Datum: 17.07.03 überarbeitet 16.08.04

Hilfestellung bei Anschlussverweigerung - oder Macht statt Recht?

Mit Ratschlägen von Rechtsanwalt Dr. Patrick Schweisthal

Technisch gesehen ist eine Photovoltaikanlage erheblich einfacher als ein Einfamilienhaus mit den darin üblicherweise verwendete Elektrogeräten wie Küchenherd, Gefriertruhe und Fernseher. Trotzdem ist es juristisch gesehen leichter, ein ganzes Haus an das Stromnetz anzuschließen, als eine kleine Photovoltaikanlage.

Der Grund liegt darin, dass die Stromwirtschaft jeden Stromverbraucher begrüßt, die Nutzung der erneuerbaren Energien in Privathand jedoch ablehnt und häufig massiv behindert.

Anlagenbetreiber sind somit - oft ohne es zu ahnen - Partei in einem erbitterten und umfassenden Interessenkonflikt. Sie werden vom Netzbetreiber, in dessen Netz sie einspeisen wollen, als energiewirtschaftliche Gegner gesehen. Viele unpolitisch denkende Anlagenbetreiber merken dies erst dann, wenn sie dem Netzbetreiber mitteilen, dass sie einspeisen wollen. Der Netzbetreiber setzt dann gegen sie je nach Zivilisationsgrad mehr oder weniger bösartige Droh-, Druck- und Abschreckungsmittel ein.

Die Erkenntnis schmeckt dann oft bitter: Hier geht es primär um Macht und Interessen, aber nur sekundär um Recht!

Wer als Anlagenbetreiber aus der Position des Schwächeren heraus gegen den Netzbetreiber auf sein Recht pocht (und wir ermutigen Sie dazu!), wer sich also auf einen Machtkampf mit rechtlichen Mitteln einlässt, braucht dazu eigenes juristisches Grundwissen, und wenn es hart auf hart kommt,fachkundige anwaltliche Unterstützung. Was das Grundlagenwissen angeht, so können wir als Verein einige Hinweise geben:

Wir erhielten in der letzten Zeit stapelweise Berichte über Anschlussverweigerungen, die wir gesammelt und an Rechtsanwalt Dr. Patrick Schweisthal weitergeleitet haben. Wir haben ihn als Spezialisten für technische Probleme im Zusammenhang mit dem EEG kennen gelernt. Er hat diese Fälle der besseren Übersichtlichkeit halber in gleichartige Problemgruppen eingeteilt - in denen Sie sich als Antragssteller für einen Netzanschluss möglicherweise wiederfinden können. Er erläutert, worin er jeweils die Verstöße gegen das EEG sieht. Dabei handelt es sich, wie er betont, um seine subjektive Rechtsansicht, für die er nicht in jedem Fall gerichtliche Entscheidungen ins Feld führen kann.

Nachtrag vom 16.08.04:
Durch das Inkrafttreten des verbesserten EEG zum 01.08.04 haben sich für den Anschluss von Anlagen bis 30 kW auf einem Grundstück mit bereits bestehendem Stromanschluss einige rechtliche Vereinfachungen zugunsten des Anlagenbetreibers ergeben.

Es folgen die Kommentare von Rechtsanwalt Dr. Patrick Schweisthal:

Problemgruppe 1

Netzbetreiber: Wir bearbeiten den Anschlussantrag nur, wenn uns die Netzprüfung bezahlt wird

Solche Gebührenanforderungen werden eingesetzt, um sich aufwändige Anfragen von Unentschlossenen vom Leibe zu halten. Tatsächlich sind die Netzbetreiber jedoch nach dem EEG verpflichtet, die notwendigen Auskünfte zum Netzbestand und zur Bestimmung des Anschluss- und Verknüpfungspunktes kostenlos zu geben. Wichtig ist hier die Kurzschlussleistung am vorgesehenen Verknüpfungspunkt (Erläuterung bei www.sfv.de unter dem Stichwort "Technik") und unter anderem auch die Mindestlast, die in dem jeweiligen Netzabschnitt bezogen wird, die Betriebsspannung des Transformators, die oft über der Nennspannung des Netzabschnitts liegt, und die bereits am Netzabschnitt betriebene EEG-Einspeisungsleistung.

