Vom 6. bis zum 9. Juni 2024 finden in der Europäischen Union die Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) statt. In Deutschland liegt der Wahltermin auf dem 9. Juni. Wir machen uns Sorgen, dass viele Menschen, die an dieser Wahl teilnehmen werden, ihre Entscheidung aufgrund einer diffusen Stimmungslage treffen werden. So war kürzlich in einer aktuellen Jugendstudie zu lesen, dass Erstwähler:innen in überdurchschnittlich hoher Zahl bekennen, die AfD wählen zu wollen. Dieselben jungen Menschen betrachten aber zurecht die Klimakrise als ein besonders drängendes Problem unserer Zeit. Dieser Widerspruch lässt sich kurzfristig nur durch Information abmildern. Allen Wählenden sollte bewusst sein: Im Überlebenskampf der Menschheit gegen die Klimakatastrophe ist die Wahl von Parteien, die starke Klimaschutzmaßnahmen fordern, eines der am leichtesten anzuwendenden Instrumente. Und noch leichter führt umgekehrt die Wahl von Klimawandel-Leugnern zur Beschleunigung der Katastrophe.

Wir möchten den Wählerinnen und Wählern aller Generationen sehr empfehlen, als Hilfe zur Entscheidungsfindung den „Wahl-O-Mat“ zu benutzen, ein Internet-Tool, das von der Bundeszentrale für politische Bildung betreut und vom Europäischen Parlament unterstützt wird. Alle 34 in Deutschland kandidierenden Parteien haben ihre Meinung zu 38 aktuellen Fragen abgegeben, und man kann schnell herausfinden, wie groß die Übereinstimmung der eigenen Ansichten mit den Programmen der verschiedenen Parteien ist. Man findet den Wahl-O-Mat im Internet unter www.wahl-o-mat.de/europawahl2024.

Auch der ähnlich aufgebaute “Science-O-Mat”, der von den “Scientists for Future” erstellt wurde, ist hier ein hilfreiches Instrument. Seine Fragen betreffen ausschließlich klimarelevante Themen, und einige antretende Parteien (wie die AfD) haben sich hier nicht beteiligt. Den “Science-O-Mat” findet man unter https://science-o-mat.de/

Bei beiden Tools  wurden zu jeder Frage auch kurze inhaltliche Begründungen von den Parteien abgefragt, die über die bloße Ja/Nein/Unentschieden-Logik hinausgehen. Es lohnt sich, auch da kurz hineinzuschnuppern, wenn einem ein Thema besonders am Herzen liegt. Für die sieben im engeren Sinne klimapolitischen Fragen des “Wahl-O-Mat” haben wir das einmal ausprobiert. Dabei haben wir uns 14 der 34 Parteien angeschaut, darunter jene mit den größten Chancen, mehrere Abgeordnete ins neue Europäische Parlament zu schicken, und einige dezidierte Klima-Parteien. Es handelt sich um: AfD, CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne, Linke, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), ÖDP, PARTEI, Piraten, Volt, Klimaliste, Letzte Generation und MERA25. Hier möchten wir einige Ergebnisse vorstellen. Zunächst ein Überblick:

Wahl-O-Mat 2024

© Eigene Grafik

Vorab: Sicherlich ist der Einwand berechtigt, dass die Programmatik und die ggf. später tatsächlich betriebene Politik oft zwei Paar Schuhe sind. Gewisse Anhaltspunkte über die (klima-) politische Richtung erlauben die Programme aber schon; und es wird dann ggf. an den Protesten aus der Zivilgesellschaft liegen, die Gewählten an ihre Aussagen vor der Wahl zu erinnern.
 

1.   Abschaffung der europäischen Klimaziele? 
(Frage 14)


Nach der gegenwärtigen Rechtslage soll die Europäische Union bis 2050 klimaneutral sein. Es gibt genau eine Partei in unserem Sample, welche dieses Ziel als „völlige Fehlentwicklung“ abschaffen möchte: die AfD. Denn sie lehnt das von ihr so genannte „Dogma des menschengemachten Klimawandels“ ab. Bei dieser polemischen Bezeichnung lässt sie sich weder vom weltweiten wissenschaftlichen Konsens beirren noch von der unmittelbaren empirischen Erfahrung zunehmender Extremwetter-Katastrophen.

