Datum: 25.07.2002

Energiepolitik muss sich am Ziel ausrichten


Editorial zu Solarbrief 2/02

Von Wolf von Fabeck
Geschäftsführer im Solarenergie-Förderverein Deutschland

Wer eine Reise vorbereitet, wählt Bekleidung, Gepäck und Verkehrsmittel nach dem Zielort und der beabsichtigten Aufenthaltsdauer aus. Wenn am Abfahrtstag hochsommerliche Hitze herrscht, denken wir trotzdem an Anorak und warmen Wollpullover für den Sturmtag am Nordseestrand. Und nach Australien fahren wir ganz sicher nicht mit dem Fahrrad, obwohl das Radwegenetz in unserer Stadt gut ausgebaut ist!

Die Beachtung des Reiseziels empfiehlt sich auch dann, wenn wir an der Energiewende arbeiten. Die Überlegung, „wohin die Reise gehen soll“, kann dann manche Ungewissheit ausräumen helfen. Da gibt es zum Beispiel das ermüdendende Hin und Her um die Frage, welches Förderprogramm für die Erneuerbaren Energien wohl das Beste sei. Dieser Frage wollen wir uns heute widmen.

Fragen wir die Errichter von Wind- oder Solarstromanlagen, so hätten diese wohl am liebsten einen hohen, nicht rückzahlbaren Zuschuss aus Steuermitteln bar auf die Hand (und wir haben volles menschliches Verständnis für diesen Wunsch). Doch wäre ein solches Förderprogramm denn auch vemünftig im Hinblick auf unser Ziel? Wir wollen immerhin ALLE konventionellen Primärenergien dauerhaft zu 100% durch die Erneuerbaren Energien ersetzen! Ist uns eigentlich bewusst, wie viele Solar-, Biomasse oder Windanlagen dafür errichtet werden müssen? Ist uns bewusst, wieviele Zuschüsse dann insgesamt zu zahlen wären? Die Summe der Zuschüsse würde jeden Staatshaushalt sprengen! Für das von uns verfolgte Ziel sind Zuschüsse aus Steuermitteln somit ein ungeeignetes Mittel.

Ähnliches gilt auch für die beliebten Zinsverbilligungsprogramme, mit denen eine zu geringe Einspeisevergütung teilweise ausgeglichen werden soll. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau kann ja nicht einfach auf Anordnung des Wirtschaftsministers die Zinsen auf 1,9 Prozent oder gar auf 0 Prozent senken, ohne dafür vom Staat - aus Steuermitteln - einen finanziellen Ausgleich zu empfangen. Auch wenn die staatlichen Ausgaben für die Zinsverbilligung geringer sind als bei direkten Zuschüssen gilt tendenziell die gleiche Einschränkung wie bei den Zuschüssen. Auch die Finanzierung von Zinsvergünstigungen für alle Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien würde jeden Staatshaushalt überfordern.

Mittel aus dem Staatshaushalt sind also nicht geeignet. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), bestes aller Förderprogramme, erfüllt diese Bedingung; es belastet den Staatshaushalt nicht, denn die Einspeisevergütung wird von den Verbrauchern bezahlt, dennoch gibt es Politiker, die beim EEG an den Vergütungssätzen sparen wollen. Die Vergütung für Wind- und insbesondere für Solarstrom brauche doch durchaus nicht kostendeckend zu sein, behaupten sie. Dahinter steht die Vorstellung, ein gewisses finanzielles Opfer könne man jedem Wind- oder Solaranlagenbetreiber schon zumuten, und auf keinen Fall dürfe der Betreiber mit seiner Anlage Gewinne erwirtschaften. Diese Überlegung hat einiges für sich, doch wenn wir uns überlegen, wohin die Reise gehen soll, zeigt sich rasch, dass man auf diese Weise zwar einhunderttausend PV-Anlagen bauen kann, nicht aber einige Millionen.

Man stelle sich doch nur einmal die zukünftige Energiewirtschaft auf Basis von Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse vor, die zukünftig nach einem solchen Opfer-Prinzip finanziert werden soll! Schlimmer noch, diese zukünftige Energiewirtschaft müsste nicht nur in finanzieller Selbstverleugnung Energie für alle bereitstellen, sondern sie müsste überhaupt erst einmal in Konkurrenz zur bestehenden Energiewirtschaft aufgebaut werden, in Konkurrenz zu einer jahrhundertealten mächtigen konventionellen Energiewirtschaft, die mit der Nutzung von Kohle, Erdgas, Öl und Uran auch heute noch satte Gewinne erwirtschaftet. Wir sehen rasch, dass dies aussichtslos ist.

Gehen wir vom Ziel aus, in dem jeder Energieverbraucher seinen Strom, seinen Kraftstoff und seine Heizwärme aus Erneuerbaren Energien erhält, so wird aus diesem Blickwinkel vieles als Selbstverständlichkeit erkennbar, was aus Sichtweise der bisherigen Energiefachleute kategorisch abgelehnt wird. Es wird insbesondere als Selbstverständlichkeit erkennbar, dass jeder Verbraucher die von ihm benötigte Energie selber bezahlen muss und zwar kostendeckend für die Erzeuger. Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien müssen wirtschaftlich betrieben werden können.

Kommen wir zum Schluss! Der Blick auf das Ziel unserer Reise, die 100% Versorgung aus Erneuerbaren Energien, hat uns Gewissheit gegeben. Wir erkennen aus diesem Blickwinkel ohne jeden Zweifel: An der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KV) geht kein Weg vorbei.