Datum: 17.12.2004

Urteil des Bundesgerichtshof zur Stichleitung:
Netzbetreiber muss Netzverstärkung zahlen

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL


VIII ZR 391/03

Verkündet am:
10. November 2004
P o t s c h ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein;
BGHR: ja

EEG § 10 a.F. (Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 29. März 2000, BGBl. I 2000 S. 305)

Eine Stichleitung, die nur einen Anschlussnehmer mit elektrischer Energie aus einem der allgemeinen Versorgung dienenden Netz versorgt, ist Teil dieses Netzes im Sinne des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 29. März 2000.
Kosten der für den Anschluss einer stromerzeugenden Anlage erforderlichen Verstärkung einer solchen Stichleitung sind Netzausbaukosten im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 1 EEG a.F.
Der technisch und wirtschaftlich günstigste Verknüpfungspunkt für den Anschluss von stromerzeugenden Anlagen an das Netz gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EEG a.F. ist im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise unter Gegenüberstellung und Abwägung erforderlicher Netzausbaukosten einerseits und entstehender Anschlusskosten andererseits zu ermitteln.

BGH, Urteil vom 10. November 2004 - VIII ZR 391/03 - OLG Stuttgart LG Ravensburg

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert sowie die Richterin Hermanns für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger betreibt auf seinem Hofgrundstück eine Photovoltaikanlage, aus der er Strom in das Netz der Beklagten, eines Energieversorgungsunternehmens, einspeist. In einer Entfernung von etwa 400 Metern führt eine Mittelspannungs- Freileitung der Beklagten am Hof des Klägers vorbei. Von der dortigen Gittermast-Umspannstation "S." zweigt eine Niederspannungs- Freileitung zum Anwesen des Klägers ab, die dort endet und über einen Dachständer-Hausanschluss zunächst das Wohnhaus des Klägers und ein Stallgebäude versorgte. 1995 errichtete der Kläger eine Biogasanlage und speist seitdem aufgrund eines Vertrages über Stromrücklieferung vom 12. Juli/28. August 1995 Strom über die bestehende Leitung in das Netz der Beklagten ein. 1996/1997 baute er auf seinem Grundstück ein weiteres Wohnhaus, das vermietet ist und ebenfalls über diese Leitung mit Strom versorgt wird.

Im Jahr 2002 errichtete der Kläger auf dem Stallgebäude die Photovoltaikanlage mit einer maximalen Leistung von 19,2 kWp. Die bestehende Freileitung von der Gittermast-Umspannstation bis zum Dachständeranschluss war zu schwach ausgelegt, um zusätzlich auch den Strom aus der Photovoltaikanlage aufnehmen zu können. Die Beklagte brachte daher im Auftrag des Klägers auf den vorhandenen Masten ein zusätzliches Kabel an, wobei sich der Kläger eine gerichtliche Klärung der Kostentragungspflicht vorbehielt. Die Beklagte behauptet, für die Parallelleitung seien Kosten in Höhe von 6.277,25 Euro angefallen. Der Kläger hat zunächst Klage auf Feststellung erhoben, dass die Beklagte diese Kosten selbst zu tragen hat. Die Klage haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte den Kläger im Wege der Widerklage auf Zahlung des oben genannten Betrages nebst Zinsen in Anspruch genommen hat.
Das Landgericht hat der Widerklage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers die Widerklage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in RdE 2004, 23 veröffentlicht ist, hat ausgeführt:
Die Beklagte habe gegen den Kläger weder einen vertraglichen noch einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung der Kosten für die Errichtung der Zweitleitung. Die Herstellung dieser weiteren Stromleitung vom Anwesen des Klägers zur Umspannstation sei nicht als Netzanschluss im Sinne des § 10 Abs. 1 EEG zu verstehen. Vielmehr sei die schon bestehende Niederspannungs-Freileitung als Teil des Netzes der Beklagten anzusehen mit der Folge, dass es sich bei der neuen Leitung um einen Netzausbau handele, dessen Kosten nach § 10 Abs. 2 EEG der Netzbetreiber, die Beklagte, zu tragen habe.
Zwar lasse sich weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus dem Regelungssystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Frage, wo das Netz des Betreibers beginne und wo es ende, eindeutig beantworten. Es sei jedoch das Anliegen des Gesetzgebers, aus Gründen der Ressourcenschonung und des Klimaschutzes die erneuerbaren Energien zu fördern und die Stromversor-gungsunternehmen durch Abnahme-, Vergütungs- und weitreichende Kostentragungspflichten zu belasten. Denn der Sinn und Zweck des Erneuerbare-Energien- Gesetzes bestehe darin, den Gesamtaufwand der Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien zu minimieren, um deren Anteil an der Stromerzeugung stark zu erhöhen.
Verknüpfungspunkt im Sinne von § 10 Abs. 1 EEG für den Anschluss der Anlage des Klägers an das Netz der Beklagten sei der Dachständer am Wohnhaus des Klägers. Nr. 10 der Richtlinie für den Parallelbetrieb von Eigenerzeugungsanlagen mit dem Niederspannungsnetz des Elektrizitätsversorgungsunternehmens, die Bestandteil des Stromrücklieferungsvertrages der Parteien von 1995 sei, definiere als Verknüpfungspunkt die der Energieerzeugungsanlage am nächsten gelegene Stelle im öffentlichen Netz, an der weitere Kunden angeschlossen sind oder angeschlossen werden können. Letzteres sei bei dem Dachständer der Fall und so auch gehandhabt worden, als der Kläger das zweite Wohnhaus errichtet habe. An diesem Verknüpfungspunkt habe die Beklagte auch die Rückeinspeisung aufzunehmen. Dem stehe das Regelwerk der AVBEltV nicht entgegen. Nach § 10 AVBEltV werde der Hausanschluss im Ergebnis als Betriebsanlage des Versorgungsunternehmens und damit als Teil seines Netzes ausgewiesen.