Alle übrigen betrachteten Parteien bekennen sich zu den europäischen Klimazielen. Die SPD erweckt dabei den Eindruck, dass diese Ziele mit dem „1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens“ im Einklang stünden. Die FDP betont, das einzige zielführende Instrument bei der Klimapolitik sei der „Emissionshandel“. Die Grünen begründen ihre Haltung nicht mit dem Überleben der Menschheit, sondern mit Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen globalen Playern: „Klimaneutralität ist kein Selbstzweck, sondern zentraler Standortvorteil unserer Zeit.“ Selbst die Klimaliste meint, die aktuellen EU-Klimaziele leisteten „einen elementaren Beitrag um den globalen Klimawandel zu bekämpfen“, und auch die Letzte Generation fordert nur, sie “endlich ernsthaft zu verfolgen“. Die ÖDP betont hingegen, diese Ziele seien völlig unzureichend und Klimaneutralität müsse bis 2030 erreicht werden, mit anschließender Senkung des atmosphärischen CO2-Gehalts auf 350 ppm. Auch MERA25 weist darauf hin, wir seien „bereits jetzt Zeugen eines Massenaussterbens auf Grund der Klimakrise“, und schließt: „Große Teile des Planeten könnten innerhalb unserer Lebenszeit unbewohnbar werden, wenn wir unsere Lebensweise nicht schnell ändern.”
 

2.   Stärkere CO2-Bepreisung für Unternehmen? (Frage 35)


Auch hier hat die AfD eine besondere Ansicht: Sie „lehnt jede Form der CO2-Bepreisung […] strikt ab“. Mit „Nein“ hat hier aber auch das Bündnis Sahra Wagenknecht votiert. Dort will man die CO2-Bepreisung und den Zertifikatehandel durch „öffentliche Investitionen in den Umbau der Infrastruktur ersetzen“. Die FDP hat hier die neutrale Option angekreuzt, denn: „Der Emissionshandel ist das einzige Instrument, mit dem die Klimaziele garantiert und kostengünstig erreicht werden.“

Die übrigen Parteien befürworten die Forderung. Jedoch zeigen sich in den Begründungen gravierende Unterschiede. Bei der CDU/CSU heißt es etwa, man lehne eine „staatlich pauschal festgesetzte Anhebung“ ab und setze eher auf den europäischen Zertifikatehandel (was bei der FDP zur Unentschieden-Position führte). Auch Grüne und SPD erwähnen den Zertifikatehandel als „wichtigen Hebel“, der sich „bewährt“ habe, und die Piraten geben zu bedenken, es müssten lediglich die Zertifikate weiter verknappt werden. Die Linke hingegen hält die „Steuerungswirkung von CO2-Preisen“ für „begrenzt“. Volt möchte die Einnahmen für umwelt- und sozialpolitische Maßnahmen reservieren. Die Letzte Generation und die ÖDP bestehen auf der Rückerstattung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung als Klimageld an die Bevölkerung; die ÖDP zudem auf einer Entlastung der Unternehmen bei den Lohnnebenkosten. Die Letzte Generation setzt neben der Lenkungswirkung der Abgabe auf Verbote besonderer Emissionsquellen, z.B. Privatjets.

Die Fragestellung ließ offen, ob mit „Bepreisung“ das neoliberale, in der Vergangenheit weitgehend gescheiterte Instrument der handelbaren und zum Spekulationsobjekt verkommenen „Verschmutzungsrechte“ (vulgo „Zertifikatehandel“) gemeint ist, oder eine feste, berechenbare Abgabe auf jede Tonne CO2. Die bürgerlichen Parteien von CDU/CSU bis Grüne setzen (unabhängig von ihrer Ja-, Nein- oder Unentschieden-Positionierung) auf ersteres.
 

3.   EU-weite PV-Pflicht für Wohngebäude? (Frage 9)


Bei den konkret vorgeschlagenen Maßnahmen trennt sich unter den Parteien, welche die europäischen Klimaziele beibehalten wollen (s.o.), die Spreu vom Weizen. Die PV-Pflicht für Neubauten wird von AfD, CDU/CSU, FDP, SPD und BSW abgelehnt. Die AfD spricht von hohen Kosten und schätzt ein, „Auswirkungen auf das globale Klima“ seien „nicht zu erwarten“. Auch das BSW gibt zu bedenken, die PV-Pflicht treibe die Preise in die Höhe. Die SPD will durch „Anreize und Förderprogramme“ die PV-Anlagen auf Neubauten zum Durchbruch bringen, CDU/CSU fordern, im europäischen Raum müssten „geographische Gegebenheiten berücksichtigt“ werden. Die FDP sieht „die Mieten ins Unermessliche steigen“ und schlägt stattdessen vor, „den Emissionshandel auf den Gebäudesektor auszuweiten“.