Ein Elektroinstallateur kann mit Hilfe dieser Angaben selber berechnen, ob eine geplante PV-Anlage direkt angeschlossen werden kann oder ob der Netzbetreiber aufgefordert werden muss, sein Netz auszubauen. Der Netzbetreiber kann dann - da er die Berechnung nicht selber durchgeführt hat - hierüber keine Rechnung stellen.

Problemgruppe 2

Netzbetreiber: Die Anlage darf in unserem Netz die Spannung um höchstens 2% anheben

Die Netzbetreiber berufen sich dabei auf die VDEW-Parallelbetriebsrichtlinie, die eine Spannungsanhebung von maximal 2% gegenüber der Spannung ohne Einspeisung zulässt - übrigens ohne Rücksicht darauf, wie hoch die Spannung vor der Einspeisung bereits war. Diese Rechtsposition stellt jedoch in den meisten Fällen eine Diskriminierung des Einspeisers von Strom aus erneuerbaren Energien gegenüber der Einspeisung von konventionellem Strom aus Kraftwerken dar, denn die Netzbetreiber nehmen bei Einspeisung von konventionellem Strom aus Kraftwerken ab Umspannwerk oder ab Trafo in ihr Netz in Extremfällen selber über 4 % Spannungsanhebung in Kauf. Sie messen also mit unterschiedlichen Maßstäben, je nachdem ob sie Strom aus Erneuerbaren Energien aufnehmen müssen, oder ob ein Kraftwerk (vielleicht sogar ihrer Muttergesellschaft) Strom in ihr Netz einspeist.Dies ist ein Verstoß gegen den absoluten Vorrang für EEG Strom nach §3 EEG. In beiden Fällen handelt es sich nämlich um "Parallelbetrieb" und wegen der im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vorgeschriebenen Entflechtung (Unbundling) sind sowohl das einspeisende Kraftwerk als auch der einspeisende Anlagenbetreiber gesellschaftsfremd!

Wegen des absoluten Vorrangs für EEG-Strom nach §3 EEG darf der Netzbetreiber mit der Nichteinhaltung der VDEW Parallelbetriebsrichtlinie erst argumentieren, wenn sein Netz durch EEG-Strom komplett ausgelastet ist und er selber die konsequente Einhaltung der VDEW-Richtlinie in seinem gesamten Netzbereich nachweist. Das wird aber kaum einem Netzbetreiber gelingen, da die meisten Netzabschnitte in Zeiten projektiert und errichtet wurden, als noch keine oder großzügigere Richtlinien über die Spannungsanhebung im Netz galten."

Problemgruppe 3

Netzbetreiber: Ihr hebt die Spannung im Netz über den zulässigen DIN-Wert an

Die DIN-Norm "EN 60150 / IEC 38" schreibt eine Nennspannung von 230 Volt - 10% bis + 6% am Hausanschluss vor, d.h.
- mindestens 207 Volt
- höchstens 243 Volt.

Wenn der Netzbetreiber von sich aus die Betriebsspannung des Transformators in einem Netzabschnitt heraufgesetzt hat, führt bereits eine geringe zusätzliche Spannungsanhebung durch eine einspeisende PV-Anlage - möglicherweise sogar um weniger als 2% - dazu, dass die obere DIN-Grenze von 243 Volt überschritten wird.

Ein Grund für die absichtliche Erhöhung der Betriebsspannung durch den Netzbetreiber könnte folgender gewesen sein: Eine höhere Regelspannung erlaubt dem Netzbetreiber, die eigentlich erforderliche Verstärkung eines Netzabschnitts hinauszuschieben. Ohne diese Anhebung würden Verbraucher am Ende des Netzabschnitts zu den Spitzenlastzeiten eine Spannung erhalten, die unter dem nach DIN zulässigen Mindestwert von 207 Volt liegt.

