(Stand: 21.03.01)

Marktwirtschaftliche Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger

- Antrag der F.D.P. mit Kommentaren -

Die eingefügten Kommentare sind Kommentare des Solarenergie-Fördervereins. Ansonsten wurde der nachstehende Text unverändert gelassen.

Vorab eine grundsätzliche Anmerkung: Innerhalb der bestehenden Strukturen der Energiewirtschaft haben die erneuerbaren Energien keine marktwirtschaftliche Chance. Deshalb ist eine Markteinführung erforderlich. Insofern stellt die Überschrift des Antrages "Marktwirtschaftliche Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger" einen Widerspruch in sich dar. Entweder überlässt man die erneuerbaren Energien dem freien Markt oder man fördert sie.

Der vorliegende Antrag wurde insbesondere unter dem Gesichtspunkt beurteilt, wie sich das vorgesehene "Fördermodell" auf die Markteinführung der Photovoltaik auswirken würde, die unter den infrage stehenden Energietechniken wegen ihres derzeit noch hohen Preises die schlechtesten Startchancen hat.

Deutscher Bundestag

14. Wahlperiode
Drucksache 14/5328

Antrag



der Abgeordneten Walter Hirche, Birgit Homburger, Ulrike Flach, Marita Sehn, Ernst Burgbacher, Hildebrecht Braun (Augsburg), Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Dr. Max Stadtler, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Marktwirtschaftliche Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger


Der Bundestag wolle beschließen:



Der Deutsche Bundestag stellt fest:


Die Erzeugung von Energie für den Strom- und Wärmemarkt ist auch klimapolitischen Anforderungen verpflichtet. Bei der Energiegewinnung muss deshalb die Emission klimaschädlicher Gase in die Erdatmosphäre verringert werden. Neben Maßnahmen zur Energieeinsparung und zur höheren Energieeffizienz wird dieses Ziel auch durch einen verstärkten additiven Einsatz erneuerbarer Energieträger unterstützt. Deren verstärkte Nutzung kann den Brennstoffbedarf bei der konventionellen Energieumwandlung reduzieren und so den energetisch bedingten Schadstoffeintrag in die Atmosphäre vermindern. Es gilt deshalb, ein klar definiertes Mengenziel für eine intensivere Nutzung regenerativer Energieträger vorzugeben. Die Antragsteller sehen (noch) nicht die Notwendigkeit für eine vollständige Umstellung auf Erneuerbare Energien, sondern gehen davon aus, dass es genügt, die CO2-Emissionen nur um eine bestimmte Menge zu reduzieren. Die Umweltverbände dagegen sehen in der vollständigen Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien die Hauptaufgabe der nächsten Jahrzehnte.

Für eine Realisierung mengenbezogener Ziele erscheint der Einsatz mengensteuernder Instrumente sinnvoll. Das Modell ist in seinen Auswirkungen mit einem Quotenmodell vergleichbar, auch wenn es sich nach Auskunft aus der Fraktion nicht um prozentuale Anteile sondern um absolute Mengenziele in Terrawattstunden handelt. Eingriffe in den Preismechanismus oder das staatliche Diktat bestimmter Techniken zur Energieerzeugung sind demgegenüber aus ordnungspolitischen und aus energiewirtschaftlichen Erwägungen verfehlt: Über die Höhe von Preisen entscheidet der Markt. Der Staat darf grundsätzlich nicht in die Preisbildung eingreifen. Das Vorschreiben energiewirtschaftlicher Techniken ist eine Anmaßung von Wissen durch den Staat. Die Autoren gehen offenbar von der Überzeugung aus, dass sich die am besten geeigneten Techniken von alleine im Wettbewerb durchsetzen. Angesichts der dramatischen Klima-Entwicklung fehlt jedoch die Zeit, auf das Ergebnis eines solchen Wettbewerbs zu warten. Außerdem werden aus Kapazitätsgründen ohnehin alle erneuerbaren Energien gebraucht, nicht nur die preiswertesten. Schließlich hat gerade die Photovoltaik die Chance, bei angemessener Markteinführung von der derzeit teuersten zur preiswertesten Technik aufzusteigen. Einen Verzicht auf ihr technisches Potenzial sehen wir als schweren umweltpolitischen Fehler an, einen Verzicht auf ihr Exportpotenzial als schweren wirtschaftspolitischen Fehler.