II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht ist zu Recht der Auffassung, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Verlegen der zusätzlichen Stromleitung von der Hofstelle des Klägers bis zur Umspannstation hat.

1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich der Kläger in dem im Jahre 2002 geschlossenen Vertrag über die Errichtung der Leitung vorbehalten, seine im Streit stehende Zahlungsverpflichtung gerichtlich klären zu lassen. Diese Vereinbarung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet dahin ausgelegt, dass sich die Pflicht zur Übernahme der Kosten für die von der Beklagten durchgeführten Arbeiten nach den einschlägigen Vorschriften des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien in der zur Zeit der Errichtung und Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage 2002 geltenden Fassung vom 29. März 2000 (BGBl. I 2000 S. 305, (im folgenden: EEG) richten sollte.

2. Als Anspruchsgrundlage für die von der Beklagten geltend gemachte Forderung kommt nur § 10 Abs. 1 Satz 1 EEG in Betracht. Danach hat der Anlagenbetreiber die notwendigen Kosten des Anschlusses von Anlagen nach § 2 EEG, unter anderen solchen zur Gewinnung von Strom aus solarer Strahlungsenergie, an den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des nächst gelegenen Netzes für die allgemeine Versorgung (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 EEG) zu tragen. Bei den von der Beklagten geltend gemachten Kosten der Parallelleitung bis zur Umspannstation handelt es sich jedoch nicht um Anschlusskosten in diesem Sinne, sondern um Kosten eines infolge der neu anzuschließenden Anlage erforderlichen Netzausbaus, die gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 EEG der Beklagten zur Last fallen.

a) Die bisherige Freileitung, die den Hof des Klägers mit der Umspannstation S. verbindet, ist Teil des von der Beklagten betriebenen Netzes für die allgemeine Versorgung im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 1 EEG.

