Zurück in die Zukunft, R4!


Mein Renault-4-Umbau zum E-Typ – ein Erfahrungsbericht

 

Vor 11 Jahren wurde aus einer Schnapsidee eine Menge Arbeit: Ich begann mit der Restauration eines Renault 4, bzw. der Überreste dieses Fahrzeugs, Baujahr 1966. Aber schon während der damaligen Restauration wurde mir klar, dass in diesem Fahrzeug das Potenzial für ein rein elektrisches Auto mit höchster Effizienz steckt! Extrem niedriges Gewicht (650 kg ohne Fahrer), kleine schmale Räder, keine Servolenkung, keine Bremskraftverstärkung oder andere Technikspielereien, und gute räumliche Gegebenheiten für den Einbau der Elektrokomponenten, um die wichtigsten zu nennen. Die Idee für eine künftige Metamorphose war geboren. Damals war aber auch klar, dass die Umsetzung keine Eile hatte. Schließlich waren die zu dieser Zeit verfügbaren Komponenten, insbesondere die Akkus, wegen zu geringer Leistungsdichte zu groß, zu schwer und zu teuer, so dass ich das Thema aufmerksam, aber ohne Zeitdruck verfolgte.


Ein Umbau ohne Kompromisse


Für die Umrüstung definierte ich in der Zwischenzeit eigene Vorgaben, bei denen ich an gewissen Stellen keine Kompromisse zulassen wollte. Der Nutzwert des R 4 und die originale Optik sollten möglichst komplett erhalten werden. Beim Nutzwert ging es darum, weder Sitzplätze noch Kofferraumvolumen zu opfern. Bei der Optik ging es zum Beispiel darum, das charmant spartanische 60er-Jahre-Cockpit von neuzeitlichen Bedienelementen, z.B. Displays, zu verschonen. Letztendlich steht nun das nützliche Display nach Öffnen des transformierten Aschenbechers zur Verfügung. Außerdem wollte ich das Fahrzeuggewicht so wenig wie möglich erhöhen und die Gewichtsverteilung des Fahrzeugs beibehalten.
Das einzige Zugeständnis blieb die verringerte Reichweite gegenüber dem Benziner, weil auch die aktuelle Akkutechnik eine begrenzte Energiedichte hat. Dies bedeutete allerdings für den von mir geplanten Einsatz als Nahverkehrsmittel keinerlei Einschränkung. Die technisch plausible und für unseren Alltag erforderliche Reichweite mit einer Akkuladung setzte ich mit 100 bis 150 km an.


Nachdem sich insbesondere die Akku-Technologie in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt hatte und ich im Sommer 2020 mittlerweile Kontakte zu Lieferanten von E-Komponenten geknüpft hatte, war der Anlass zum Auftakt des Umbauprojekts die glückliche Beschaffung einiger wichtiger Gebrauchtkomponenten wie Ladegerät und Motorcontroller. Nun konnte ich anfangen, die noch nicht vorhandenen Hauptkomponenten (Motor, Traktionsakku), abgestimmt auf meine Fahrzeug-gegebenheiten, die mittlerweile vorhandenen Erkenntnisse zur Auslegung eines Elektroantriebs sowie den vorhandenen Controller, auszuwählen.
Es dauerte noch bis ins Frühjahr 2021, bis ich die entscheidenden Komponenten Motor und Traktionsakku schließlich in meinem Keller liegen hatte. Ich habe drei Akkumodule des BMW i3 mit insgesamt 15,8 kWh und einen Permanentmagnetsynchronmotor des Aachener Herstellers Engiro mit einer Nennleistung von 16 kW gekauft, beides High-End-Komponenten, bei denen ich auf hohe Effizienz hoffte.

Abb 1 — Der Antriebsstrang mit E-Motor hält Einzug in den R4 • 

Abb 2 — Im fertigen Motorraum ist der Antriebsstrang ganz unten versteckt.Akku und Leistungselektronik liegen darüber • 

Der Umbau - Technik und Komponenten


Gute Eckdaten waren hier neben dem Motorgewicht von 30 kg das Gewicht der drei Akkumodule mit je 30 kg und deren sehr gut passende Abmessungen, um sie z.B. anstelle des früheren Benzintanks unterbringen zu können, bzw. ein Modul zum Gewichtsausgleich im Motorraum. Auch die elektrische Abstimmung der Komponenten war optimal: die drei Akkumodule erreichen eine Systemspannung von rund 140 Volt, was optimal zum Arbeitsbereich von Motor und Controller passt.


Grundsätzlich ist es technisch sinnvoll, eine möglichst hohe Systemspannung zu realisieren, die allerdings im Nachrüstungssektor aufgrund ausschließlich verfügbarer Komponenten auf rund 150 Volt begrenzt ist. Einen Antrieb auf Kleinspannung auszulegen, um Sicherheitsvorschriften für Hochvoltanlagen zu umgehen, rächt sich im Betrieb durch vergleichsweise ineffizienten Betrieb bei ungünstig hohen Strömen, die wiederum hohe Leiterquerschnitte erfordern und Schaltkomponenten stark belasten.


