Perspektiven einer elektrifizierten Luftfahrt

 

Die Energiewende ist nicht vollständig ohne eine Verkehrswende. Wer diesen Satz hört, denkt an die Förderung des Fuß- und Radverkehrs, der öffentlichen Verkehrsmittel Bus und Bahn, an Carsharing-Programme. Vor allem denkt man an Elektromobilität. Meistens ist solches Denken zweidimensional, haftet also auf der Oberfläche unserer Erde. Dabei findet ein beträchtlicher Teil des heutigen Verkehrs in der Luft statt. Nach Angaben des „International Transport Forum“ der OECD aus dem Jahr 2010 betrug damals der Beitrag des Luftverkehrs zur Belastung der Atmosphäre mit CO2 weltweit 2,5%; innerhalb des Gesamtbereichs Transport trug die Luftfahrt 11% der Emissionen bei. Und diese Zahlen waren rasch steigend. (1) „Klimakiller Flugzeug“ titelte die Zeitschrift des „Verkehrsclubs Deutschland“ nach der Pariser Klimakonferenz, deren eigentlich ermutigende Beschlüsse keinerlei Aussagen über Emissionen im Bereich der Luftfahrt beinhalteten. (2)

 

Stand der Debatte

 

Es ist deshalb naheliegend, sich mit der Klimarelevanz des Luftfahrt-Sektors zu beschäftigen. Eine Präsentation des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) aus dem Jahr 2012 zeigt, wie diese Debatte derzeit geführt wird. (3) Es wird von Effizienzsteigerungen gesprochen, von der Teilnahme des Luftverkehrs am Europäischen Emissionshandel, und von der Beimischung von bis zu 40 Prozent pflanzlicher Kraftstoffe zum Kerosin. Letztere werden irrigerweise als „nachhaltig erzeugte[.], CO2-arme[.] Kraftstoffe[.]“ bezeichnet. Zweierlei Maßnahmen zur CO2-Reduktion werden hingegen mit keinem Wort erwähnt:

1) Die Verringerung des Verkehrsaufkommens, vielmehr werden globale Steigerungsraten von jährlich über 5 Prozent als unhinterfragbar vorausgesetzt. Hier möchte ich nur darauf hinweisen, dass solche Entwicklungen keine Naturvorgänge sind, sondern Ergebnis politischen Handelns. Es würde sich also lohnen, darüber zu diskutieren, ob wir eigentlich mehr oder weniger Flugverkehr wünschen.

2) Alternative, CO2-freie Antriebe. Diesen soll sich der vorliegende Beitrag widmen.

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Aus der Studie des BDL: Man lobt sich als Klimaschutz-Vorreiter, verfehlt aber das klimapolitisch Notwendige. Quelle: Siehe Fußnote 3.

 

Das Klimaziel, das jener BDL-Präsentation zugrunde liegt, lautet: 50 Prozent weniger CO2-Ausstoß durch die Luftfahrt bis zum Jahr 2050. Diese Zahl bezieht sich auf die EU und auf das Basisjahr 2005. Es ist offensichtlich, dass dieses Ziel angesichts der Notwendigkeit einer vollständigen Dekarbonisierung der Weltwirtschaft völlig unzureichend ist: Im Jahr 2050 muss der CO2-Ausstoß auf Null zurückgefahren worden sein, wenn die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll. (4) Zudem zielt der Löwenanteil der angestrebten Reduktion auf die Verbrennung von Biomasse, also auf die Nutzung knapper Ressourcen, die dringend für andere Zwecke benötigt werden (Ernährung, stoffliche Nutzung zur Ersetzung der Erdöl-Chemie, nachhaltige Bindung von CO2 durch lebendige Wälder – energetische Biomasse-Nutzung kann deshalb keineswegs als CO2-neutral betrachtet werden). Hierdurch wird vollends klar, dass die Luftfahrt-Branche ganz andere Wege gehen muss, wenn sie unter dem Primat des Klimaschutzes überleben will. Ein „radical change“ – das ist es, was mit den Worten des Stuttgarter Flugzeugbau-Professors Andreas Strohmayer auf der Tagesordnung steht. (5)

Das aktuellste Statement zur Frage eines nachhaltigen Luftverkehrs – die von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und der Airbus-Group im Juni 2016 gemeinsam herausgegebene Publikation „Oben. Ihr Flugbegleiter“ (6) – bleibt jedoch ganz in der vom BDL vorgegebenen Bahn. Gleich im Editorial wird man eingestimmt: „Wer die Welt kennenlernen und am globalen Austausch teilnehmen möchte, kommt um das Fliegen nicht herum.“ (S.3) Die Anzahl der Flugreisen pro Jahr werde sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln; heute sind es 3,3 Milliarden. Die Entwicklung elektrischer und hybrider Antriebe wird diskutiert (S.16ff), doch liegt der Schwerpunkt der Dekarbonisierungs-Phantasie auf Bio-Kerosin, etwa aus Algen (S.9-13), und darüber hinaus etwa auf der Optimierung von Abläufen, der Ausdehnung des europäischen CO2-Zertifikatehandels auf die innereuropäische Luftfahrt, oder gar dem „Offsetting“, also Kompensationszahlungen für den CO2-Ausstoß, die an anderer Stelle CO2 einsparen oder binden sollen, etwa durch Aufforstung (S.40). Die Broschüre bietet einen guten Überblick über klimarelevante Aspekte der Luftfahrt, aber programmatisch springt sie zu kurz.