Die übrigen Parteien stimmen für die PV-Pflicht. Die ÖDP lenkt dabei den Fokus auf öffentliche Gebäude und Neubaugebiete. Grüne, Linke, Piraten, Letzte Generation und MERA25 betonen die Vorzüge der Dezentralität. Nach dem Vorschlag der Piraten sollen Eigentümer nur verpflichtet werden, ihr Dach für eine PV-Anlage zur Verfügung zu stellen, nicht aber, sie selbst zu betreiben. Die Linke will etwaige Mehrkosten durch Umlenkung fossiler Subventionen decken. Die Klimaliste gibt zu bedenken: „Der höhere Installationsaufwand verschwindet, wenn die Anlage beim Bau des Gebäudes direkt eingeplant wird.” So argumentiert auch die Letzte Generation.
 

4.   Kerosin steuerfrei? (Frage 11)


AfD, CDU/CSU und FDP sind dafür. Die FDP weist hier erneut auf das Instrument des Emissionshandels hin. Zusätzliche Besteuerung würde eine wettbewerbliche Benachteiligung erzeugen. Auch die CDU/CSU spricht von „Wettbewerbsnachteilen“ und fürchtet, Fluggesellschaften würden künftig „außerhalb der EU tanken“. Die AfD wendet sich gegen „soziale Selektion durch überhöhte Kosten“.

Die SPD ist für eine „wettbewerbstaugliche Besteuerung von Kerosin“, sorgt sich aber ebenfalls wegen drohender „Steuerflucht durch Tanken außerhalb der EU“. Die Piraten sehen hingegen durch eine EU-weite Regelung gerade derartige „Schlupflöcher entfallen“. „Für die steuerliche Privilegierung des Flugverkehrs gibt es keine überzeugenden Gründe“, konstatiert das BSW. Die Linke bemerkt, die Nicht-Besteuerung von Kerosin komme „einer großen Subventionierung des klimaschädlichsten Fortbewegungsmittels gleich“. Die Grünen fordern eine EU-weite Luftverkehrsabgabe, um damit die Entwicklung klimaneutraler Technologien für den Flugverkehr zu finanzieren. Die wünschenswerte Verlagerung des innereuropäischen Fernverkehrs auf die Schiene erwähnen die Grünen, ÖDP, Volt, die Klimaliste und MERA25. Die ÖDP fordert neben der Abschaffung “aller Subventionen und Steuervorteile für den Flugverkehr” auch ein Verbot von Kurzstreckenflügen unter 1000 km.
 

5.   Zulassungsverbot für Verbrennungsmotoren wieder aufheben? (Frage 2)


Diese Forderung wird von der AfD, der CDU/CSU, der FDP und dem BSW unterstützt. Die FDP setzt auf „synthetische Kraftstoffe, statt auf Verbote“, sowie – wer hätte es gedacht – auf „den Emissionshandel auch im Verkehr“. AfD und CDU/CSU sehen Deutschland hier als „Technologieführer“ einer „deutschen Spitzentechnologie“. „Wir stehen zum Auto, unabhängig von der Antriebsart“, bekennt die CDU/CSU. Das BSW befürchtet eine Überlastung der „Energienetze“ durch die E-Mobilität und findet ebenfalls die „Förderung klimaneutraler Brennstoffe sinnvoller“.