Das Ziel einer allgemeinen Mengensteigerung beim additiven Einsatz erneuerbarer Energieträger darf nicht der Vorstellung verpflichtet sein, bestimmte Techniken staatlicherseits zu fördern. Vielmehr geht es allein um die Verwirklichung eines dem Klimaschutz verpflichteten Mengenziels, welches marktwirtschaftlich systemkonform sowie unter geringstmöglichem Aufwand realisiert werden soll. Dies wäre volkswirtschaftlich vernünftig, wenn es nur darum ginge, eine bestimmte und bestimmbare Menge von CO2-Emissionen zu vermeiden und wenn danach das Klimaproblem endgültig gelöst wäre. In diesem Sinne muss die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energieträger durch marktliche Mechanismen sowie durch gezielte Fördermaßnahmen verbessert werden.


Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:


Um die aus erneuerbaren Trägern gewonnene Energiemenge zu erhöhen, wird ein Regelungsrahmen eingeführt, der die Förderung energiewirtschaftlich innovativer Techniken mit einem System handelbarer Zertifikate verbindet: Das Modell sieht zwei Förderverfahren vor, einerseits eine Förderung innovativer energiewirtschaftlicher Techniken aus Steuergeldern, andererseits einen Kaufzwang für eine festgelegte Menge handelbarer Zertifikate.


- Ein entsprechendes System handelbarer Energiezertifikate basiert auf Gutschriften. Diese dokumentieren die in jeder Anlage erzeugte Strommenge, die aus regenerativen Energieträgern gewonnen wird. Netzbetreiber und Eigenerzeuger werden verpflichtet, eine bestimmte Menge durchgeleiteten bzw. selbst genutzten Stroms aus der Nutzung erneuerbarer Energieträger zu decken Der Vorschlag läßt offen, wie die Erfüllung dieser Mengenverpflichtung kontrolliert werden soll. Die besondere Schwierigkeit liegt in der objektiven Ausstellung der Zertifikate für den erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien. Bisher haben nur die Netzbetreiber die technische Möglichkeit, das Personal und die Erfahrung, durch Ablesung der Stromzähler festzustellen, wieviel Strom erzeugt wurde. Den Netzbetreibern darf aber nicht die Befugnis verliehen werden, die Zertifikate selber auszustellen, weil sie solche Zertifikate zum Nachweis der Erfüllung ihrer eigenen Mengenverpflichtung benötigen. Sie könnten sich sonst leicht "selber bedienen". Eigenerzeuger im Sinne dieser Regelung sind juristische oder natürliche Personen, welche die Umwandlung von Energie zur Deckung eines jeweils eigenen Bedarfs betreiben. Dabei bleibt es den Beteiligten überlassen, wie sie ihrer spezifischen Mengenverpflichtung genügen: Die Verpflichteten können entweder eigene Anlagen zur additiven Erzeugung regenerativen Stroms erstellen und betreiben oder diesen von anderen inländischen oder ausländischen Erzeugern direkt (physisch) oder indirekt in Form von Energiezertifikaten erwerben. Sowohl die Zertifikate als auch die jeweils produzierte Energie werden zu Marktpreisen gehandelt. Der Betreiber einer Anlage zur Nutzung Erneuerbarer Energien weiß somit im Voraus nie, wieviel Geld er für seinen erzeugten Strom tatsächlich "auf dem Zertifikate-Markt" erhalten wird.