Zwar wird auch hier, mit der Begrifflichkeit der Innovationstheorie, über „radikale Innovationen“ sinniert (S.30f), aber der „radical change“, von dem Professor Strohmayer spricht, müsste umfassender sein. Eine Umwälzung des gesamten Luftverkehrssystems – eine Revolution also. Und passenderweise hören wir im Jahre 2016, dass eine solche Revolution – auf technischem Gebiet – vor der Tür steht. Im April fand am Bodensee die Luftfahrtmesse „Aero Friedrichshafen“ statt und als deren Bestandteil zum wiederholten Male die die „e-flight-expo“. Das „e“ soll dabei zugleich für „ecological, electrical, evolutionary“ stehen. Der für dieses Segment Zuständige Willi Tacke sprach in einer Pressemitteilung am 20.4. aber nicht mehr von Evolution, sondern von Revolution: „Beim Thema E-Flight ist der Knoten im letzten Jahr geplatzt. Die EU-Kommissarin hat uns im letzten Jahr auf der Messe besucht und sehr viel Zeit diesem Thema gewidmet. In diesem Jahr lassen fast alle großen Hersteller im Bereich General Aviation etwas aus dem Bereich E-Flight von sich hören. Das schafft Dynamik. Die E-Revolution kommt gerade.“ (7)

Es ist klar, dass diese E-Revolution sich nicht sogleich im Bereich der Verkehrsluftfahrt manifestiert, wo es um den Transport vieler Menschen oder großer Lasten über oft weite Strecken geht, sondern in kleiner skalierten Maschinen. Aber auch die Brüder Wright haben sich im Jahre 1903 wohl kaum Interkontinentalflüge mit mehr als 400 Passagieren vorgestellt. Es lohnt sich also gewiss, einen Blick auf die jetzige Revolution zu werfen.

Im vergangenen Jahr hatte ich – aus Anlass des Weltumfliegungsprojekts der „Solar Impulse 2“, das vom SFV unterstützt wird – in zwei Artikeln die Geschichte der Solarluftfahrt ausgelotet. Der erste Beitrag befasste sich mit dem aerodynamischen Fliegen (8), der zweite mit der aerostatischen Luftschifffahrt. (9) Den Pionieren der Solarflugzeugtechnik ist ganz klar, dass ein Antrieb mit On-board-Photovoltaik für den Langstreckentransport vieler Passagiere bzw. großer Frachtmengen nicht die Lösung sein kann, weil eben die Bestrahlungsstärke, welche die Sonne auf einen Quadratmeter Fläche in der Erdatmosphäre wirkt, nicht wesentlich über 1 kW hinausgehen kann. Abgesehen von direkten Nutzanwendungen der photovoltaischen Fliegerei in der Sportluftfahrt und sonstigen Nischen-Aufgaben haben diese Pioniertaten jedoch zwei wichtige Funktionen für eine Energiewende auch in der Luftfahrt: 1) Maschinen wie die „Solar Impulse 2“ können als Erprobungsträger, u.a. für die Effizienzsteigerung von Batterien und deren Zusammenspiel mit den Elektromotoren, gelten. 2) Zugleich wirken sie als Werbeträger für die Möglichkeit eines nachhaltigen technischen Fortschritts im Allgemeinen und einer Luftfahrt mit sauberen Antrieben im Speziellen. (10)

Welches könnten diese sauberen Antriebe sein? Eine Möglichkeit wäre, alternative Treibstoffe mit dem Power-to-Liquid-Verfahren zu gewinnen. (11) Aber wann können wir damit rechnen, dass dieses Verfahren so weit durchgesetzt ist, dass es nicht nur die Speicherfrage in der allgemeinen Stromversorgung löst, sondern auch noch den Treibstoff für den Weltluftverkehr zur Verfügung stellen kann? Außerdem stehen dem offensichtlichen Vorteil, den diese Option bietet – Anwendbarkeit auf heutige Flugzeuglayouts – auch die entsprechenden Nachteile gegenüber. Zum Beispiel ist dem Problem des Fluglärms auf diese Weise kaum beizukommen. Überdies gilt: Auch wenn bei Power-to-X-Verfahren ein echter Kohlenstoff-Kreislauf vorliegt, so wirken Treibhausgase in höheren Luftschichten doch wesentlich klimaschädlicher als in Bodennähe. (12)

Als die interessantere Option erscheint mir deshalb der Umstieg auf Elektromotoren, die entweder durch Brennstoffzellen oder durch Akkumulatoren – im Falle von Luftschiffen vielleicht auch durch Photovoltaik – mit Energie versorgt werden. Unter der Bedingung, dass die Stromproduktion am Boden mit Erneuerbaren Energiequellen geschieht, könnte Luftfahrt auf diese Weise emissionsfrei – und leise – betrieben werden.

Es gibt derzeit leider keine politischen Anreize dafür, diese Entwicklung zu beschleunigen. Im Gegenteil: Flugtreibstoff ist in Deutschland und den meisten anderen Staaten der Welt von jeder Besteuerung ausgenommen und somit hochsubventioniert. Grundlage hierfür ist das Chicagoer „Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt“ von 1944. Dessen Ziel war die Wiederankurbelung der Weltwirtschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Mir scheint, über 70 Jahre später ist die Weltwirtschaft hinreichend angekurbelt.

 

Technikhistorischer Exkurs

 

Die Geschichte der elektrifizierten Luftfahrt ist seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts fast identisch mit der Geschichte der photovoltaisch angetriebenen Elektro-Luftfahrt, über die ich in den früheren Texten bereits berichtet hatte. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass eine alleinige Energieversorgung aus Batterien lange Zeit zu indiskutablen Leistungs-Gewichts-Verhältnissen führte, die eine Verwendung in der Luftfahrt ausschlossen. Einige Meilensteine gibt es jedoch nachzutragen.

Tatsächlich fand die erste erfolgreiche gelenkte Luftfahrt der Geschichte mit einem Elektromotor statt. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts war der Elektromotor neben der Dampfmaschine das einzige verfügbare Antriebsmittel. In Frankreich bemühten sich Luftschiff-Konstrukteure, Elektroluftschiffe zum gelenkten Fliegen zu veranlassen. So konstruierten die Brüder Gaston und Albert Tissandier ein 28 Meter langes Luftschiff, das im Herbst 1883 nahe Paris seinen ersten Aufstieg hatte. Bei Windstille erzielten die Luftschiffer „eine gewisse Kontrolle“ durch Verwendung eines segelartigen Seitenruders, aber schon ein leichter Wind überforderte den schwachen Motor des Gefährts. Die Tissandiers hatten einen Siemens-Elektromotor eingebaut, der 1,5 PS (1,1 kW) leistete. Der Strom kam aus einer Reihe von 24 Kaliumdichromat-Batterien, die alleine eine Viertel-Tonne wogen.

