Datum: 12.04.2001 mit Nachträgen vom 20.07.05

Einspeiseverträge selber prüfen


Sehr geehrte Solaranlagenbetreiberin, sehr geehrter Betreiber,
wer seinen Einspeisevertrag selber prüfen will, sollte einige GRUNDSÄTZLICHE DINGE über Verträge wissen und im speziellen die KRITISCHEN PUNKTE kennen, an denen manche Netzbetreiber den Anlagenbetreiber zu benachteiligen versuchen.
Die folgenden grundsätzlichen Ausführungen sollen Ihnen bei der Beurteilung Ihres eigenen Vertrages helfen. Sie sind aber nicht berechtigt, anderen Betreibern eine Rechtsberatung zukommen zu lassen.
Strikte Bestimmungen im Rechtsberatungsgesetz verbieten eine Rechtsberatung durch juristische Laien. Denken Sie auch an die damit verbundenen Haftungsfragen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck

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Grundsätzliches



Vertragliche Regelungen sind vorrangig gegenüber gesetzlichen Regelungen


Alle Regelungen, die in einem Einspeisevertrag vereinbart und unterschrieben werden, sind gültig, auch dann, wenn das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) oder das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) andere (nicht zwingende) Regelungen vorsieht.
Im Streitfall wird ein Gericht sich an den Wortlaut des unterschriebenen Vertragstextes halten.
Nur Dinge, die im Vertrag nicht geregelt wurden, werden - falls es dafür im Gesetz eine Regelung gibt - durch diese gesetzliche Bestimmung geregelt.

Einseitige Vereinbarungen können sittenwidrig sein


Wenn sich aus dem Vertragswortlaut ergibt, dass der eine Partner den anderen unangemessen benachteiligt hat, kann unter Umständen das Gericht im Streitfall diese Bestimmung für "sittenwidrig" und nichtig ansehen.
Z.B. wäre eine einseitige Haftungsbegrenzung wahrscheinlich sittenwidrig. Doch sollte sich der Anlagenbetreiber nicht von vornherein darauf verlassen.

Juristerei ist keine Geheimwissenschaft


Die Aussagen in einem Einspeisevertrag bedeuten das Gleiche wie in der (gehobenen) Umgangssprache.
Grundsätzlich sollten Verträge so abgefasst sein, dass der Anlagenbetreiber seinen Einspeisevertrag verstehen kann, bevor er ihn unterschreibt.

Missverständnisse ausräumen


Wenn der Netzbetreiber sich weigert, eine unverständliche oder missverständliche Passage in dem Vertrag zu ändern, sollte man ihn notfalls um eine schriftliche Information bitten, wie die Passage gemeint ist. Diese Antwort sollte man mit den Vertragsunterlagen sorgfältig aufbewahren.

Wie werden Streitfälle gelöst?


Genauso wie in der normalen Spache Missverständnisse möglich sind, können Missverständnisse auch bei Vertragsformulierungen auftreten. Im Streitfall wird das Gericht herauszufinden versuchen, was die Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich gewollt haben.


Keine Gewähr



Bekanntlich lässt sich nie voraussagen, wie ein Gericht im konkreten Streitfall entscheiden würde. Die hier in diesem Beitrag gegebenen Hinweise erfolgen deshalb ohne Gewähr.

Wozu eine salvatorische Klausel?


Wenn sich im Streitfall vor Gericht herausstellt, dass die Vertragspartner den Wortlaut zu einem Punkt ihres Vertrages von Anfang an unterschiedlich ausgelegt haben, dann wäre - wenn es sich um wichtige Regelungen handelt - der Vertrag möglicherweise insgesamt ungültig.
Entsprechendes gilt, wenn wie oben angedeutet, eine Klausel den einen Vertragspartner unzumutbar benachteiligt. Damit der Rest des Vertrages dann nicht auch wegfällt, können die Vertragspartner vorsorglich vereinbaren, dass die übrigen Punkte weiter gelten sollen (salvatorische Klausel).

Unterschreiben oder nicht?


Der Anschluss einer Solarstromanlage an das Netz des Betreibers ist eine Routineangelegenheit, die im allgemeinen keines gesonderten Vertrages bedarf. Das gilt besonders für PV-Anlagen unter 30 kW.

Im EEGsteht deshalb seit dem 01.08.04 unter § 12 (1) der Satz:
Netzbetreiber dürfen die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus den §§ 4 und 5 nicht vom Abschluss eines Vertrages abhängig machen.
Im Regelfall sind Einspeiseverträge nicht erforderlich, weil die vorkommenden Fragen durch gesetzliche oder technische Vorschriften geklärt sind. Einspeiseverträge sind nur zur Regelung solcher Details notwendig, in denen im gegenseitigen Einvernehmen von den üblichen gesetzlichen Regelungen abgewichen werden soll. In der Vergangenheit versuchten jedoch die Netzbetreiber Anlagenbetreiber zum Abschluss nachteiliger Verträge zu zwingen, indem sie den Anschluss oder die Abnahme oder die Vergütung des angebotenen Stromes vom Abschluss solcher Verträge abhängig machten. Anlagenbetreiber können sich nun besser zur Wehr setzen, wenn ihnen Verträge aufgenötigt werden sollen.