SPD und vor allem die Piraten schreiben, dass die Entwicklung ohnedies rasch zur Durchsetzung der Elektromobilität führen wird; die SPD fordert dennoch die Beibehaltung des Zulassungsverbots ab 2035. Auch für die Grünen ist dies „ein wichtiger Schritt für den Klimaschutz“. Sie weisen darauf hin, dass damit „allen Beteiligten die nötige Planungssicherheit“ geboten wird. Die SPD weist auf die nötige Verfügbarkeit von E-Autos „auch in den niedrigeren Preissegmenten“ hin. Ebenso fordert die Linke „bezahlbare Alternativen für die Menschen (…), die aufs Auto angewiesen sind“. Auch Volt und die Klimaliste unterstützen das bestehende Zulassungsende für Verbrenner. Die Klimaliste möchte ihn sogar noch vorziehen. Sie weist, ebenso wie MERA25, darauf hin, dass die vermeintliche Alternative zur E-Mobilität, nämlich e-Fuels, aufgrund ihres schlechten Gesamtwirkungsgrades teuer und somit „völlig unwirtschaftlich“ seien. Die ÖDP und die Letzte Generation machen den Gedanken einer Verkehrswende weg vom motorisierten Individualverkehr besonders stark. Die Letzte Generation schlägt hierfür einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr vor. 
 

6.   Ökologische Landwirtschaft fördern? (Frage 5)


In diesem Punkt gesellt sich wieder die SPD zur Ablehnungs-Allianz aus CDU/CSU, FDP, AfD und BSW hinzu. Die AfD erklärt ökologischen Landbau kurzerhand zu einem „Nischenmarkt“ und pocht auf einen „Erhalt der landwirtschaftlichen Vielfalt“. CDU/CSU, FDP, BSW und SPD tragen das Argument vor, dass auch die konventionelle Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit veranlasst werden könne und solle. Die FDP bringt zudem noch die Förderung von „Investitionen in nachhaltige, digitale Technologien“ ins Spiel.

Die anderen Parteien tragen überwiegend ökologische Argumente für eine Förderung des Öko-Landbaus vor. Er schone Wasser und Böden und schütze Artenvielfalt und Klima, argumentieren die Grünen. Die Piraten loben den Rückgang von Pestizidnutzung, Bodenerosion und Treibhausgas-Ausstoß. Die Klimaliste verweist auf den Artenschutz, die Regionalität der Lebensmittelversorgung und den niedrigeren Energiebedarf pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Die Linke betont ebenfalls die Vorzüge regionaler Wirtschaftskreisläufe sowie „gesunder und bezahlbarer Lebensmittel“. Die ÖDP tritt für eine “Bioquote von mindestens 30 Prozent” ein. MERA25 trägt noch ein Argument zur Betriebsgröße vor: Je größer ein Betrieb, desto geringer soll demnach die Förderung ausfallen. Die Letzte Generation möchte “Gesellschaftsräte” darüber entscheiden lassen, “was genau unter das Label ‘ökologisch’ fällt”.
 

7.   Atomkraft weiterhin nachhaltig? (Frage 31)


Auf Drängen Frankreichs hatte die EU 2022 die Atomenergie als „nachhaltige“ Energieerzeugung in ihre „Taxonomie“ aufgenommen. CDU/CSU, FDP und AfD unterstützen dies. Die CDU/CSU spricht von der „emissionsarmen und grundlastfähigen Kernkraft“, die zum „breiten Energiemix“ hinzugehöre. Die FDP weist kurz auf die von ihr unterstützte Kernfusions-Technologie hin, um dann auch „fortschrittliche Reaktoren der Kernspaltung“ zu loben, die zu einer „sicheren und sauberen Energieversorgung beitragen“ könnten, und für die ein „investitionswilliger Markt“ vorhanden sei. Die AfD hebt den geringen Flächenverbrauch der atomaren Energieerzeugung und den Energiegehalt pro Tonne Brennstoff hervor. Außerdem sei Atomkraft „mit der Last regelbar“ und könne „nahe dem Ort des Verbrauchs erzeugt werden“.

Das BSW nimmt in dieser Frage eine unentschiedene Position ein. Man sieht Vor- und Nachteile. Die EU-Staaten sollten „selbst über ihren Energiemix entscheiden“.

Bei den anderen Parteien wird zunächst darauf hingewiesen, wie unsinnig das Etikett „nachhaltig“ für die Kernspaltung sei. So machen die Piraten darauf aufmerksam, dass Uran eine „begrenzt verfügbare Ressource“ ist. Die Linke weist auf Umweltbelastungen beim Uranbergbau, CO2-Emissionen beim Kraftwerksbau, beträchtlichen Wasserverbrauch sowie die Atommüll-Problematik hin. Sicherheitsrisiken betonen die Klimaliste, die Letzte Generation, Volt, die SPD und die Grünen. Dass die Atomenergie – vor allem im Vergleich mit Erneuerbaren Energien – erheblich teurer ist, erwähnen dieselben fünf Parteien sowie die ÖDP, und MERA25 quantifiziert: „Neue Kernenergie kostet etwa 4x mehr pro kWh als Wind- und Solarenergie.“ Letztere Partei bringt noch zwei weitere Argumente: Atomanlagen werden immer öffentlich finanziert, aber der Profit fließt „an ausgewählte globale Unternehmen“. Und: Atomanlagen sind „nicht sicher gegenüber den vielfältigen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels“.
 