aa) Die Beklagte führt in dem Gemeindegebiet, in dem der Hof des Klägers liegt, die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern im Sinne von § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetzes - EnWG) durch. Aus den Bestimmungen des Erneuerbare-Energien- Gesetzes und seines Vorgängers, des Stromeinspeisungsgesetzes, ergibt sich allerdings nicht, ob eine Stichleitung, die wie hier nur einen Anschlussnehmer mit elektrischer Energie aus dem der allgemeinen Versorgung dienenden Netz versorgt, noch als Teil dieses Netzes zu verstehen ist. Eine ausdrückliche Regelung fehlt hierzu. Auch die Gesetzesmaterialien, die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 14/2341) sowie die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (BT-Drucks. 14/2776), schweigen hierzu.
Es ist deshalb streitig, ob eine solche Leitung noch zum Teil des Netzes für die allgemeine Versorgung gehört. Dies wird teilweise bejaht (OLG Nürnberg, ZNER 2002, 225; LG Regensburg, ZNER 2001, 270 m. Anm. Bönning; Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, § 2 EnWG Rdnr. 38; Bönning, ZNER 2003, 296, 299; wohl auch Niedersberg, NVwZ 2001, 21, 23; offengelassen von Salje, EEG, 2. Aufl., § 10 Rdnr. 22; Hinsch/Meier, ZNER 2002, 290, 294). Nach anderer Ansicht stellt dagegen eine Leitung, die nur einen Anschlußnehmer mit Strom versorgt, keinen Teil des Netzes für die allgemeine Versorgung dar (BerlK-EnR/Böwing, § 10 EEG Rdnr. 5, 11; Brandt/Reshöft/Steiner, Hk-EEG, § 10 Rdnr. 12; Weißenborn, in: Böhmer, Erneuerbare Energien - Perspektiven für die Stromerzeugung, S. 121 ff.). Diese Ansicht liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch den Empfehlungen zugrunde, die die gemäß § 10 Abs. 3 EEG beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie errichtete Clearingstelle am 8. Mai 2001 für eine vorläufige Handlungsweise abgegeben hat, bis eine innerhalb der Clearingstelle noch ausstehende Einigung über die Fragen der Netzausbaupflicht des Netzbetreibers und der Kostentragung für die Anschlussanlage durch den Anlagenbetreiber herbeigeführt werden kann. Der Senat gibt der erstgenannten Auffassung den Vorzug.

bb) Dafür spricht bereits der Wortlaut. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis besteht ein Versorgungsnetz aus der Gesamtheit der miteinander verknüpften Verteilungsleitungen und Einrichtungen eines Versorgungssystems (Brockhaus, 20. Aufl., Stichwort "Netz"; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl., Stichwort "Netz"). Dabei ist nicht erforderlich, daß jede einzelne Versorgungsleitung wieder in das allgemeine Netz zurückführt. So wird auch von einem "Strahlennetz" gesprochen, wenn die Leitungen strahlenförmig von einem Punkt in verschiedene Richtungen ausgehen (Tegethoff/Büdenbender/ Klinger, aaO, § 2 EnWG Rdnr. 38).
Entsprechend definiert § 3 Abs. 6 EEG in der seit dem 1. August 2004 (BGBl. I 2004, 1918) geltenden Fassung als Netz die Gesamtheit der miteinander verbundenen technischen Einrichtungen zur Übertragung und Verteilung von Elektrizität für die allgemeine Versorgung. Dazu gehören nach der Gesetzesbegründung unabhängig von der Spannungsebene alle Leitungen einschließlich der Anschlussleitungen, mittels der Kunden mit Strom versorgt werden, ohne die folglich eine allgemeine Stromversorgung nicht möglich wäre (BT-Drucks. 15/2327, S. 23).
Entgegen der Ansicht der Revision führt ein solches Begriffsverständnis nicht dazu, dass das Netz für die allgemeine Versorgung im Sinne des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien mit dem gesamten Elektrizitätsversorgungsnetz im Sinne der §§ 5, 6 EnWG deckungsgleich oder für eine Abgrenzung vom Anschluss gemäß § 10 Abs. 1 EEG kein Raum mehr wäre. Dabei kann offenbleiben, ob der Begriff des Netzes für die allgemeine Versorgung im Erneuerbare-Energien-Gesetz ebenso auszulegen ist wie in § 2 Abs. 3 EnWG (in der bis zum 23. Mai 2003 geltenden Fassung, jetzt § 2 Abs. 4 EnWG) oder ob die engere Bedeutung des Begriffs in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG zugrunde zu legen ist. In § 2 Abs. 3 EnWG bezeichnet das Merkmal der "allgemeinen Versorgung" Netze, die dem Bezug von Energie durch andere dienen, und schließt damit solche Netze aus, die ausschließlich zur eigenen Versorgung des Netzbetreibers vorgesehen sind. § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG fordert eine allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern, die voraussetzt, daß sich das Energiever-sorgungsunternehmen öffentlich, auch konkludent, zur Versorgung jedes in dem Gemeindegebiet ansässigen Energieverbrauchers bereit erklärt hat und rechtlich dazu in der Lage ist (Senatsurteil vom 8. Oktober 2003 - VIII ZR 165/01, WM 2004, 742 unter II 2 a aa m. w. Nachw.). Beide Alternativen lassen es zu, Anschlussleitungen als Teil des Netzes für die allgemeine Versorgung anzusehen, ohne dass diese damit deckungsgleich würden mit dem gesamten Elektrizitätsversorgungsnetz. Sie sind auch nicht identisch mit dem Anschluss der stromerzeugenden Anlage nach § 2 EEG, weil dieser die erst zu schaffende Verknüpfung der Anlage mit bereits bestehenden Versorgungsleitungen darstellt.