Wer mit einer Vertragsbestimmung nicht einverstanden ist, sollte den Vertrag nicht unterschreiben. Er kann schriftlich einen Gegenvorschlag für den Passus machen und auf einer schriftlichen Antwort bestehen. Den Schriftwechsel sollte er aufbewahren.
Lieber kein Vertrag als ein schlechter Vertrag!
Diese Lösung ist anzuraten, wenn der Netzbetreiber die Einspeisung zulässt und auch ohne Vertragsabschluss eine Vergütung zahlt.
Wenn der Netzbetreiber die Einspeisung zulässt, aber die Bezahlung verweigert, läuft es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinaus, bei der der Netzbetreiber schlechte Karten hat.

Unter Druck setzen lassen?

Manche Netzbetreiber versuchen, eine Unterschrift unter ihren Vertragstext zu erzwingen, indem sie bis zur Vertragsunterschrift den Anschluss der Anlage an ihr Netz verweigern. Dagegen haben Anlagenbetreiber mehrfach erfolgreich geklagt.

Kritische Punkte

Nachfolgend sollen einige Punkte angesprochen werden, die sich im Verlauf der bisherigen Vertragsprüfungen oft als problematisch herausgestellt haben:

Vertragsdauer und Kündigung durch den Netzbetreiber

Eine Kündigungsmöglichkeit "aus wichtigem Grund" sowie nach den im EEG vorgeschriebenen 20 Jahren (plus Anfangsjahr) können ohne Risiko eingestanden werden.
Andere Kündigungsmöglichkeiten des Netzbetreibers sollte der Anlagenbetreiber nicht akzeptieren.

Kündigung durch den Anlagenbetreiber

Dem Anlagenbetreiber steht nach dem EEG eine Kündigung jederzeit zu. Er sollte also auf der Vereinbarung einer Klausel mit möglichst kurzer Frist, z.B. monatliche Kündigung bestehen.
Eine Kündigung könnte später von Interesse sein, wenn die Einspeisevergütung für Solarstrom angehoben wird, oder wenn sich die Chance bietet, einen insgesamt nachteiligen Vertrag durch einen moderneren Vertragstext zu ersetzen.

Vorbehaltsklauseln



Nach dem positiven Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 13.03.2001 sind Klauseln, wie "unter dem Vorbehalt, dass die Vorschriften des EEG mit den gemeinschaftlichen Beihilferegeln vereinbar sind" realitätsfern aber ungefährlich.

Rückzahlungsklauseln



Gefährlich sind Rückzahlungsklauseln. Der Anlagenbetreiber sollte sich keinesfalls verpflichten, bei einer Änderung des EEG zu viel erhaltene Beträge zurückzuzahlen oder einer rückwirkenden Anpassung der Vergütung zustimmen, was im Endeffekt auf das Gleiche hinausliefe. Hingegen kann der Anlagenbetreiber unbesorgt unterschreiben, dass der Netzbetreiber zu viel gezahlte Beträge zurückfordern wolle, wenn dies rechtlich zulässig sei. Durch seine Unterschrift nimmt der Anlagenbetreiber lediglich zur Kenntnis, dass der Netzbetreiber eine solche Forderung stellen will (woran er ihn ohnehin nicht hindern kann); der Anlagenbetreiber unterschreibt damit ja nicht, dass er die Forderung auch bezahlen werde.

Zum Stromzähler



Der Anlagenbetreiber ist der Verkäufer. Nach § 448 BGB ist der Verkäufer verantwortlich für die Messung der Ware und die Rechnungstellung. Deshalb kann er auf einer Vereinbarung beharren, dass er den Zähler selber anschafft und einbaut, ihn selber alle 16 Jahre eicht, ihn selber abliest und selber die Rechnung schreibt.
Wer aber das Angebot des Netzbetreibers annimmt, sich von diesem all diese Aufgaben abnehmen zu lassen, der muss ihn auch dafür bezahlen. Etwa 30 Euro jährlich sind ein üblicher Preis dafür.

Abrechnungszeitraum und Abschlagszahlungen


Als Lieferant des Solarstroms hat der Anlagenbetreiber Anspruch auf eine Bezahlung der gelieferten Ware nach Rechnungsstellung; bei einer größeren Anlage sind monatliche Abstände angemessen. Praktischer ist es aber sicherlich für beide Seiten, wenn im Vertrag regelmäßige Abschlagzahlungen vereinbart werden.

Hinweise auf andere Schriftstücke


Schriftstücke, wie Preisblätter, Technische Bestimmungen oder auch Verordnungen, die im Vertrag erwähnt werden, werden dadurch zu Bestandteilen des Vertrages. Sie genau zu lesen ist zwar mühsam, aber notwendig, wenn man keine Überraschungen erleben will.
Kompliziert wird ihre Beurteilung, wenn z.B. bei einem Hinweis auf die AVB(Elt)V nicht genau angegeben ist, welcher Passus gemeint ist. Hier empfiehlt sich eine schriftliche Anfrage beim Netzbetreiber (Antwort aufbewahren).


Weitere Hilfe



Sie können bei Rechtsanwältin Dr. Bönning, Tel. 02273-594881eine individuelle Prüfung des Vertrages vornehmen lassen, bei der die besonderen Gegebenheiten Ihrer Situation berücksichtigt werden. Hierfür wird eine Gebühr nach Absprache direkt bei Frau Dr. Bönning fällig.