Entscheidungsstrukturen
Vergleich von Quotenmodell, Zertifikatehandel, Ökostromhandel und Vergütungsregelung (EEG) vom 22.10.2001Gehen wir davon aus, dass über das Ziel Einigkeit besteht: Ziel ist ein möglichst hoher Anteil an Solarstrom aus Hausdach- und Fassadenanlagen in der Stromversorgung. Da im gegebenen Wirtschaftssystem die Erzeugung von Solarstrom erheblich teurer ist als die von Kohle- oder Atomstrom, bedarf es eines staatlichen Eingriffs in das gegebene System [1].
Zur Diskussion stehen die vier im Untertitel genannten Möglichkeiten Quotenmodell [2], Zertifikatehandel [3], Ökostromhandel [4] und Vergütungsregelung (EEG) [5]. In den Fußnoten sind diese Möglichkeiten ausführlicher erläutert.
Es zeigt sich, dass der "Zertifikatehandel" keine selbständige Möglichkeit ist, sondern nur eine Variante des Quotenmodells.
Von Seiten der Energiewirtschaft und der FDP wird der Zertifikatehandel häufig damit begründet, dass er - im Gegensatz zum EEG - ein besonders marktkonformes Instrument sei. Diese Aussage ist mehrfach falsch.
Zertifikatehandel ist kein marktkonformes Instrument:
Nach der Vorstellung der Befürworter wird sich der Preis für die Zertifikate nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage bilden, das ist aber auch die einzige Übereinstimmung mit den Mechanismen des Marktes. In nahezu jeder anderen Hinsicht weist der Zertifikatehandel die Merkmale einer Planwirtschaft auf:- Insbesondere muss eine Nachfrage erst durch massive Eingriffe des Staates in den Markt künstlich erzeugt werden. Freiwillig werden weder Privatpersonen, noch private Unternehmen Zertifikate kaufen oder eine vorgegebene Quote erfüllen. Warum sollten sie auch?
- Die Nachfrage muss nach einem vorzugebenden Plan ständig gesteigert werden.
- Es müssen Kontrollverfahren und Kontrollinstitutionen entwickelt werden.
- Es müssen wirksame Strafen bei Nichtbefolgung entwickelt, ausgesprochen und verhängt werden.
Welche der verbleibenen drei Regelungen (Zertifikatehandel/Quotenmodell, Ökostromhandel, Vergütungsregelung) lässt also nun das beste Ergebnis erwarten?
Handlungsketten und Entscheidungsstrukturen
Solarstrom entsteht nicht unmittelbar durch Bundesgesetz, sondern - angeregt oder gezwungen durch ein Gesetz - müssen viele Akteure (Personen, Firmen, manchmal auch Behörden) tätig werden, eine "Handlungskette" bilden, an deren Ende der Anschluss einer PV-Anlage an das Stromnetz steht. Letzter Akteur der Handlungskette ist immer der Hausbesitzer, der den Auftrag zur Installation der Anlage gibt. Welche Akteure vor ihm tätig sein müssen, ergibt sich daraus, wem das Gesetz die erste Initiative zuweist; dieser Akteur steht an der Spitze der Handlungskette.Entscheidungsbefugnis?
Die Akteure in einer Handlungskette unterscheiden sich darin, ob sie die Entscheidungsbefugnis über Fortsetzung oder Abbruch der Handlungskette haben. Keine Entscheidungsbefugnis haben z.B. die Installateure. Lässt man alle Akteure weg, die keine Entscheidungsbefugnis haben, so wird die "Entscheidungsstruktur" der Handlungskette sichtbar. Aus der Handlungskette wird eine Entscheidungskette. Die Entscheidungsstruturen sind in der folgenden Tabelle dargestellt.Entscheidende Akteure
Zertifikatehandel/Quote3 Akteure |
Ökostrom4 Akteure |
VergütungNur 1 Akteur |
Kontrollinstanz Netzbetreiber Hausbesitzer |
Ökostrom- kunde Zertifizierungs- Ausschuss Ökostrom- händler Hausbesitzer |
Hausbesitzer |
---|
Beurteilung der drei Regelungen anhand ihrer Entscheidungsstrukturen
Eine Analyse der jeweiligen Entscheidungsstruktur lässt die Eignung für das angestrebte Ziel gut erkennen. So kann z.B. die Beantwortung folgender Fragen erhellende Hinweise geben.- Welcher Akteur steht am Beginn der jeweiligen Entscheidungskette? Auf ihn kommt es besonders an, denn ohne seine Initiative würde die Handlungskette nicht entstehen. Wie hoch ist die Motivation des Akteurs, der die Kette in Gang setzen muss? Was tut das Gesetz, um seine Motivation zu verbessern?