- Zur Förderung energiewirtschaftlich innovativer Techniken, denen eine wirtschafts-, technologie- oder strukturpolitisch besondere Bedeutung zugemessen wird, (Wer entscheidet, welche Techniken dies sein sollen? Weiter oben heißt es, eine solche Entscheidung sei Anmaßung von Wissen durch den Staat!) werden ergänzend spezifische Ausschreibungswettbewerbe um staatliche Fördermittel durchgeführt. Warum sollen hier Subventionen aus Steuermitteln gezahlt werden, obwohl die entstehenden Kosten verursachergerecht den Stromverbrauchern auferlegt werden könnten? Die im Rahmen der Ausschreibungswettbewerbe jeweils günstigsten Angebote erhalten eine Förderzuwendung in Form eines einmaligen Zuschusses zu den Investitionskosten. Dieser wird aus dem Bundeshaushalt finanziert. Zuschüsse zu den Betriebskosten werden nicht gewährt. Ohne eine kostendeckende Vergütung und ohne Betriebskostenzuschüsse besteht die Gefahr, dass bei einem Defekt der Anlage notwendige Reparaturen unterlassen werden. Außerdem fehlt jeder Anreiz für eine Verbesserung der Technik in Richtung hoher Erträge und langer Lebensdauer. Der wirtschaftliche Betrieb von Energieanlagen und das unternehmerische Risiko der Marktteilnahme bleiben dem jeweiligen Anlagenbetreiber überlassen. Die Förderung soll Anreize zur Nutzung von Lern- und Größeneffekten zur Kostensenkung schaffen, wobei die Förderung den spezifischen Eigenarten der jeweiligen Technik und den Besonderheiten ihres Einsatzes Rechnung tragen soll. Ihre Ausgestaltung erfolgt degressiv und zeitlich befristet. Degressivität und zeitliche Befristung sind bei einmaligen Investitionszuschüssen, deren Höhe sich aus Ausschreibungen ergeben soll, kaum denkbar. Mit der Durchführung der Fördermaßnahmen wird eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie betraut. Alle mit der Förderung von Energieanlagen verbundenen Maßnahmen sind im Rahmen langfristiger Programme auf europäischer Ebene sowie zwischen den Beteiligten und Betroffenen zu koordinieren.


Berlin, den 13. Februar 2001

Die Begründung für das Modell folgt weiter unten. Auch dort haben wir einige Kommentare eingefügt.


Walter Hirche Ulrich Heinrich
Birgit Homburger Ulrich Irmer
Ulrike Flach Dr. Heinrich l.Kolb
Marita Sehn Jürgen Koppelin
Ernst Burgbacher Dirk Niebel
Hildebrecht Braun (Augsburg) Günther Friedrich Nolting
Jörg van Essen Detlef Parr
Horst Friedrich (Bayreuth) Cornelia Pieper
Rainer Funke Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Hans-Michael Goldmann Gerhard Schüßler
Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Max Stadler
Klaus Haupt Jürgen Türk
Dr. Helmut Haussmann Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung

Handelbare Energiezertifikate überwinden einen zentralen ökonomischen Nachteil selektiver Fördermodelle. Bei letztgenannten muss für die Energiemenge, die aus erneuerbaren Trägern gewonnen wird, mehr bezahlt werden als nötig. Die Ablehnung "selektiver" Fördermodelle bedeutet, dass an keine Bevorzugung bestimmter Techniken gedacht wird. Gleichbehandlung (auch gleiche Vergütung) der Energien aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse ist vorgesehen. Diese Entscheidung richtet sich in ihrer Auswirkung - gewollt oder ungewollt - gegen die Photovoltaik. Es wird dabei übersehen, dass gerade mit der Markteinführung der Photovoltaik eine Technik geschaffen wird, die nicht nur für Mitteleuropa, sondern insbesondere für die Staaten im Sonnengürtel der Erde geeignet ist. Sie kann dort den zukünftigen Energiehunger stillen und der deutschen Wirtschaft erhebliche Exportchancen eröffnen. Namentlich wird dort nicht nur das Segment der erneuerbaren Energieträger geschützt. Vielmehr operieren ausgewählte Technologien bzw.
deren Anbieter spartenspezifisch in einem geschützten Markt. Im vorliegenden Modell werden demgegenüber die Kosten zur Erzeugung regenerativer Energie gemäß den Vorgaben zum freien Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt diskriminierungsfrei zum einen über den Marktpreis für Energie sowie zum anderen über den Handel mit Energiezertifikaten gedeckt. Der Anlagenbetreiber muss erstens mit einem Stromaufkäufer über den Preis für den eingespeisten Strom handeln. Zweitens muss er sich bei einer noch einzurichtenden zuständigen Institution (welche das sein könnte, lässt der Antrag nicht erkennen) um die Ausstellung der Zertifikate bemühen. Drittens muss er versuchen, für seine Zertifikate auf dem freien Markt möglichst günstige Preise zu erzielen. Für den Betreiber eines Windparks mit einer Jahresproduktion von 100.000.000 kWh mag sich dieser Aufwand noch lohnen. Für den Betreiber einer PV-Anlage mit 3.000 kWh im Jahr ist dieser händlerische und bürokratische Aufwand unzumutbar. Der Marktmechanismus bewirkt, dass im Wettbewerb diejenigen Anbieter bzw. Techniken zum Zuge kommen, die in der Lage sind, Elektrizität aus erneuerbaren Energieträgern jeweils am kostengünstigsten anzubieten. PV-Anlagenbetreiber haben hier keine Chance! Der damit verbundene Anreiz zur Kostenminimierung ist dynamisch und bewirkt eine entsprechende Ausrichtung von Forschung und Entwicklung. Der Handel mit Energiezertifikaten vermeidet die selektive Bedienung wirtschaftlicher Interessen sowie die Anmaßung technologischen Wissens durch den Staat. Darüber hinaus gewinnen umwelt- und energiepolitische Ziele sowie die damit verbundenen Maßnahmen Transparenz und demokratische Zurechenbarkeit. Der energie- und umweltpolitische Eingriff des Staates wird eindeutig als solcher ausgewiesen, begründet und dokumentiert. Das System wird für den Stromkunden nicht transparenter als es jetzt unter dem EEG ist. Auch jetzt schon erkennt er auf seiner Stromrechnung den Preisanteil, den er aufgrund des staatlichen Eingriffs (EEG) zusätzlich zahlen soll.