Der Netzbetreiber muss hier prüfen, ob der Netzabschnitt durch eine einmalige Verringerung der Regelspannung (Umschaltung der Windungszahlen am Mittelspannungstrafo) die Einspeisung verkraften kann, oder ob er umgehend das Netz verstärken muss.

Problemgruppe 4

Netzbetreiber: Kommt mit eurem Kabel zu uns, wir kommen nicht zu Euch

Während der normale Bezugskunde das Kabel vom Netzbetreiber notfalls bis ins Wohnzimmer verlegt bekommt, wird dem EEG-Einspeiser die lange Nase gedreht: Leg dein eigenes Kabel an den Punkt, wo es uns passt. Das ist EEG-widrig und verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz - und in den allermeisten Fällen auch noch gegen die technischen Anschlussbedingungen TAB 2000, die die zentrale Anbindung eines Anwesens ans Netz über einen einzigen Anschluss als Regelfall vorsehen. Von technisch und wirtschaftlich günstigster Verknüpfung (§ 10 Abs. 1 EEG) kann nicht die Rede sein, wenn der im Gebäude erzeugte Strom mit Leitungsverlusten erst über 500 m zum Trafo geleitet werden muss, und von dort über ein noch verlustreicheres Kabel des Netzbetreibers wieder in umgekehrter Richtung zum Anwesen des Kunden und seiner Nachbarn zurückgeliefert wird. Außerdem stelle man sich vor, dass in einer Siedlung mit 50 Fotovoltaikanlagen im Extremfall 50 parallele Kundenleitungen zum Trafo führen, wenn dieser Irrsinn bis ins letzte durchgezogen wird.

Problemgruppe 5

Netzbetreiber: Wir zählen bei uns, nicht bei Euch

Ein weiteres Disziplinierungswerkzeug des Netzbetreibers: Zuerst muss der Einspeiser eine unsinnige Leitungsführung akzeptieren, und dann soll er auch noch die Leitungsverluste dafür bezahlen, häufig unter Verstoß gegen die TAB 2000, die je nach Leistung verrechnungsfrei Verluste im ungezählten Teil der Kundenanlage zwischen 0,5 % und 1,25 % zulässt.

Problemgruppe 6

Netzbetreiber: Ihr benutzt unser Netz, wir stellen Euch Blind-Leistung bereit, also zahlt gefälligst dafür

Die Kostenverteilung für das Netz nach der aktuellen Verbändevereinbarung II+ belastet ausschließlich den Strombezieher mit Netznutzungsentgelten. Dazu gehören EEG-Einspeiser nur, soweit sie tatsächlich Wirkstrom beziehen. Blindarbeit im Zusammenhang mit der Einspeisung gilt dabei nicht als Strombezug. Siehe dazu auch ein Urteil des Landgerichts Dortmund vom 13.12.02 .

Problemgruppe 7

Netzbetreiber: Ohne Netzanschluss- und Einspeisungsvertrag dürft Ihr nicht an unser Netz

Die Netzbetreiber verkennen, dass nur der EEG-Einspeiser nach § 3 EEG Anschluss und Abnahme beanspruchen kann. Der Netzbetreiber hat lediglich Anspruch auf die Einhaltung der technischen Sicherheitsbestimmungen, die in aller Regel bereits bei der Abgabe des Anschlussantrags nach dem VDEW-Muster vom Anlagenbetreiber zugesichert wird, und darauf, dass der Anlagenbetreiber sich nicht pflicht- oder treuwidrig verhält (beispielsweise Nichtzahlung einer berechtigten Anschlusskostenrechnung nach § 10 Abs. 1 EEG). Das sieht der Bundesgerichtshof in seinen aktuellen Entscheidungen zum EEG nicht anders.