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Das Luftschiff der Brüder Tissandier; dessen Gondel mit den Batterien und dem Siemens-Motor

 

Ein Jahr nach den Tissandiers waren die Konstrukteure Charles Renard und Arthur Krebs mit ihrem lenkbaren Luftschiff „La France“ am Start. Mit einer Länge von 50 Meter war die „La France“ wesentlich größer als das Tissandier‘sche Projekt. Krebs hatte einen multipolaren Elektromotor entwickelt, der 7,6 PS (5,6 kW) leistete. Eine Reihe von Chromchlorid-Batterien, welche Renard entwickelt hatte, lieferte den Strom; sie hatten ein Gewicht von 435 Kilogramm. Am 9. August 1884 stiegen die Aeronauten vom Militärgelände Chalais-Meudon bei Paris auf und lenkten das Gefährt auf einer Strecke von acht Kilometern Länge in 23 Minuten wieder bis zum Startplatz zurück. (13)

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"La France" im ersten Luftschiffhangar der Welt bei Chalet-Meudon.

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Der von Arthur Krebs entwickelte multipolare Elektromotor.

 

Die Erfolgsgeschichte der motorisierten Luftfahrt beginnt also mit einem elektrischen Antrieb. Ein Jahr später jedoch ließ Gottlieb Daimler sich seine Erfindung eines Benzinmotors patentieren. Aufgrund des wesentlich günstigeren Leistungsgewichts hat dieser Maschinentyp den Elektromotor in der Luftschifffahrt sofort vollständig verdrängt. Das ist einer der Ursachenfaktoren dafür, dass sich ein Jahrhundert lang bei der Entwicklung elektrischer Antriebsmaschinen für Fahrzeuge aller Art und bei der dazugehörenden Batterietechnik relativ wenig tat. Zwischen der „La France“ und dem nächsten bemannten Elektroflug liegen fast 90 Jahre.

Am 21. Oktober 1973 hob das erste bemannte Elektroflugzeug zu seinem Erstflug ab. Es handelte sich um einen umgebauten Motorsegler Brditschka HB-3 des österreichischen Flugzeugbauers H.W. Brditschka, dessen charakteristischer, in einem Rumpfausschnitt untergebrachter Schubpropeller nun von einem 10-kW-Bosch-Elektromotor angetrieben wurde. Der Umbau wurde von dem aus dem Modellflugzeugbau kommenden Fred Militky angeregt. Das umgebaute Flugzeug erhielt die Typenbezeichnung MB-E1.

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Die Militky-Brditschka MB-E1 auf der Internationalen Luftfahrtausstellung in Hannover 1974. Abb.: FlugRevue Nr.6, Juni 1974.

 

Die MB-E1 wurde bei der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) in Hannover 1974 gezeigt. In einem Zeitschriftenbericht über die ILA konnte man damals lesen: „Das erste elektrisch angetriebene Flugzeug, die MB-E1 […], war in Hannover ebenfalls zu sehen und bewies in der bisherigen Flugerprobung, daß der Elektroantrieb für Motorsegler nicht ganz so abwegig ist, wie es scheinen mag.“ (14) Nicht ganz so abwegig – diese Formulierung zeigt, mit welchen Absurditäts-Unterstellungen sich ein Elektroantrieb zu jener Zeit konfrontiert sah.

Militky hatte anlässlich des 11minütigen Erstflugs in der gleichen Zeitschrift darauf hingewiesen, dass der gewählte Flugzeugtyp und insbesondere die unverändert übernommene Luftschraube keineswegs auf die Verwendung des alternativen Antriebs hin optimiert worden seien, im Prinzip also noch große Performance-Reserven bestanden. Der Elektromotor als Antriebseinheit erschien ihm damals bereits fertig entwickelt, oder mit seinen Worten, „praktisch problemlos“. Die Achillesferse lag in der Leistungsdichte bzw. der spezifischen Energie der Batterien. In der MB-E1 war ein Batterie-Aggregat mit Nickel-Cadmium-Batterien der Firma Varta eingebaut worden. Die Nennkapazität der 120 Zellen betrug 25 Ah. „Auf die Verwendung von sehr teuren Akkumulatoren mit höchster Leistungsdichte, wie Silber-Zink-Batterien, wurde bewußt verzichtet.“ Militky gab für die Zukunft einen Ausblick, dass die „Leistungsdichte“ (eigentlich: die spezifische Energie) von Akkumulatoren demnächst auf 100 Wh/kg verdrei- bis -vierfacht werden könne. Das würde dann Operationszeiten von einer Stunde ermöglichen. (15) In den 70er Jahren scheint aber der MB-E1 die Schwalbe gewesen zu sein, die noch keinen elektrischen Sommer macht: Weder ging sie in Serienbau, noch fand sie Nachahmer. Die unmittelbar vor dem Erstflug ausgelöste erste Erdölkrise hatte die Frage nach alternativen Antrieben noch nicht nachhaltig auf die Tagesordnung gesetzt.

90 Jahre zwischen der „La France“ und der MB-E1; und danach weitere 40 Jahre, in denen wenig passierte auf dem Sektor der batteriegetriebenen elektrischen Fliegerei. Nachzutragen bleibt jedoch noch das erste in Serie gebaute Elektroflugzeug: der Motorsegler „Silent“ der Aachener Firma Air Energy. (16) Dieses für den Segelflug optimierte Flugzeug hatte mit dem aus dem Rumpf ausklappbaren und wieder einziehbaren Antriebssystem seinen Erstflug im August 1997, und zwei Jahre später lag die Zulassung der Behörden für die Serienproduktion vor. (17) Es ist aber offenbar nur eine einstellige Anzahl von Exemplaren gefertigt worden. Der 13 kW leistende Motor wurde zunächst von Nickel-Cadmium-Batterien mit Strom versorgt. Seit 2005 wurden diese durch Lithium-Polymer-Akkus ersetzt, womit die Leistung des Antriebs vervielfacht werden konnte.

Auch der „AE-1 Silent“ bewirkte in den 90er Jahren noch nicht den „Take-off“ der Entwicklung elektrischer Flugzeuge. Noch war die Klimarelevanz der Luftfahrt kein Thema, noch war die geringe Energiedichte der Batterien ein Handicap, und politische Anreize zur Entwicklung alternativer Antriebskonzepte fehlten.

