Immer mehr Leute möchten selbst bei der Energiewende anpacken und bei der Montage von Solarmodulen aushelfen - aus wirtschaftlichen Grünen, Pioniergeist oder wegen dem Fachkräftemangel bei Solarteuren. Aber ist es in Deutschland rechtlich überhaupt möglich, mit Laien aufs Dach zu steigen? Die kurze Antwort lautet: Ja! Das ergibt das neue Rechtsgutachten vom Bündnis Bürgerenergie, den Elektrizitätswerken Schönau und dem Bremer SolidarStrom. Wir schauen uns die größten Stolpersteine für Selbstbau-Initiativen an.

Eine der größten Baustellen für die Umsetzung der dezentralen Energiewende stellt zurzeit der Fachkräftemangel dar. In manchen Regionen liegen die Wartezeiten für eine Solaranlage bei über einem Jahr, die Solarteure arbeiten am Limit. Groß angelegte Ausbildungs- oder Umschulungsprogramme seitens der Bundesregierung sind zumindest aktuell noch nicht in Sicht.

In der Schweiz haben sich auch aus vergleichbaren Gründen schon vor einigen Jahren Selbstbau-Solargenossenschaften gegründet. Denn die Montage der Solarmodule ist gar nicht so kompliziert und kann und darf mit Anleitung durchaus von Laien durchgeführt werden. In der Schweiz hat das Konzept bereits beachtlichen Erfolg: über 800 Solaranlagen mit über 5 MWp wurden von den Hausbesitzer:innen selbst montiert, und es gibt Selbstbau-Genossenschaften für alle Kantone. Im Solarbrief 03/2021 haben wir bereits von den Vorzügen der Selbstbau-Genossenschaften berichtet.

Auch in Deutschland wollen immer mehr Menschen bei der Energiewende mit anpacken. Insbesondere seit dem Krieg in der Ukraine boomt die Solarbranche. In den letzten Monaten erreichen uns immer wieder Anfragen von an Selbstbau interessierten Gruppen. Worauf muss beim gemeinschaftlichen Selbstbau geachtet werden, damit Arbeitssicherheitsstandards, die Gewährleistung und die Garantie für die Anlagen und der Versicherungsschutz bei der Arbeit auch garantiert ist? Das neue Rechtsgutachten von EWS, BBEn und dem Bremer SolidarStrom bietet Aufschluss.

Abb. 01 — Bau einer Indach Solaranlage in Spiez. Die Selbstbauer montieren die Module. Foto: Syrill Eberhart • 

Wie läuft die Gründung einer Selbstbau-Gruppe ab?

Jeder neuen Selbstbau-Initiative sollte zu Anfang klar sein: Im Selbstbau werden nur die Arbeiten durchgeführt, die einer kurzen Einweisung bedürfen und sonst aber einfach durchzuführen sind. Das heißt z.B. bei einem Spitzdach: Anbringung der Haken für die Unterkonstruktion an den Dachpfannen, Befestigung der Unterkonstruktion und der Solarpaneele, und die Verkabelung der Paneele. Alles andere: Die Dachdeckerarbieten, Elektroarbeiten oder derGerüstbau werden von ausgebildeten Fachkräften übernommen.

Dazu sollte sich die Gruppe überlegen, wie sie sich rechtlich für den Selbstbau positionieren möchte. Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die vor allem mit der Beziehung zwischen Selbstbaugruppe und Hauseigentümer:innen sowie Bauleitung zusammenhängen und verschiedene Konsequenzen mitbringen.

 

Möglichkeit 1: Selbstbau als Gefälligkeit.

Es ist möglich, die Tätigkeit der Selbstbauenden als Gefälligkeit zu betrachten, wenn die Montage der Anlage für Freund:innen, Nachbar:innen oder Familie durchgeführt wird und die Beziehung (nicht die Tätigkeit) im Vordergrund steht. Das hat den Vorteil, dass keine Steuern oder Sozialabgaben für die Arbeit gezahlt werden müssen, keine Beschäftigungsverhältnisse entstehen und der bürokratische Aufwand geringer ausfällt. Gleichzeitig bedeutet es, dass der gesetzliche Versicherungsschutz entfällt. Das ist allerdings nicht problematisch, da es möglich ist, projektbezogen Bauhelfer-Unfallversicherungen abzuschließen (Kosten: ca. 10€/Person). Das notwendige Näheverhältnis für die Gefälligkeit muss übrigens nicht zwangsläufig zu den Hauseigentümer:innen, sondern darf auch zur Bauleitung bestehen.