- Wie lang ist die Handlungskette? Diese Frage ist deshalb wichtig, weil jeder zusätzliche Akteur zu Verzögerungen führt und weil jeder zusätzliche Akteur Geldmittel verbraucht, die eigentlich dem Errichter der Anlage zugute kommen sollen.
- Gibt es in der Entscheidungskette Akteure, die ein Verhinderungsinteresse haben? An welcher Stelle der Kette stehen sie? Je weiter vorne ihr Platz ist, desto größer ist ihre Verhinderungsmacht.
Das Ergebnis
- Im Fall des Zertifikatehandels/Quotenmodells steht an der Spitze der Entscheidungskette eine noch zu entwickelnde staatliche Kontrollinstanz, die voraussichtlich ohne eigenes Engagement behördenmäßig/geschäftsmäßig vorgehen wird. An zweiter Stelle steht der Netzbetreiber, der keine Eigeninitiative entwickeln wird, denn die Stromwirtschaft lehnt den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien ab. Ihr Verhinderungsinteresse und ihre Verhinderungsmacht sind groß.
- Im Fall des Ökostromhandels steht an der Spitze der Entscheidungskette der Ökostromkunde, dessen Motivation staatlich kaum beeinflusst werden kann. Die Länge der Entscheidungskette ist hier besonders hinderlich. Sie gibt außerdem einen Hinweis auf den großen Verbrauch von Geldmitteln, die besser dem Bau der PV-Anlagen zugute kommen sollten.
- Im Fall der Einspeisevergütungsregelung steht an der Spitze der Entscheidungskette der Hausbesitzer selber, auf dessen Haus die PV-Anlage errichtet werden wird. Seine Motivation ist ohnehin hoch. Sie kann durch angemessene Erhöhung der Einspeisevergütung noch weiter gesteigert werden. Die Entscheidungskette hat den Vorteil, nur aus einem einzigen Akteur zu bestehen. Eingesetzte Geldmittel kommen ohne Abzug dem eigentlichen Zweck, dem Bau der Anlage zugute.
Die Einspeisevergütungsregelung ist somit den beiden anderen Markteinführungsmodellen in jeder Hinsicht überlegen.
Fussnoten
[1] Staatlicher Eingriff in das gegebene System
Der oft gehörte Einwand, es handele sich um einen Eingriff in die "freie Marktwirtschaft", ist nicht zutreffend, weil der Bereich der Stromwirtschaft mit dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) von 1935 der freien Marktwirtschaft völlig entzogen wurde. Die Wirtschaftsmacht der seitdem entstandenen Monopolgesellschaften ist durch die unvollständige Liberalisierung des im Jahr 1998 neu gefassten EnWG nicht rückgängig gemacht worden. [Zurück]
[2] Quotenmodell
Den Stromversorgern wird gesetzlich vorgeschrieben, dass
ein von Jahr zu Jahr wachsender Anteil (die Quote)
des von ihnen gelieferten Stroms aus Erneuerbaren Energien stammen muss.
Es bleibt den Stromversorgern überlassen, den EE-Strom zu nehmen, der ihnen
am billigsten angeboten wird.
Kritik:
- Aus Preisgründen und wegen des Verhandlungsaufwandes (für jede Anlage muss ein Liefervertrag abgeschlossen werden) werden dach- oder fassadengetragene Solarstromanlagen kaum zu den Lieferanten gehören.
- Der Nachweis, dass der vorgeshriebene Anteil Strom tatsächlich aus Erneuerbaren Energien stammt, ist aufwendig und leicht manipulierbar. Erheblicher staatlicher Kontrollaufwand ist deshalb notwendig. Bisweilen wird zur Überwachung ein System handelbarer Zertifikate angeboten.
- Ohne regelmäßige Anhebung bringt die Quote keinen Fortgang des Ausbaus erneuerbarer Energien. Der Versuch einer Anhebung bedeutet jedoch jedesmal einen neuen Kampf im Interessenkonflikt zwischen Politik und Stromwirtschaft.