 

Rekordflüge

 

Trotz der fortwährenden falschen Signale aus der Politik hat gerade das vergangene Jahr eine Reihe wichtiger Entwicklungsschritte auf dem Weg zu einer elektrischen Luftfahrt gezeitigt. Das viel beachtete Weltumrundungsprojekt des Solarflugzeugs „Solar Impulse 2“ muss dabei an erster Stelle genannt werden; denn zugleich zeigt es, zu welchen Spitzenleistungen Elektro-Ingenieure heute schon imstande sind – und zum anderen ist es das Hauptziel dieses Fluges, „saubere Techniken zu fördern“ („to promote clean technologies“) (18), es ist also ein Werbeträger für den notwendigen Wandel. Bertrand Piccard und seine MitstreiterInnen haben mit diesem bereits im Jahr 2003 gestarteten und seitdem beharrlich vorangetriebenen Projekt das Thema „saubere Luftfahrt“, wie auch das allgemeinere Thema „saubere Energie“ auf die globale Tagesordnung gesetzt. Spätestens bei der Etappe von Japan nach Hawaii, während der das Flugzeug fünf Tage und Nächte nonstop in der Luft war, wurde der Beweis erbracht, dass ein Flugzeug ohne Treibstoff länger in der Luft bleiben kann als mit. Inzwischen hat die Solar Impulse nach einer längeren Zwangspause auf Hawaii sieben weitere Etappen der Weltumrundung erfolgreich absolviert. Bei Veröffentlichung dieses Textes befindet sich das Rekordflugzeug über dem Mittelmeer, auf der vorletzten Etappe, zwischen Sevilla und Kairo.

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Nach der Landung in Sevilla am 23.6.2016: Die Solar Impulse 2 mit Teilen des Boden-Teams. © Solar Impulse / rezo.ch

 

Auch im Schatten dieses kühnen Projekts von Bertrand Piccard und André Borschberg passierte 2015 allerhand auf dem Sektor des Elektrofluges. Fast wie im Jahr 1909, als die Aeroplan-Pioniere um den Preis wetteiferten, der auf die erste motorisierte Überquerung des Ärmelkanals durch die Luft ausgesetzt war (Louis Blériot entschied diesen Wettkampf damals für sich), kam es im Sommer 2015 zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen um die erste elektrische Überfliegung des Kanals. Am 9. Juli überflog Hugues Duval mit seinem von zwei Elektromotoren angetriebenen Mikroflugzeug „CriCri“ als erster das Gewässer; einen Tag später folgte Didier Esteyne in einem „E-Fan“ von Airbus. Duval hatte von den Airbus-Plänen erfahren und seinen eigenen Flug symbolträchtig auf den Tag davor gelegt. Der Elektro CriCri war zunächst von einem Trägerflugzeug vom Typ Broussard „huckepack“ bis an die Küste bei Dover geflogen und dort ausgeklinkt worden. Die „Broussard“ ist ein mit einem Kolbenmotor angetriebenes französisches Mehrzweckflugzeug aus den 50er Jahren. – Erstüberquerung mit Elektroantrieb waren aber beide Flüge nicht (obwohl dies teilweise fälschlich behauptet wird): Wie bei früherer Gelegenheit berichtet (19), geschah dieses bereits im Jahr 1981, als die von Paul MacCready gebaute „Solar Challenger“ von Frankreich nach England flog; Stephen Ptacek saß damals am Steuer. Die Antriebsquelle der „Solar Challenger“ bestand ausschließlich aus Photovoltaik-Zellen, so dass CriCri und E-Fan sich um das Verdienst streiten können, wer zuerst mit Batteriekraft über den Kanal geflogen ist.

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CriCri: Das kleinste zweimotorige Flugzeug der Welt mit 0% CO2-Ausstoß. CC BY-SA 3.0, Anubis2202

 

Ähnlich prestigeträchtig ist die Alpenüberquerung, die im Sommer 2015 ebenfalls zweimal kurz hintereinander bewältigt wurde: Zuerst durch Calin Gologan in seiner „Elektra Solar One“ am 25. Juni (Rückflug 2. Juli), dann am 7. Juli durch Klaus Ohlmann mit dem Zweisitzer „e-Genius“. Auch hier gibt es freilich einen solarbetriebenen Vorläufer: Schon 2009 war Eric Raymond mit seinem „Sunseeker II“ von Zürich aus über die Alpen bis nach Turin geflogen. (20) Auch dies hatten wir bereits berichtet.

Obwohl die symbolträchtigen Strecken in Wahrheit nicht zum ersten Mal elektrisch bewältigt wurden, haben die genannten Flüge, auch wegen des Wettbewerbscharakters, Schlagzeilen gemacht und dadurch mit dafür gesorgt, dass das Thema des sauberen Fliegens auf die Agenda der Luftfahrt-Community gesetzt wurde.

 

Der E-Fan von Airbus

 

Es ist vielsagend, dass sich mit der Airbus Group Innovations ein Konzern dem Thema der Elektroflugzeuge zugewandt hat, dessen Geschäftsmodell überwiegend aus dem Bau großer Verkehrsflugzeuge besteht. Mit dem „E-Fan“ hat Airbus ein Modell vorgestellt, das offiziell der Pilotenausbildung dienen soll, in erster Linie wohl aber als Erprobungsträger für die neuen elektrischen Antriebssysteme fungiert. Der E-Fan hat zwei Mantelpropeller (engl: „fans“) beidseits des hinteren Rumpfs, die dem Flugzeug das Aussehen eines kleinen Jets verleihen. Mit der Ummantelung der Luftschrauben können die Schubverluste an den Propellerblattspitzen und damit zugleich auch die Geräuschentwicklung reduziert werden. Diese Fans werden von jeweils einem Elektromotor mit 30 kW Leistung angetrieben. In den Tragflächen sind die Lithium-Ionen-Akkus untergebracht, welche die Motoren mit Energie versorgen. Ein kleiner Elektromotor (6 kW) treibt überdies beim Start das Hauptfahrwerk an und übernimmt die Aufgabe der Beschleunigung, von der die Propeller dadurch entlastet werden. (21)

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Airbus E-Fan im Flug. Bild: CC BY-SA 2.0, Bernd Sieker.