cc) Die Revision macht weiter geltend, für die Auslegung von § 10 EEG müsse auf das Verständnis der Begriffe des Verteilungsnetzes und des Hausanschlusses bzw. der Hausanschlusskosten in den Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) zurückgegriffen werden. Der Hausanschluss im Sinne von § 10 Abs. 1 AVBEltV gilt - wie der Umkehrschluss aus § 10 Abs. 6 AVBEltV zeigt - nicht als Bestandteil des Verteilungsnetzes, solange er nur der Versorgung eines Anschlussnehmers dient.
Dieser hat nach § 10 Abs. 5 AVBEltV die Kosten für die Erstellung und für von ihm veranlasste Veränderungen seines Hausanschlusses selbst zu tragen. § 10 AVBEltV liegt jedoch ein anderer Regelungszweck zugrunde als § 10 EEG. Der Verordnungsgeber hat es als angemessen erachtet, die Kosten eines Hausanschlusses nicht über die allgemeinen Strompreise an die Gesamtheit der Kunden weiterzugeben, weil es sich um individuell verursachte und zurechenbare Kosten handelt (Amtliche Begründung des Bundesministers für Wirtschaft zu § 10 AVBEltV, abgedruckt bei Ludwig/Odenthal/ Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, AVBEltV § 10). Tragender Gesichtspunkt für den Anspruch des Elektrizitätsversorgungsunternehmens auf Erstattung der Hausanschlusskosten ist die Sicherstellung der Leistungsgerechtigkeit auf der Grundlage des Verursachungsprinzips (Ludwig/ Odenthal/Hempel/Franke, aaO, AVBEltV § 10 Rdnr. 23; Hermann, in: Hermann/ Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser, § 10 AVBV Rdnr. 17 f.) vor dem Hintergrund, daß der Hausanschluss jeweils allein im Interesse des An-schlussnehmers errichtet wird. Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vorrangig Interessen des Gemeinwohls. Zum Schutz des Klimas und der Umwelt sollen eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung ermöglicht und der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich erhöht werden (§ 1 EEG). Diese unterschiedliche Zielsetzung, die einem systematischen Zusammenhang von § 10 AVBEltV und § 10 EEG entgegensteht, schließt es aus, das Begriffsverständnis der Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden ohne weiteres auf dem Wortlaut nach übereinstimmende oder ähnliche Begriffe im Erneuerbare- Energien-Gesetz zu übertragen.
Es kann deshalb offenbleiben, ob es sich bei der Stichleitung, über die das Anwesen des Klägers mit Strom versorgt wird, um einen Hausanschluss im Sinne von § 10 AVBEltV handelt. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz kennt einen bestehenden Hausanschluss nicht, sondern unterscheidet lediglich zwischen dem Netz, der stromerzeugenden Anlage und deren (Neu-)Anschluss. Eine bereits bestehende Versorgungsleitung, die wie hier im Eigentum der Beklagten als Netzbetreiberin steht und zum Großteil über Grundstücke führt, deren Eigentümer nicht der Kläger ist, kann rein begrifflich nicht der "Anlage" im Sinne des § 2 EEG zugeordnet werden. Es liegt deshalb näher, eine derartige Verbindungsleitung als Teil des Netzes anzusehen.