Vor dem eigentlichen Fahrzeugumbau habe ich das letzte Jahr damit verbracht, die Verteilung der Komponenten möglichst konkret zu planen und den elektrischen Bereich komplett provisorisch zuhause aufzubauen und Grundfunktionen zu testen (Motorbetrieb, Laden, Elektrische Heizung...). Außerdem habe ich die mechanische Verbindung von neuem Motor und originalem Getriebe des R 4 (ich hatte ein Reservegetriebe zur Verfügung) komplett neu gebaut. Der Einsatz des bisherigen Schaltgetriebes bringt neben dem Erhalt des Fahrzeugcharakters auch technische Vorteile: die gewohnte Schaltung des Rückwärtsgangs mit Geschwindigkeitsbegrenzung, die einfache Entkopplung des E-Motors im Notfall durch Auskuppeln und in meinem Fall die Nutzung von zwei Vorwärtsgängen. Sie kombiniert Automatikfahren (im Stadtverkehr erster Gang bis 70 km/h, danach einmal Hochschalten in Schaltwagenmanier) mit optimierter Effizienz des E-Motors. Auch er profitiert von einer kleineren Übersetzung beim Anfahren und zieht dann weniger Strom. Nebenbei beschleunigt er noch rasanter.


Nach Fertigstellung vieler Komponenten habe ich im März dieses Jahres den Umbau am Fahrzeug begonnen und nach drei Monaten erfolgreich abgeschlossen. (Den Umbau habe ich nebenbei gesagt mangels Werkstatt komplett draußen auf unserem Garagenhof durchgeführt. Dabei hat das Wetter zum Glück mitgespielt.) Es folgte die obligatorische und erfolgreiche technische Begutachtung nach § 21 der Straßenverkehrszulassungsordnung und Ummeldung zum Elektroauto.

Abb 3 — Die Verkabelung erlaubt keinen einzigen Fehler... • 

Mein Fazit nach den ersten 1000 km? Euphorisch!


Nachdem ich meine Reichweitenvorgabe von 100 bis 150 km mit 170 km übertroffen habe, bleibt auch sonst nur Positives. Das komfortable Fahren in der Stadt wie mit einem Automatik-Fahrzeug bei einem berauschend agilen Fahrverhalten, die grandiose Verminderung des Lärmpegels, kein Gestank und natürlich das Laden zuhause statt Tanken (2,90 € auf 100 km) lassen Begeisterung aufkommen!
Im Übrigen lade ich das Fahrzeug zuhause an einer normalen Schukosteckdose einphasig, also mit maximal 3,3 kW, was nicht nur zusätzlich den Geldbeutel schont, sondern auch das Stromnetz. Zudem betreiben wir seit Jahren eine große Photovoltaikanlage, so dass wir bilanziell immer Sonnenstrom tanken! Die Option zum Laden an öffentlichen Stromtankstellen werde ich ggf. in Zukunft noch nachrüsten. 


Mit der Umrüstung habe ich ein reines Spaßvehikel mit denkbar geringem Ressourceneinsatz nun in ein umweltfreundliches Nutzfahrzeug für den Alltag verwandelt. (Die Verwandlung ist übrigens äußerlich praktisch nur am E-Kennzeichen erkennbar.) Ein solcher Umbau ist bis heute kein billiger Spaß. Hier stand nicht eine zeitnahe wirtschaftliche Amortisation im Fokus, sondern der Erhalt und die erweiterte zukunftsfähige Nutzung eines Liebhaberfahrzeuges. Und dennoch freue ich mich aktuell über die Energiekosten von weniger als 3,00 Euro auf 100 km und die 1600 Euro Steuerersparnis, die mir in den kommenden neun Jahren gewährt werden. Wenn ich mir den Markt der aktuell angebotenen Elektrofahrzeuge anschaue, fällt auf, dass ich nebenbei sämtliche derartige PKW in der Effizienz um Längen schlage!


Während bei Verbräuchen von 15 bis 25 kWh auf 100  km der Rebound-Effekt direkt ab Werk eingebaut ist, komme ich problemlos unter 10 kWh aus! Der Vollständigkeit halber muss aber erwähnt werden, dass es bei mir ein Defizit gibt: Das Fahrzeug kann keine nennenswerte passive Sicherheit vorweisen, was andererseits ein wichtiger Grund für das geringe Fahrzeuggewicht und die damit verbundene hohe Effizienz ist. Dieses geringe Gewicht kann unter Beibehaltung heutiger Sicherheitsstandards trotz moderner Werkstoffe vermutlich kaum realisiert werden – oder wäre dies vielleicht doch mal eine sinnvolle Herausforderung - anstatt mit immer größeren tonnenschweren Luxuspanzern die Straßen zu verstopfen?!


Übrigens steht der R4 mit seinen knapp 16kWh Energie aus gegebenem Anlass schon diesen Winter als provisorischer Backup Speicher für eine häusliche Notstromversorgung zur Verfügung - in Kombination mit einem Offgrid Wechselrichter und einem vorhandenen PV Generator.