 

Die Maschine ist als Zweisitzer ausgelegt. Airbus strebt eine Serienfertigung dieses Typs ab dem Jahr 2017 an. Später soll eine größere, viersitzige Version hinzukommen, für die ein Hybridantrieb vorgesehen ist: Ein kerosingetriebener Generator soll die Triebwerke mit weiterer Elektrizität versorgen und die Reichweite des Flugzeugs so annähernd verdoppeln.

Innerhalb der nächsten 15 bis 30 Jahre will Airbus ein 90sitziges Verkehrsflugzeug entwickeln, das mit Elektromotoren angetrieben wird. Zu diesem Zweck hat Airbus eine Kooperation mit dem Elektrokonzern Siemens vereinbart. Siemens engagiert sich heute intensiv bei der Entwicklung elektrischer Flugantriebe (22) und knüpft damit an den Beitrag zur Pionierleistung der Brüder Tissandier im Jahr 1883 an.

 

Drehflügler: Dezentralität als Konstruktionsprinzip

 

Der E-Fan besitzt ein relativ konventionelles Design. Auch die auffälligen Mantelpropeller sind schon öfters in Fluggeräten mit Verbrennungsmotoren eingesetzt worden. Man kann ein Elektroflugzeug selbstredend genauso aussehen lassen wie ein herkömmliches Flugzeug. Man muss es aber nicht. Elektromotoren lassen sich beliebig skalieren und an Stellen des Flugzeugs montieren, an denen die Installation von Verbrennungsmotoren undenkbar wäre. Daraus ergeben sich konstruktive Freiheiten, die eine neue Phase der Aerodynamik einleiten könnten. Der Luftwiderstand des Fluggeräts kann im Vergleich mit herkömmlichen Modellen verringert werden, und die Effizienz des Antriebssystems lässt sich steigern.

Fluggeräte mit vielen (mehr als vier) Triebwerken waren bisher immer gigantische Maschinen. Dieser Zusammenhang löst sich jetzt auf. Gerade im Bereich der Drehflügler scheint bei einer Elektrifizierung ein Trend in Richtung vieler Motoren und ebensovieler Rotoren zu gehen. Die Entwicklung der Drehflügel-Drohnen (Quadrocopter, Octocopter usw.) wird dabei auf die bemannte Luftfahrt zurückübertragen. Ein schönes Beispiel hierfür ist der zweisitzige „Volocopter“ der Karlsruher Firma e-volo, der von 18 Elektromotoren angetrieben wird. Am 30. März 2016 ist dieses Fluggerät in Karlsruhe erstmals bemannt geflogen. (23)

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Der "Volocopter" auf der diesjährigen "e-flight-expo". © AERO Friedrichshafen.



Aus der Produktion unbemannter Quadcopter-Drohnen abgeleitet ist auch das Projekt eines Lufttaxis, das die chinesische Firma Ehang vorgestellt hat: Der Ehang 184 AAV. Das Kürzel AAV steht für „Autonomous Aerial Vehicle“. Eine Kabine, in der eine Person Platz hat, ist unten mit vier Auslegern versehen, an deren Enden jeweils zwei koaxial angeordnete Rotoren liegen. Der Fahrgast soll dieses Gerät mit seinem Smartphone steuern, indem er nur das gewünschte Ziel eingibt, das dann von dem Fluggerät autonom angesteuert wird. Die Batterien erlauben eine Flugzeit von 23 Minuten bei einer Reisegeschwindigkeit von 100 km/h. (24)

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Joby S2 im Flug und am Boden. Abb. mit freundlicher Genehmigung von Joby Aviation.

 

Ein weiteres interessantes Mehrmotoren-Projekt ist der Zweisitzer S2 der US-amerikanischen Firma Joby Aviation. Dieser noch im Projektstadium befindliche Senkrechtstarter soll mit zwölf Hubrotoren ausgestattet werden, die das Gefährt in die Luft heben. Im Reiseflug soll es von vier weiteren Triebwerken, die Schubpropeller antreiben, auf 300 km/h gebracht werden, während die Rotoren in aerodynamisch optimierten Motorverkleidungen verschwinden. Von der Firma Joby ist auch angedacht, die Rotoren einer geparkten S2 in den Wind zu drehen und über die zu Generatoren umfunktionalisierten Elektromotoren zum Aufladen der Lithium-Nickel-Mangan-Oxid-Akkus zu verwenden. (25)

Der S2 erinnert an das von der NASA entwickelte Konzept GL-10, dessen zehn Elektromotoren mitsamt der Tragfläche bzw. dem Höhenleitwerk, unter denen sie montiert sind, in die Senkrechte gekippt werden können, um senkrechte Starts und Landungen oder ein stationäres Verharren in der Luft zu ermöglichen. Das unbemannte Flugzeug, von dem ein verkleinertes Modell bereits geflogen ist, soll bei 6 Meter Spannweite einen Hybridantrieb mit einem 6-PS-Dieselgenerator aufweisen, der ein Verharren in der Hover-Position für die Dauer von bis zu 24 Stunden ermöglichen soll. (26)

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Der zehnmotorige "geölte Blitz" der NASA: Greased Lightning GL-10.

 

Einen Erstflug erlebte im Sommer 2015 noch ein weiterer Drehflügler: der Autogiro „E-Cavalon“, die elektrische Variante des „Cavalon“ der in Hildesheim ansässigen Firma AutoGyro. Dieser auch Tragschrauber genannte Flugzeugtyp erhält seinen Auftrieb durch einen Rotor wie ein Helikopter; jedoch wird der Rotor durch den Fahrtwind angetrieben und nicht durch das Triebwerk; letzteres dreht einen Propeller zwecks Vortrieb, wie bei einem Tragflächenflugzeug. Der E-Cavalon erreicht bisher eine Flugdauer von 45 Minuten. Die Batterien stammen – wie auch die der „Solar Impulse“ – von Air Energy aus Aachen. Sie sind hier in einer Schnellwechselbox eingebaut, die sowohl im täglichen Betrieb einen raschen Neustart durch Batteriewechsel ermöglichen soll, als auch die rasche Adaption verbesserter Batteriemodelle entsprechend dem technischen Fortschritt auf diesem Gebiet. (27)

Drehflügler benötigen mehr Energie als Tragflächenflugzeuge, um eine bestimmte Transportmasse über eine bestimmte Distanz zu transportieren. Deshalb ist es erstaunlich, dass gerade auf diesem Sektor so viele Projekte der Elektromobilität entwickelt werden. Bei Autogiros wie dem E-Cavalon mag immerhin neben den ökologischen Gründen, die der Chef der Herstellerfirma, Otmar Birkner, ins Feld führt (CO2-Fußabdruck sowie Lärmbelästigung), noch ein funktionaler Vorteil erwähnt werden: Tragschrauber werden gerne auch zur Aufnahme von Luftbildern verwendet, welche in der Qualität deutliche Verbesserungen erfahren könnten, wenn die Vibrationen eines Verbrennungsmotors fehlen. Der 80-kW-Motor des E-Cavalon ist ein SMG 180 von Bosch, der bereits in der Verwendung auf der Straße etabliert ist. Bosch ist nach Siemens der zweite deutsche Konzern, der in das Geschäft mit der Elektro-Luftfahrt einsteigt.