dd) Diese Einordnung ist insbesondere nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien geboten. Nach § 1 EEG soll eine umweltverträgliche Energieversorgung unter Privilegierung kleinerer und mittlerer Energieerzeugungsanlagen (§ 2 Abs. 1 und 2 EEG) gefördert werden. Dabei war es zugleich das Anliegen des Gesetzgebers, volkswirtschaftlich unsinnige Kosten zu vermeiden (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energien, BT-Drucks. 14/2776, S. 22 und 24). Bestehende Grundstücksanschlüsse sind grundsätzlich in der Lage, jedenfalls die aus kleinen und kleinsten Anlagen gewonnenen Strommengen aufzunehmen (Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsder Erneuerbaren-Energien im Strombereich, BT-Drucks. 15/2864, S. 47). Entsprechend sind die Parteien bei dem Anschluß der vom Kläger betriebenen Biogasanlage verfahren. In dem Stromrücklieferungsvertrag vom 12. Juli/28. August 1995 sind als Übergabestelle die kundenseitigen Klemmen des Dachständer-Hausanschlusses bezeichnet. Wenn der bereits bestehende Grundstücksanschluss den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt mit dem Netz des Energieversorgungsunternehmens bietet, ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Netzbetreiber berechtigt sein sollte, den Anlagenbetreiber (zu höheren Kosten) auf einen anderen Verknüpfungspunkt zu verweisen mit der Begründung, der Hausanschluss sei nicht Teil des Netzes. § 13 Abs. 1 Satz 2 EEG in der seit dem 1. August 2004 geltenden Fassung unterstellt sogar bei Anlagen mit einer Leistung von insgesamt bis zu 30 Kilowatt, die sich auf einem Grundstück mit bereits bestehendem Netzanschluss befinden, dass der Verknüpfungspunkt des Grundstücks mit dem Netz stets auch der günstigste Verknüpfungspunkt für die stromerzeugende Anlage ist.

b) Die Anschlussleitung von der Gittermast-Umspannstation S. zur Hofstelle des Klägers ist mithin Teil des Netzes der Beklagten. Das Ende der Leitung auf dem Grundstück des Klägers bildet nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt der von ihm betriebenen Photovoltaikanlage mit dem Netz.

aa) Allerdings war die vorhandene Anschlussleitung zur Aufnahme der zusätzlichen Strommengen aus der Photovoltaikanlage technisch nicht geeignet, weil sie nicht ausreichend dimensioniert war. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 EEG gilt jedoch ein Netz auch dann als technisch geeignet, wenn die Abnahme des Stroms erst durch einen wirtschaftlich zumutbaren Ausbau des Netzes möglich wird; der Netzbetreiber ist auf Verlangen des Einspeisewilligen zum unverzüglichen Ausbau verpflichtet. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit des erforderlichen Ausbaus für die Beklagte hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und wird auch von der Revision nicht geltend gemacht.

bb) Die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunktes kann von verschiedenen Standpunkten aus vorgenommen werden. In Betracht kommen die Sicht des Anlagenbetreibers, diejenige des Netzbetreibers (so BerlK-EnR/Böwing, § 10 EEG Rdnr. 14), die sich wegen der unterschiedlichen Kostenfolgen des § 10 EEG in der Regel unterscheiden werden, oder das gesamtwirtschaftliche Optimum (so Brandt/Reshöft/Steiner, aaO, § 10 Rdnr. 15; Salje, aaO, § 3 Rdnr. 17 f.; Weißenborn, aaO, S. 113 f.). Der Senat hat in seinem Urteil vom 8. Oktober 2003 (aaO unter II 2 b) bereits entschieden, dass es für die nähere Bestimmung, welches Netz und welcher Verknüpfungspunkt bei mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten zu den Anlagen des Energieerzeugers die "kürzeste Entfernung" im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 EEG aufweist, darauf ankommt, bei welchem der möglichen Anschlüsse die geringsten Gesamtkosten für die Herstellung des Anschlusses und für die Durchführung der Stromeinspeisung zu erwarten sind. Nichts anderes gilt für die Auswahl des wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunktes im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 EEG. Wie bereits ausgeführt, war es das Anliegen des Gesetzgebers, volkswirtschaftlich unsinnige Kosten zu vermeiden. Bei der Reform des Rechts der Erneuerbaren Energien 2004 hat er erneut betont, dass es der Intention des Erneuerbare-Energien-Gesetzes entspricht, die gesamtwirtschaftlichen Kosten so gering wie möglich zu halten (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren-Energien im Strombereich, BT-Drucks. 15/2327, S. 24). Würde allein auf die Interessen des Anlagenbetreibers abgestellt, wäre stets die kürzeste Verbindung zum Netz die günstigste. Dann bedürfte es der gesonderten Feststellung des technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunktes nicht. Würde den Vorstellungen des Netzbetreibers der Vorrang eingeräumt, könnte dies die Erreichung des gesetzgeberischen Ziels in Frage stellen, den Beitrag Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich zu erhöhen. Der wirtschaftlich günstigste Verknüpfungspunkt kann deshalb nur unter Berücksichtigung sowohl der Interessen des Anlagenbetreibers als auch der Interessen des Netzbetreibers ermittelt werden.
Das bedeutet, dass im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise die Kosten des Netzausbaus den Kosten des Anschlusses der Anlage an einem weiter entfernt gelegenen Netzanschlusspunkt - unter Einschluss mittelbarer finanzieller Nachteile (vgl. Bönning, ZNER 2003, 296, 299) - gegenüber gestellt und gegeneinander abgewogen werden müssen (Weißenborn, aaO). Bei den von der Beklagten geltend gemachten Kosten handelt es sich um Kosten des Netzausbaus für eine Verknüpfung der Photovoltaikanlage des Klägers mit ihrem Netz am Ende der zu seiner Hofstelle führenden Anschlußleitung. Die Beklagte hat durch die Verlegung der Parallelleitung nicht einen von der bestehenden Anschlussleitung unabhängigen neuen Anschluss an einem weiter entfernt - etwa an der Gittermast-Umspannstation S. - liegenden Verknüpfungspunkt hergestellt. Sie hat vielmehr die bereits vorhandene Leitung genutzt und so verstärkt, daß sie für eine Einspeisung des von der Pho-tovoltaikanlage des Klägers erzeugten Stroms technisch geeignet ist. Das macht insbesondere die von der Beklagten gegenüber dem Kläger erstellte Rechnung deutlich, in der sie die von ihr durchgeführte Maßnahme selbst als "Verstärkung der bestehenden Niederspannung-Freileitung durch Auflegung von neuen Luftkabeln an den bestehenden Masten" bezeichnet. Die Kosten der Herstellung einer gesonderten Anschlussleitung zwischen der Anlage und einem neuen Verknüpfungspunkt hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dass sie geringer gewesen wären als die Kosten des durchgeführten Netzausbaus macht die Revision nicht geltend.