- Praktisch wirkt sich eine Quote wie eine Obergrenze aus.
- Wenn Zertifikatehandel als Organisationmittel zur Unterstützung entweder eines Quotenmodells oder des Ökostromhandels Verwendung findet, gelten die jeweils dort aufgeführten Kritikpunkte auch für den Zertifikatehandel
- Zertifikatehandel verlangt zeitlichen Aufwand, der für die Betreiber kleiner PV-Anlagen unzumutbar ist.
- Da Zertifikate nach jeweiligem "Marktwert" gehandelt werden, gibt es keine Investitionssicherheit für Erbauer von Solarstromanlagen
- Ein grundsätzlicher Einwand besagt, dass die Lösung einer Gemeinschaftsaufgabe (die Energiewende) nicht auf Idealisten abgewälzt werden darf. Sie sei vielmehr Aufgabe aller Stromkunden.
- Strom ist ununterscheidbar. Der Ökostromkunde kann in keiner Weise kontrollieren, ob er die bestellte Ware überhaupt erhält. Daraus folgen erhebliche Kontrollprobleme. Es wurde vorgeschlagen, Ökostromhandel durch ein System handelbarer Zertifikate zu organisieren.
- Die Definition, was Ökostrom sei, ist umstritten. Es gibt in Deutschland mehrere Zertifizierungskommissionen, die Zertifikate nach unterschiedlichen Kriterien erteilen.
- Überschlägige Rechnungen besagen, dass die Menge potentieller Ökostromkunden nicht ausreicht, um einen wünschenswert großen Anteil an Strom aus Erneuerbaren Energien nachzufragen
- Das Angebot von Ökostrom übersteigt die Nachfrage bei weitem. Daraus folgt ein Verfall der Preise. Es besteht kein Anreiz zum Bau neuer Anlagen.
- Investitonssicherheit ist nicht gegeben, da noch nicht einmal absehbar ist, wie lange und wie zuverlässig die gegenwärtige (geringe) Nachfrage anhält.
[3] Zertifikatehandel
Eine Methode, den Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energien
eine zusätzliche Geldquelle zu erschließen. Für jede ins Netz eingespeiste
Kilowattstunde erhält der Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber
ein "Zertifikat", welches er auf einem noch zu bildenden Markt
verkaufen kann. Die Käufer können durch Vorlage der Zertifikate den
Nachweis führen, dass sie einen finanziellen Beitrag zum Ausbau der
Erneuerbaren Energien geleistet haben.
Ein System handelbarer Zertifikate kann als Organisationsmittel
sowohl bei einem (staatlich reglementierten) Quotenmodell als auch
beim (freiwilligen) Ökostromhandel Verwendung finden.
Kritik:
[4] Ökostromhandel
Freiwillige Zahlung höherer Preise für Strom aus Erneuerbaren Energien
mit dem Ziel, auf diese Weise einen Beitrag zum Bau neuer Anlagen
zu leisten. Ökostromhandel wird durch Ökostromhändler organisiert, die
einerseits Strom aus Anlagen zur Nutzung Erneuererbarer Energien
aufkaufen und andererseits Kunden suchen, die diesen Strom kaufen.
Um die Kunden vor betrügerischen Ökostromhändlern zu schützen,
haben
sich nichtstaatliche Zertifizierungsausschüsse gebildet, die die
unterschiedlichen Ökostromangebote bewerten.
Neben dem hier zunächst beschriebenen "gewöhnlichen" Ökostromhandel
gibt es
noch das "Aufpreismodell". Hier erhält der Lieferant des Ökostroms
einerseits die Vergütung nach dem EEG vom Netzbetreiber und andererseits
einen Zuschuss vom Ökostromhändler, den dieser durch einen vom
Ökostromkunden freiwillig gezahlten Aufpreis ("Spende") erhält und
weitergibt.
Kritik:
[5] Vergütungsregelung (EEG)
Der Einspeiser von Strom aus Erneuerbaren Energien erhält über den
Abschreibungszeitraum (z.B. 20 Jahre) eine vom
Gesetz vorgeschriebene Mindestvergütung. Die Vergütung ist im
Idealfall so bemessen, dass sie alle Kosten,
einschließlich der für einen Kredit erforderlichen Zinsen abdeckt.
Zahlungspflichtig ist der Netzbetreiber, der die Einspeisung entgegennehmen
muss.