 

Wie weiter?

 

Auf der „e-flight-expo“ in Friedrichshafen konnten im April 2016 auch die Ergebnisse der Kooperation von Siemens mit diversen Flugzeugherstellern begutachtet werden. So wurde ein in Zusammenarbeit mit dem slowenischen Flugzeugbauer Pipistrel sowie den Universitäten Maribor und Pisa entwickeltes Hybrid-Triebwerk für kleinere Propellerflugzeuge vorgestellt, der „Hypstair“, dessen Herzstück ein neuartiger Siemens-Elektromotor ist. Ferner eine Kooperation mit dem nordrhein-westfälischen Unternehmen Extra Flugzeugproduktions GmbH zur Erprobung des elektrisch angetriebenen Kunstflugzeugs vom Typ Extra 330. (28)

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Das „Hypstair“-Triebwerk auf der „e-flight-expo“ 2016. © AERO Friedrichshafen.

 

Die geschilderten Beispiele sind nicht erschöpfend, und sie sind stärker auf die Entwicklung in Deutschland fixiert, als der Sache gerecht wäre. Wichtige internationale Akteure wie die chinesischen Konstrukteure der Firma Yuneec müssten erwähnt werden, um das Bild zu vervollständigen. (29) Aber das Gesagte mag ausreichen, um den Eindruck zu vermitteln, dass wir es mit einer Technik zu tun haben, die sozusagen in den Startlöchern steht und auf den politischen Startschuss wartet, um ihren wirtschaftlichen Take-off zu erleben.

Das technische Nadelöhr bei der Weiterentwicklung der elektrischen Luftfahrt stellt zweifellos die Energieversorgung dar. Die gewichtsbezogene Energiedichte von Kerosin ist ca. 50 mal größer als die von Lithium-Ionen-Akkus. (30) Durch den deutlich besseren Wirkungsgrad von Elektromotoren wird dieses Verhältnis zugunsten des elektrischen Antriebssystems verschoben; es ist aber klar, dass sich auf dem Sektor der Energiespeicherforschung noch viel tun muss, bevor elektrische Antriebe in der Luftfahrt technisch als ebenbürtig gelten können. Neben den verschiedenen Batteriesystemen bietet sich hier womöglich auch die Brennstoffzellen-Technik an, die über eine deutlich günstigere Energiedichte verfügt. Erste Flugzeuge mit Brennstoffzellenantrieb sind bereits geflogen, z.B. die „Antares 20E“ des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Hier handelt es sich um den Umbau eines Elektro-Motorseglers der Firma „Lange Aviation“ in Zweibrücken, der normalerweise mit Lithium-Ionen-Akkus betrieben wird und in der Konfiguration dem oben erwähnten „Silent“ entspricht. Der für die elektrochemischen Prozesse benötigte Wasserstoff wurde in großen Tanks unter den Tragflächen mitgeführt. Dieses Flugzeug unternahm am 7. Juli 2009 den weltweit ersten vom Start bis zur Landung ausschließlich mit Brennstoffzellen angetriebenen Elektroflug. (31)

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Der Antares 20E der DLR mit Wasserstofftanks unter der Tragfläche. Foto: CC BY-SA 3.0, Wo st 01.

 

Aufgrund dieser Erfahrungen entwickelt das DLR zur Zeit das Projekt eines viersitzigen Brennstoffzellen-Batterie-Flugzeugs, das eine elegante Doppelrumpf-Konstellation aufweisen soll. Der Erstflug dieses HY4 ist für diesen Sommer in Stuttgart geplant. (32) Bei der DLR hält man, wie der zuständige Experte Josef Kallo Anfang des Jahrs ausführte, „Antriebskonzepte für ein Regionalflugzeug mit bis zu 40 Sitzen und einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern“ für „durchaus machbar“. (33)

Denkbar sind künftig also auch Kombinationen aus Brennstoffzellen und Batterien, möglicherweise auch photovoltaischen Elementen. Solche Kombinationen erwägt z.B. die Billigfluglinie easyjet für eine künftige elektrische Antriebslösung für das Rollfeld. Wenn man die Strahltriebwerke der Flugzeuge von diesem „taxiing“ entlastet, ergeben sich bereits beträchtliche CO2-Emissionsverbesserungen. Die Fahrwerke der easyjet-Maschinen, die mit einem solchen Elektroantrieb versehen werden sollen (und die im Übrigen konventionelle Jets sind), werden von einem „Photovoltaik-Element“ und einer Wasserstoff-Brennstoffzelle angetrieben werden. Es ist auch an eine Rekuperation der Energie beim Landen (ähnlich wie bei bremsenden E-Autos) gedacht; die so gewonnene Energie wird in einem Akku gespeichert. Das als einziges ‚Abfallprodukt‘ der Brennstoffzelle anfallende Wasser kann sogar an Bord als Trinkwasser verwendet werden, ähnlich wie bei Brennstoffzellen-Lösungen in der Raumfahrt. (34)