c) Damit steht fest, dass das Ende der bestehenden Versorgungsleitung auf dem Grundstück des Klägers den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt der Photovoltaikanlage mit dem Netz der Beklagten darstellt und es sich bei den Aufwendungen der Beklagten für die Verstärkung der Freileitung um Netzausbaukosten handelt, die gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 EEG von der Beklagten zu tragen sind.
§ 10 Abs. 5 Nr. 2 AVBEltV, nach der das Elektrizitätsversorgungsunternehmen vom Anschlussnehmer die Erstattung der notwendigen Kosten für die Veränderungen des Hausanschlusses verlangen kann, die durch eine Änderung oder Erweiterung seiner Anlage erforderlich oder aus anderen Gründen von ihm veranlasst werden, steht diesem Ergebnis nicht entgegen, auch wenn es sich bei der Anschlussleitung zwischen der Gittermast-Umspannstation und der Hofstelle des Klägers um einen Hausanschluss im Sinne von § 10 Abs. 1 AVBEltV handelt. Die Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 2 AVBEltV wird im Anwendungsbereich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch die Spezialvorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 1 EEG verdrängt, soweit der Ausbau eines Hausanschlusses wie hier mit dem Ziel erfolgt, dessen technische Eignung für die Stromeinspeisung durch den Betreiber einer Anlage nach § 2 EEG herzustellen.
Die Frage, ob die Kosten, die im Falle der Herstellung eines von einem bestehenden Netzanschluss unabhängigen Anschlusses der stromerzeugenden Anlage an einen anderen - gesamtwirtschaftlich betrachtet günstigeren - Verknüpfungspunkt anfallen, stets in vollem Umfang Anschlußkosten im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 EEG sind oder ob es sich dabei ganz oder teilweise auch um Netzausbaukosten nach § 10 Abs. 2 Satz 1 EEG handeln kann (vgl. jetzt § 4 Abs. 2 Satz 4 EEG 2004; zu dem bis zum 31. Juli 2004 geltenden Recht OLG Nürnberg aaO; Bönning, ZNER 2003, 296, 298 f.; Salje, aaO, § 10 Rdnr. 8, 22 f.; Weißenborn, aaO, S. 119 ff.; zum Stromeinspeisungsgesetz Senatsurteil vom 29. September 1993 - VIII ZR 107/93, WM 1994, 76 unter II 1 b), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Dr. Deppert
Dr. Beyer
Ball
Dr. Leimert
Hermanns

 


Text des EEG mit Gesetzesbegründung und Kommentaren des SFV