Möglichkeit 2: Selbstbau als "Wie-Beschäftigung"

Selbstbauer-Gruppen können auch als abhängig beschäftigte Bauhelfer:innen eine Solaranlage montieren. Damit das gilt, muss ersichtlich sein, dass die Selbstbauer:innen nicht unternehmerisch, selbstständig bei dem jeweiligen Dienstleister tätig sind, sondern ein Anstellungsverhältnis vorliegt. Dazu darf keine Sonderbeziehung zum/zur Auftraggeber:in existieren. Also genau das Gegenteil von Möglichkeit 1: hier ist kein Näheverhältnis erlaubt. Der Vorteil: In diesem Fall gilt prinzipiell der gesetzliche Versicherungsschutz. Modelle wie in der Schweiz, wo Eigentümer nach einem Tauschprinzip Stunden auf den jeweiligen Dächern "abarbeiten", wären so ebenfalls möglich. Der Nachteil: Die ehrenamtliche Arbeit gilt als steuerpflichtige Beschäftigung. Das heißt: Für jedes Selbstbauprojekt müssen Arbeitsverträge aufgesetzt werden, die Steuererklärung wird aufwändiger usw.

Im Zweifel, ob und was nun versteuert werden muss, gilt: lieber beim Finanzamt nachfragen und sich schriftlich bestätigen lassen. Denn auch, was genau als Gefälligkeit bewertet wird und was nicht, ist (noch) nicht eindeutig geklärt. Klar ist: Wenn der PV-Selbstbau - wie in dem Schweizer Modell - über ein Stundentauschprinzip organisiert wird, ist es als Leistung zu bewerten und müsste mit Mindestlohn versteuert werden. Auch ein genossenschaftlich organisierter Selbstbau durch Genossenschaftsmitglieder könnte aus der Kategorie Gefälligkeit fallen, weil die Mitglieder sich über die Beteiligung am Bau einen (geldwerten) Vorteil aufgrund der Genossenschaftsanteile verschaffen.

 

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Der Versicherungsschutz gilt nur, wenn die Sicherheitseinführung ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Was u.A. verpflichtend dazu gehört sind Sicherheitsschuhe. Der Bremer Solidarstrom hat deswegen immer eine Auswahl von Sicherheitsschuhen in allen Größen für die Selbstbauenden im Repertoire.

 

Wer übernimmt die Bauleitung?

Wenn die Art der Tätigkeit geklärt ist, muss geregelt werden, wer bei der Montage den Hut aufhat. Denn: Irgendwer muss den Gerüstbau, die Verkehrssicherungspflicht, die Einweisungen und die Abnahme der Anlage inkl. Gewährleistung und Haftpflicht übernehmen. Auch hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Beim Bremer Solidarstrom ist es der Verein selbst, der diese Aufgaben übernimmt. Es könnte aber auch die ausführende Initiative machen, oder ein Solarteur, der bereit ist mit Laien zusammen zu arbeiten. Das Gute ist: für die Aufgabe der Bauleitung bedarf es keiner gesonderten Ausbildung. Hier reicht ein Praktikum bzw. eine Fortbildung, sodass auch die Montage- oder die Sicherheitseinweisung den Solarteuren abgenommen werden kann. In der Schweiz wird sogar die Planung von Solaranlagen in Workshops vermittelt. Dennoch: Abnahme, Anschluss und Gewährleistung muss von Fachkräften übernommen werden. Für viele Selbstbaugruppen heißt das: Suche nach kooperativen Solarteurs-Firmen. Übrigens: in Sachen Wettbewerbsrecht wird im Gutachten angenommen, dass der wettbewerbliche Vorteil durch den Selbstbau als vernachlässigbar gilt.

Austausch und Vernetzung

Eine Vernetzung der deutschen Solarselbstbauinitiativen und denen, die es werden wollen, ist bereits im Gange. Der Bremer Solidarstrom, die Bürgerenergiegenossenschaft BEG 58 und die Kasseler SoLocal Energy e.V. organisieren einmal im Monat ein Vernetzungstreffen. Dazu ist ein Handbuch für Selbstbaugruppen in Deutschland nach Schweizer Vorbild in Arbeit. Wenn ihr Interesse habt, ebenfalls eine Selbstbaugruppe zu gründen, oder das Rechtsgutachten lesen wollt, ist Christian Gutsche vom Bremer SolidarStrom Ansprechpartner:

 

christian.gutsche@bremer-solidarstrom.de. 

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Video: Mit Selbstbauern eine PV-Anlage aufs Dach bringen

Hier wird die komplette Dachmontage einer Schweizer Selbstbaugruppe begleitet. Vom Hakeneinbau über die Unterkonstruktion bis zur Anbringung     der Paneele.

www.selbstbau.ch

www.youtu.be/ZK10G8EFEpU

https://www.sfv.de/selbstbau-solar-schweiz