Derartige Hybrid-Lösungen sind durchaus zu begrüßen, weil sie als Türöffner für elektrische Lösungen in der Passagierluftfahrt dienen können. Dies gilt auch für die bereits erwähnten eigentlichen Hybrid-Antriebssysteme mit Strahltriebwerken oder Dieselgeneratoren, u.a. bei der oben erwähnte Airbus-Siemens-Kooperation. Das Ziel muss freilich ein emissionsfreies Fliegen sein, für das es ehrgeizige Zeitplanungen braucht. Wir können ohne weiteres auf eine Emissionsreduktion von nahezu 100% im Jahre 2050 zusteuern statt auf die zaghaften 50% des BDL. Etwa im Sinne der Ausführungen der Autoren Philippe Welter und Jochen Siemer, die mit technisch reifen elektrischen Kurz- und Mittelstrecken-Passagierflugzeugen für das Jahr 2040 rechnen – auf der Basis von Lithium-Luft-Akkus, mit deren Anwendbarkeit die Luftfahrt-Branche innerhalb von 20 Jahren rechnet. Interkontinentalflüge müssten dann noch mit dem Kompromiss leben, Treibstoff aus Power-to-X-Verfahren zu verbrennen, vielleicht aber auch in Gestalt von Wasserstoff in Brennstoffzellen zur Reaktion zu bringen. (35)

In Luftfahrt-Thinktanks wie dem bei München ansässigen „Bauhaus Luftfahrt“ entstehen Konzepte für die elektrischen Verkehrsflugzeuge von morgen. Der „CE-Liner“ z.B., der 2012 auf der Internationalen Luftfahrtausstellung in Berlin vorgestellt wurde, zeigt sich nicht nur im Hinblick auf die Antriebstechnik innovativ, sondern überrascht auch durch eine neue Tragflächenkonfiguration, die durch die Verwendung neuer Werkstoffe möglich werden soll und zugleich eine aerodynamische Optimierung und eine Reduzierung des Platzbedarfs am Boden bewirkt. Die Lithium-Ionen-Batterien sollen in standardisierten Containern untergebracht werden, welche nach der Landung gegen Container mit voll beladenen Batterien ausgetauscht werden. Der CE-Liner ist für 189 Sitzplätze konzipiert und könnte bei seiner Markteinführung im Jahr 2035 eine Reichweite von 900 nm (1667 km) haben; damit ließen sich 79% aller Flugbewegungen realisieren. (36)

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Der „CE-Liner“ des Bauhaus Luftfahrt. © Bauhaus Luftfahrt e.V.

 

Wenn man beobachtet, wieviel sich in der Forschung und Entwicklung hinsichtlich einer elektrifizierten Luftfahrt tut, dann erscheint es besonders befremdlich, wie wenig die politischen Instanzen bereit sind, diese Entwicklung zu unterstützen. Hier geht es mir nicht um Forschungsgelder. Es sind ohnedies aus Gründen des Klimaschutzes politische Maßnahmen dringend erforderlich, welche die Emission von Treibhausgasen in der Luft sanktionieren. Eine allgemeine CO2-Steuer, die in allen Wirtschaftssektoren so hilfreich wirken würde, wäre in der Luftfahrt – nach der längst überfälligen Abschaffung der Steuerbefreiung auf Kerosin – besonders wichtig. Sie würde den Passagierluftverkehr nicht zum Erliegen bringen. Bei einem Preis vom 80 Euro je Tonne CO2-Äquivalent, so rechnet der „fairkehr“-Autor Benjamin Kühne vor, würde sich ein Flugticket von Frankfurt nach New York um etwa 120 Dollar verteuern. Eine solche Entwicklung würde sowohl Anreize schaffen, etwas weniger zu fliegen, als auch emissionsfreie Antriebe konkurrenzfähiger machen. Es wäre ein Aufputschmittel für die ohnehin unausweichliche technische Entwicklung.

Die bisher brauchbarste Studie zur Luftfahrtentwicklung unter Klimaschutz-Aspekten fordert denn auch genau dies. Es handelt sich um das „NGO-Luftverkehrskonzept“, das im Jahr 2015 von einer Reihe deutscher Nichtregierungsorganisationen herausgegeben wurde, um Einfluss auf die derzeit laufende Entwicklung eines entsprechenden Konzepts der Bundesregierung zu nehmen. (37) In dieser Studie wird eine „Politik für eine Internalisierung externer Effekte“ angeregt. Gefordert wird „die Einführung einer Klimaabgabe auf CO2-Äquivalente, die von 10 USD je Tonne in 2020 auf 80 USD je Tonne CO2 ansteigt“. Den Konzepten der Luftfahrtbranche für ein „carbon neutral growth“ wird eine Absage erteilt; denn die Kompensationszahlungen des „Offsetting“ ändern am Himmel gar nichts und sind betrugsanfällig, und der „Einsatz von Kerosin aus Anbaubiomasse, Reststoffen oder Mikroalgen“ könne nicht auf die „Nicht-CO2-Wirkungen“ des Fliegens mit Verbrennungsmotoren antworten (u.a. Kondensstreifen- und Cirren-Bildung am Himmel). Dass die Verwendung von Biomasse-Kerosin ohnedies nicht CO2-neutral genannt werden könnte (38) (umso weniger, als Kohlenstoff-Frachten von der Erde in höhere Atmosphärenschichten verschoben werden), wird nicht eigens erwähnt; aber die Ablehnung dieses Lösungsweges ist dennoch erfreulich.

Interessanterweise wird die Möglichkeit emissionsfreier, also elektrischer Antriebe in der Luftfahrt in dem etwa 50-seitigen Konzept der NGOs mit keinem Wort erwähnt. Dass sie trotzdem zu dem auch hierfür notwendigen Instrument einer Internalisierung der Klimakosten kommen, beweist, wie umfassend und vielseitig positiv dieses Instrument wirken könnte. Es ist die Entscheidung von Politikern, diesen Schritt zu tun oder zu unterlassen. Unterlassen sie ihn, vergehen sie sich an der Zukunft unseres Planeten – und wohl auch endgültig an Otto Lilienthals Traum, dass die Fliegetechnik „länderverbindend und völkerversöhnend wirken“ sollte. (39)

 

Quellennachweise und Anmerkungen

 

1 International Transport Forum: Transport Greenhouse Gas Emissions. Country Data 2010. www.internationaltransportforum.org

2 Benjamin Kühne: Klimakiller Flugzeug. In: fairkehr Nr. 1/2016 (Februar/März).

3 Uta Maria Pfeiffer: Energieeffizienz und Klimaschutz im Luftverkehr – Was haben wir erreicht, was ist noch zu tun? Folienpräsentation, Berlin, 20. Juni 2012. www.bdl.aero

4 www.nature.com

5 Z.n. Verena Kern: Neues Fliegen. Ingenieure werkeln an Jets mit klimafreundlichem elektrischen Antrieb. In: Frankfurter Rundschau, 10.3.2016. S.28.