Entsprechendes gilt für die ergänzende und gezielte Förderung ausgewählter Technologien. Auf der einen Seite wird den betroffenen Unternehmen eine ausreichende Planungs- und Investitionssicherheit gewährt. Von Planungssicherheit kann nicht die Rede sein. Bei Beginn und während der Durchführung seiner Planungen weiß der Bewerber nicht, ob er bei der Ausschreibung erfolgreich sein wird, ob er also die Planungskosten wiederbekommt. Von Investitionssicherheit kann ebenfalls nicht die Rede sein, weil weder die Entwicklung der Strompreise noch die Entwicklung der Marktpreise für die Zertifikate vorhersehbar ist. Auf der anderen Seite werden Anreize geschaffen, um Lern- und Produktionseffekte effizient in Kostensenkungen umzusetzen. Im Vergleich zu Pauschalfördermodellen oder Festpreisvorgaben ermöglichen Ausschreibungswettbewerbe den wirtschaftlichen Einsatz von Fördermitteln. Diejenigen Angebote, die den geringsten spezifischen, d. h. auf die Leistungseinheit bezogenen Investitionskostenzuschuss erfordern, werden bis zur Höhe des ausgeschriebenen Kapazitätskontingents zur Förderung ausgewählt.

Ferner lassen sich durch den Bieterwettbewerb Überförderungen und Mitnahmeeffekte weitgehend vermeiden. Bieterwettbewerbe entfalten darüber hinaus eine besondere Dynamik im Hinblick auf die Ausschöpfung von Kostensenkungspotentialen. Anders als Fördermodelle mit garantierten Mindestpreisregelungen, die einen erheblichen Eingriff in den Wettbewerbsmarkt für Energie darstellen, vermeidet das Modell ordnungspolitisch bedenkliche Preisvorgaben und die damit verbundenen Verzerrungen von Markt und Wettbewerb. Ferner ergibt sich aus dem Modell kein zusätzlicher Regulierungs- oder Kontrollbedarf. Es entsteht sehr wohl Regulierungsbedarf, weil jährlich eine höhere Mengenverpflichtung durch die Bundesregierung oder eine beauftragte Behörde festgelegt werden muss. Außerdem entsteht erheblicher Kontrollbedarf, weil die Erfüllung der Mengenverpflichtung kontrolliert werden muss. Auch der Verwaltungsaufwand ist aufgrund der Vergabe einmaliger Investitionskostenzuschüsse im Rahmen jährlicher Ausschreibungen gering. Zudem kann auf die praktischen Erfahrungen bei der Abwicklung von Breitenförderprogrammen der Vergangenheit zurückgegriffen werden. Den Unternehmen der Energiewirtschaft wird kein Durchführungs- und Abwicklungsaufwand aufgebürdet, es wird auf bestehende Organisations- und Verwaltungsstrukturen zurückgegriffen, zusätzliche bürokratische Apparate werden nicht eingerichtet. Hier übersehen die Autoren, dass die Kontrolle des Systems der Herkunftszertifikate einen erheblichen bürokratischen Aufwand voraussetzt.