Um das Ziel von 100% erneuerbaren Energien, vorzugsweise dezentral, zu erreichen, ist es entscheidend, dass immer mehr Menschen die Chancen der gemeinschaftlichen Energiewende erkennen und aktiv daran teilnehmen können. Hierzu eignet das "Energy Sharing", zu dem es bereits vielversprechende Ideen gibt. Auch unser Konzept "Solarer Nachbarschaftstrom" bietet eine Möglichkeit, noch mehr Menschen an der Energiewende zu beteiligen.

1. Problemstellung

In der Praxis sind Solaranlagen vor allem für diejenigen attraktiv, die entweder ein eigenes Einfamilienhaus besitzen und dort eine Anlage auf dem Dach installieren können oder in einem Mehrfamilienhaus wohnen, wo der erzeugte Solarstrom direkt vor Ort genutzt werden kann. Diese direkte Nutzung des Solarstroms ist besonders vorteilhaft, da sie hilft, die Stromkosten zu senken und die Abhängigkeit vom Stromnetz zu reduzieren.

Darüber hinaus gewinnen Photovoltaikanlagen mit integrierten Speichersystemen zunehmend an Bedeutung. Diese Speicher ermöglichen es, den tagsüber erzeugten Strom zu speichern und bei Bedarf, beispielsweise in den Abendstunden oder an bewölkten Tagen, abzurufen. Durch diese Technologie können Haushalte ihre Unabhängigkeit von möglichen Strompreissteigerungen weiter erhöhen und eine noch effizientere Nutzung der selbst erzeugten Solarenergie erreichen.

Diese Entwicklungen sind erfreulich. Allerdings wird häufig übersehen, dass die meisten Menschen keinen Zugang zu einer eigenen Solaranlage haben. Ihre
Wohnsituation ist geprägt von Häusern, deren Dächer aus verschiedenen Gründen nicht für die Nutzung von Solaranlagen geeignet sind – sei es durch Verschattung, Gauben, zu geringe nutzbare Flächen oder erhöhte Denkmalschutzauflagen. In den meisten Mehrfamilienhäusern verfügen nur wenige Wohnungen über einen sonnenverwöhnten Balkon, auf dem ein kleines Stecker-Solargerät zumindest einen Teil ihres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen decken könnte. Vor allem stehen viele Bewohner:innen schlichtweg vor der Hürde eines zu geringen Einkommens, um in Photovoltaik zu investieren. Diese Hindernisse schränken den breiten Zugang zur Nutzung von Solarenergie bedauerlicherweise erheblich ein.

2. Energy Sharing - Konzeptideen des BBEn und BNE

Gemeinschaftliche Bürgerenergieprojekte, die eine aktive Teilhabe an kostengünstigen
Stromlieferungen ermöglichen (Energy Sharing), sind ein wichtiger Schritt, die Bürgerinnen und Bürger stärker einzubeziehen.
 

Hierzu gibt es bereits einen vielversprechenden Vorschlag, der vom Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn) eingebracht wurde. Dabei soll die Erzeugung und Nutzung von Energie auf Gemeinschaftsebene organisiert, geteilt und verbreitet werden. Energy Sharing basiert auf der Idee, dass Initiativen wie lokale Energiegenossenschaften, Bürgerenergieprojekte oder andere Formen der Bürgerbeteiligung die Installation von Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen oder anderen erneuerbaren Energiequellen in der Nähe von Gemeinschaften organisieren. Der erzeugte Strom wird dann von den Beteiligten lokal genutzt oder in einem gemeinschaftlichen Energiespeicher
gespeichert.

Mitglieder der Gemeinschaft können sich den erzeugten oder gespeicherten Strom teilen oder ihn zu fairen Konditionen innerhalb der Gemeinschaft handeln. Insbesondere betont diese Herangehensweise die Notwendigkeit einer partizipativen und lokalen Ausrichtung der Energiewende. Die Bürgerinnen und Bürger sollen nicht nur als passive Verbraucher, sondern als aktive Gestalter der Energiezukunft fungieren können. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Unternehmen und der Bevölkerung können die Ziele der Energiewende effektiver und nachhaltiger erreicht werden.

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) hat eine weitere Idee veröffentlicht. Er möchte mit einer Gemeinschaftlichen Vor-Ort-Versorgung das Recht von Haushalten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen festschreiben. Diese sollen sich aktiv an der gemeinsamen Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen beteiligen können. Das schließt das “Teilen von Strom” über das Netz der öffentlichen Versorgung auf definierten lokalen Netzebenen ein. Der bne-Vorschlag zielt vornehmlich auf “Vor-Ort Gemeinschaften” ab, die Lieferangebote bündeln und auf rechtlicher Basis private Vereinbarungen selbstständig festlegen sollen.

© Tobi Kellner | Abb 1 – Agri-PV-Anlage der Firma Next2Sun in Donaueschingen - Pilotprojekt für zukünftige Bürgerenergieprojekte?

© SFV | Abb 2 – Solaranlage auf Gewerbedächern sind noch immer eine Seltenheit. Die Vermarktung des Strom könnte über neue Energy Sharing Konzepte einen Anreiz zur Investition liefern.

3. "Solarer Nachbarschaftsstrom" - Idee des SFV

Grundzüge unseres Konzepts

Zwei Haushalte im gleichen Niederspannungsnetz einigen sich vertraglich auf die Lieferung von Strom aus der PV-Anlage eines der Vertragspartner. Sie handeln frei den Preis pro Kilowattstunde aus und schließen dazu einen Liefervertrag. In diesem liegt der Preis pro Strommenge (kWh) idealerweise deutlich über der andernfalls fälligen Einspeisevergütung für die liefernde Partei, und deutlich unter dem sonst fälligen Bezugspreis für Netzstrom vom Stromanbieter. Beide Parteien können also profitieren. Eine behördliche Preiskontrolle ist nicht erforderlich, da die Vertragspartner die Lieferverträge innerhalb kurzer Lieferzeiträume (z.B. zum Quartalsende) lösen und die sonst bestehenden Liefervereinbarungen mit dem Stromversorger komplementieren und weiterführen können.

Dieses Modell erfordert keine externen Dienstleister. Vielmehr ist empfehlenswert, dass die Behörden der Bundesregierung, z.B. die Bundesnetzagentur, Interessierten einen einheitlichen Mustervertrag zur Verfügung stellen, der für alle derartigen Vertragsverhältnisse Rechtssicherheit schafft. Auf lokaler Ebene lassen sich allerdings auch kommunale Plattformen denken, die den Kontakt zwischen liefernden und abnehmenden Parteien weiter erleichtern. Grundvoraussetzung ist, dass die Lieferantenpflichten von privaten Anlagenbetreiber:innen stark vereinfacht werden, um am Vertrieb des solaren Überschussstroms mitzuwirken. Denn sie sind keine Energieexperten und gehen in aller Regel hauptsächlich anderen Tätigkeiten nach als der Belieferung mit Strom. Zu den Vereinfachungen sollten zählen:

  • keine Vorgabe zum Umfang der Energielieferung,
  • keine Pflicht zur Vollversorgung mit Strom
  • keine Pflichten der Stromkennzeichnung (§ 42 Absatz 1 EnWG)
  • Vereinfachte Stromlieferverträge (am besten unter Nutzung bundesweit zur Verfügung stehender Musterverträge), mit
    o Pflicht zur 1/4h-Messung des Strombezugs
    o Preis und Abrechnungsvereinbarungen (Abschläge)
    o Versorgungsart, Wechseloptionen, Kündigungsoptionen
Konzeptskizze_Solarer Nachbarschaftsstrom_SFV_6_12_23

Konzeptpapier

Solarer Nachbarschaftsstrom

Bislang gibt es so gut wie keine unkomplizierten Optionen für die Lieferung von Solarstrom in die nächstgelegene Nachbarschaft, die über das öffentliche Stromnetz und ohne die preisbildende Vermarktung über Strombörsen abgewickelt wird. Dabei wäre gerade diese Möglichkeit für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende von großer Bedeutung. Der SFV hat ein Konzept entwickelt.

Download

Weitere Artikel zum Thema