6 Heinrich-Böll-Stiftung und Airbus Group (Hrsg.): Oben. Ihr Flugbegleiter. 1. Auflage, Mai 2016.

7 Pressemitteilung der „Aero Friedrichshafen“ vom 20.4.2016. www.aero-expo.com

8 Rüdiger Haude: Geschichte der Solarluftfahrt. „Flieger, grüß mir die Sonne!“ In: Solarbrief 1/2015. S.26-29. www.sfv.de

9 Rüdiger Haude: Fliegen mit Solarluftschiffen. Geschichte und Perspektiven. In: Solarbrief 2/2015. S.40-44. www.sfv.de

10 Vgl. Rüdiger Haude: Solar Impulse 2. Kritiker liefern nur Binsenweisheiten. In: Solarbrief 2/2015. S.45. www.sfv.de

11 Vgl. Verena Kern (wie Anm. 5).

12 Vgl. Eberhard Schröder: Treibhausgase gegen Luftschadstoffe: „Da die Schadstoffe aus den Verbrennungsgasen fast ausnahmslos in die höheren Luftschichten eingetragen werden, erhöht sich deren klimabeeinflussende Wirkung nach heutigen Schätzungen um das Drei- bis Fünffache gegenüber dem Vorhandensein in unteren Schichten der Atmosphäre.“ Das gilt besonders für die sogenannten Nicht-CO2-Schadstoffe, z.B. Stickoxide und nicht zuletzt Wasserdampf, der über die Bildung von Kondensstreifen und Cirrus-Wolken Klimaeffekte hervorruft. Vgl. auch NGO-Luftverkehrskonzept. Schritte zu einem zukunftsfähigen und umweltverträglichen Luftverkehr in Deutschland. Juli 2015. www.bund.net S.30.
Darüber hinaus gibt es das Problem längerer Verweildauer: "Aufgrund der Höhe, in der der Ausstoß stattfindet, können die Schadstoffe nicht durch Pflanzen aufgenommen oder durch Niederschläge ausgewaschen werden." de.wikipedia.org, s.v. "Ökologische Auswirkungen des Luftverkehrs"

13 Don Dwiggins: The Complete Book of Airships – Dirigibles, Blimps & Hot Air Balloons. Blue Ridge Summit, PA, 1980. S.36-41. – Zur „La France“ vgl. auch en.wikipedia.org, s.v. “La France (airship)”

14 Hannover 1974. In: Flug Revue Nr.6, Juni 1974. S.14-21, hier: S.21.

15 Hans Dieter Heck, Fred Militky und Peter Ludwig: MB-E1: Das erste Elektro-Flugzeug. In: Flug Revue Nr. 2, Februar 1974. S.48, 52.

16 Vgl. das Interview des Autors mit dem Geschäftsführer von Air Energy, Stefan Gehrmann: „Wir sind dafür da, dass man überhaupt loslegen kann“. In: Solarbrief 1/2015, S.29-33. www.sfv.de

17 Gerhard Marzinzik: Ein UL für viel Segelflugvergnügen. In aerokurier 8/1999, S.60-64.

18 www.solarimpulse.com

19 Rüdiger Haude (wie Anm. 8). S.27.

20 Werner Pfändler und Willi Tacke: Elektrisierender Sommer. e-flight im Rekordfieber. In: Flügel, Nr. 134 (4/2015). S.44-47.

21 de.wikipedia.org, s.v. "Airbus E-Fan", www.airbusgroup.com

22 www.ingenieur.de; www.golem.de

23 Aerokurier, 7.4.2016: Volocopter fliegt erstmals bemannt. www.aerokurier.de

24 www.golem.de

25 Flügel Nr.137 (1/2016), S.52f.

26 Flügel Nr.134 (4/2015), S.50; en.wikipedia.org, s.v. "NASA GL-10 Greased Lightning"

27 Willi Tacke: Elektrischer Gyro hebt ab! In: Flügel Nr.134 (4/2015), S.48f.

28 Pressemitteilung der Aero Friedrichshafen, 19.4.2016: Sparsame und schnelle Flugzeuge sind auf der AERO am Start, www.aero-expo.com

29 Einen umfassenderen Überblick vermittelt die Seite en.wikipedia.org, s.v. "Electric Aircraft". Vgl. auch Klaus L. Schulte: Elektroflug. Technologie, Geschichte, Zukunft. Köln 2014. S.129-246.

30 Kerosin: 11,11 kWh/kg, vgl. de.wikipedia.org, s.v. "Kerosin"; Lithium-Ionen-Akku: bis zu 0,2 kWh/kg, vgl. de.wikipedia.org, s.v. "Energiedichte"

31 de.wikipedia.org, s.v. "Brennstoffzelle"

32 www.dlr.de

33 Elektrisch Fliegen: Wo die Herausforderungen in der Luftfahrt liegen. IWR Online – Das Nachrichten- und Branchenportal der Regenerativen Energiewirtschaft, 22.2.2016. www.iwr.de

34 www.pressetext.com

35 Philippe Welter, Jochen Siemer: Alles elektrisch – auch in der Luft. Große Passagiermaschinen mit Elektroantrieb sind eine Vision, aber keine Utopie. In: Photon, August 2014. S.24-29.

36 www.bauhaus-luftfahrt.net

37 NGO-Luftverkehrskonzept (wie Anm. 12). Herausgeber sind die Organisationen Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Brot für die Welt, Bundesvereinigung gegen Fluglärm, Deutscher Naturschutzring, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Klima-Allianz Deutschland, Robin Wood und der Verkehrsclub Deutschland (VCD).

38 Vgl. Wolf von Fabeck: Energetische Nutzung von Biomasse erhöht den CO2-Gehalt der Atmosphäre (Folienvortrag)

39 Z.n. Rüdiger Haude: Grenzflüge. Politische Symbolik der Luftfahrt vor dem Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Aachen. Köln: Böhlau 2007. S.202.