Problemgruppe 8

Netzbetreiber: Ihr wartet erstmal 3 Monate, bis wir in aller Ruhe Euren Anschlussantrag bearbeitet haben

Auf den Anschlussantrag einer Einspeisungsanlage hat der Netzbetreiber genauso zügig zu handeln wie bei den Anschlüssen seiner Bezugskunden, von denen im übrigen auch keine Anschluss- oder Netzbelastungsprüfungsgebühren erhoben werden. Die ortsüblichen Bearbeitungszeiten für normale Bezugsanschlüsse der gleichen Leistungsgrößenordnung kann man bei seinem Elektriker erfragen. Bei EON z.B. liegen die Reaktionszeiten für normale Hausanschlüsse im Bereich weniger Tage. Es ist sinnvoll, der schriftlichen Antragstellung z.B. durch den Elektriker eine schriftliche Mahnung nach 2 Wochen folgen zu lassen, um sich die Möglichkeit der Einforderung eines Verzugsschadens offen zu halten.

Beispieltext:
 

An die ---Netz AG

Sehr geehrte Damen und Herren,

der von mir beauftragte Elektroinstallateur [Name] hat mit Schreiben vom [Datum] bei Ihnen den Anschluss meiner geplanten Photovoltaikanlage [Anschrift] beantragt.

Bis heute habe ich von Ihnen keine Nachricht erhalten.

Damit die Anlage - wie geplant - bis zum [Datum] ans Netz gehen kann und ein Verzugsschaden durch die verspätete Inbetriebnahme vermieden werden kann, ersuche ich Sie um Ihre Zustimmung zum Anschluss bis spätestens [Datum des Fristablaufs].

Anderenfalls werde ich den mir enstehenden Schaden bei der --- Netz AG geltend machen.

Sofern Ihnen Unterlagen fehlen, bitte ich um umgehende Mitteilung.

Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift]

Problemgruppe 9

Netzbetreiber: Wir verlangen, was wir wollen, und Ihr müsst euch fügen

Wenn der Netzbetreiber als natürlicher Monopolist Anforderungen stellt, die er als Teilnehmer an einem funktionierenden Wettbewerb nicht stellen könnte, insbesondere überhöhte Anschlusskosten oder Netzausbaukosten vom Anlagenbetreiber verlangt oder auf einem schriftlichen Vertragsabschluss besteht, ohne berechtigtes Interesse an einer speziellen Regelung im Einzelfall zu haben und hiervon den Anschluss und die Abnahme des EEG-Stroms abhängig macht, kann der Anlagenbetreiber für den hieraus entstehenden Schaden unter anderem wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts (z.B. § 19 GWB) Ersatz verlangen. Der Anlagenbetreiber sollte hierzu sicher stellen, dass die gesamten Verhandlungen mit dem Netzbetreiber, insbesondere dessen Forderungen und Zusagen schriftlich dokumentiert sind.

Problemgruppe 10

Netzbetreiber: Ihr könnt uns viel erzählen, wir machen es trotzdem so wie wir wollen

Hier hilft fachkundige anwaltliche Unterstützung und - wenn es außergerichtlich nicht zu einer Einigung kommt - die Beschreitung des Rechtswegs.


Dr. Patrick Schweisthal, Rechtsanwalt
Lilienthalstraße 23
85296 Rohrbach
Telefon: 08442-953030
Fax: 08442-953031
 
 
Lassen Sie sich nicht entmutigen. Sie haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen Netzanschluss. Im schlimmsten Fall kann sich eine Verzögerung ergeben, weil das Netz ausgebaut werden muss, aber das muss zügig geschehen - und die Kosten muss der Netzbetreiber tragen.

Wir wünschen Ihnen trotz allen Ärgers einen letztlich erfolgreichen Anschluss Ihrer Anlage. Denken Sie daran: Sie sind Pionier für eine Energiewende - und Pioniere sind Kämpfer!

Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck