffentlicher Hand, können zusätzliche Anträge oder Vereinbarungen nötig werden. Oftmals unterliegen Investitionen hier der Pflicht zur Ausschreibung.

Muster: Gestattungsvertrag

Wenn Sie das Dach zur PV-Nutzung pachten möchten, ist der Abschluss eines Gestattungsvertrages sinnvoll. Die Kanzlei Bönning-Huber bietet auf Ihrer Webseite einen Muster-Vertrag zum kostenlosen Download an.

6. Finanzierung: Förderungen & Steuererleichterungen

Die Investition in die PV-Anlage amortisiert sich in der Regel deutlich vor Ablauf der Laufzeit der Anlage. Folgende Aspekte helfen Ihnen dabei, die Wirtschaftlichkeit selbst zu bewerten:

Einspeisevergütung: Die Einspeisevergütung wird Ihnen für zwanzig Jahre (plus die verbleibenden Monate des Inbetriebnahmejahres) zugesichert. Je nach Betriebskonzept können Sie darüber hinaus einen Bonus für die Volleinspeisung oder einen Mieterstromzuschlag geltend machen. 

Steuererleichterungen: Seit 2023 können PV-Anlagen zum Nullsteuersatz erworben werden - die Umsatzsteuer auf den Kauf und die Montage von PV-Anlagen entfällt. Zudem können Anlagen bis 15 kWp je Wohneinheit ohne Betrachtung bei der Einkommenssteuer betrieben werden. Genaueres zum Thema “Steuer” finden Sie im entsprechenden Beitrag. 

Weitere kommunale Förderungen können die Investition in die PV-Anlage unterstützen. Informieren Sie sich hierzu bei Ihrer Kommune.

Die KfW vergibt darüber hinaus günstige Kredite (Programm 270). Auch viele weitere Banken unterstützen Investitionen in energetische Sanierungsprojekte.

Wirtschaftlichkeit Volleinspeisung auf MFH

© SFV | Abb 3 - Vereinfachte Wirtschaftlichkeitsbewertung einer Volleinspeiseanlage auf einem Mehrfamilienhaus in Aachen. Bei einer Investitionssumme von 30.000 € amortisiert sich die PV-Anlage innerhalb von knapp 15 Jahren. Durch Eigenverbrauch kann die Amortisationszeit noch weiter verkürzt werden.

7. Mehrheiten und Entscheidungsfindung im Mehrparteienhaus

Für Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) regelt das Wohnungseigentumsgesetz genaue Vorschriften zur Mehrheitsfindung bei unterschiedlichen Maßnahmen. 

Die Installation einer PV-Anlage gilt dabei als bauliche Veränderung, die im Rahmen einer Eigentümerversammlung beschlossen werden muss. Wohnungseigentümer haben dabei auch das Recht, angemessene bauliche Veränderungen zu verlangen. Welche Mehrheiten für die entsprechenden Änderungen vorgeschrieben sind, stellt folgende Tabelle dar.

Info: Privilegierte Maßnahme im WEG

Ladeinfrastruktur (und zukünftig auch Balkonkraftwerke) stehen im Katalog der privilegierten Maßnahmen. So haben Mieter:innen oder Miteigentümer:innen einen Anspruch auf Zustimmung durch die Eigentümer. Die Gesetzesnovellierung für Balkonsolaranlagen muss noch vom Bundestag verabschiedet werden.

8. Wahl des passenden Betriebskonzepts

Wer die Installation einer PV-Anlage auf einem Mehrparteienhaus plant, sollte sich für ein passendes Betriebskonzept entscheiden und kann hier zwischen einer Vielzahl an Möglichkeiten wählen:

  • Volleinspeiseanlage
  • Einzelanlagen-Modell
  • Balkonsolar
  • Allgemeinstromversorgung
  • Stromlieferung an WE / Mieter:innen
    • Kollektive Selbstversorgung
    • Mieterstrom (mit und ohne Förderung)
  • Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Im Beitrag “Mehrparteienhaus: Betriebskonzepte” gehen wir auf die verschiedenen Betriebskonzepte näher ein.

Besonderheit: Contracting

Wer mit der Planung, Finanzierung und Umsetzung der PV-Anlage möglichst wenig zu tun haben möchte, kann sich dazu entscheiden, einen Dritten (einen sogenannten “Contractor”) mit dem Betrieb der Anlage zu beauftragen. Der Vorteil: Keine großen Investitionssummen und Abrechnungspflichten bei den Eigentümern. Der Nachteil: Ein Dritter möchte immer auch mitverdienen. Ob dieses Modell das Richtige für Ihr Projekt ist, sollten Sie genau prüfen.

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