Fazit


Gemessen an der Programmatik zu Fragen des Klimaschutzes und der Energiepolitik, besteht eine recht fest gefügte Allianz der Parteien CDU/CSU, FDP und AfD. Die rechtsextreme AfD lehnt jede Klimaschutzpolitik prinzipiell ab, weil die Leugnung der anthropogenen Erderwärmung zu ihrem programmatischen Grundbestand zählt. Im Unterschied dazu bekennen sich FDP und CDU/CSU zu klimapolitischen Zielen wie dem Klima-Übereinkommen von Paris 2015. Wenn es jedoch um konkrete Maßnahmen zur Umsetzung geht, positionieren sie sich regelmäßig dagegen. Die FDP tut dies relativ elegant mit ihrem Standardhinweis auf das Allheilmittel des Emissionshandels – dies ist jedoch ein Instrument, das in der EU seit 2005 existiert und die Hauptwirkung hatte, die Erfolge anderer Maßnahmen zur Emissionsminderung wieder zu annullieren. – Aus der Sicht des Klimaschutzes sind diese Parteien definitiv unwählbar.

Besonders bei der Frage zur Atomenergie zeigt sich überdies ein gewisser Hang zur Realitätsverleugnung in diesem Lager. So wie die AfD völlig an der Wirklichkeit vorbei eine „Regelbarkeit“ der AKWs entsprechend der Last, und zudem noch eine verbrauchsnahe Stromerzeugung erfindet, beschwört die FDP einen investitionswilligen Markt für „Kernenergie“, als ob jemals irgendein Atomkraftwerk ohne horrende staatliche Subventionen errichtet worden wäre. In allen drei Punkten ist das genaue Gegenteil des Behaupteten der Fall.

In einzelnen Fragen gesellen sich das BSW und die SPD zu der rechts-konservativ-neoliberalen Allianz hinzu. Wenn es um konkrete Maßnahmen geht, stellt sich auch bei ihnen teilweise der Eindruck ein, dass andere Kriterien als der Klimaschutz für ihre Positionierung ausschlaggebend sind. Dabei ist freilich in Rechnung zu stellen, dass konkrete Klimaschutzmaßnahmen auch mit Hinweis auf alternative, für besser erachtete Klimaschutzmaßnahmen abgelehnt werden können. Dies wird von CDU/CSU, FDP, SPD und BSW auch genau so reklamiert. Nur würde eine tiefergehende Analyse ergeben, dass die vorgeschlagenen Alternativmaßnahmen untauglich sind. Das Paradebeispiel hierfür ist die Beschwörung der e-Fuels als Massenlösung durch CDU/CSU, FDP und BSW. Diese Treibstoffe werden aus Effizienz- und Kostengründen nur für Nischenanwendungen eine Rolle spielen können.

Der Gesamteindruck bleibt bei diesen Parteien (mit Abstufungen), dass die Klimapolitik bestenfalls als ein Thema unter vielen – und nicht als das wichtigste – betrachtet wird.

Die Programmatik der übrigen betrachteten Parteien (Grüne, Linke, Piraten, Volt, ÖDP, Klimaliste, Letzte Generation, MERA25) ist durchgängig pro Klimaschutz. Das gilt auch für die PARTEI, die hier nicht eigens mit Zitaten gewürdigt wurde, weil die Antworten dieser Satire-Partei überwiegend eher Klamauk-Charakter haben. Erfahrungsgemäß ist ihr Abstimmungsverhalten im EP aber durchgängig konstruktiv.

Unsere Auswahl impliziert keine positive Wahlempfehlung. Man könnte sagen: Für alle Wählerinnen und Wähler, denen Klimaschutz am Herzen liegt, ist in dem breiten Angebot kandidierender Parteien etwas dabei. Allerdings möchten wir dringend empfehlen, es sich zweimal zu überlegen, bevor man seine Stimme einer Partei gibt, die in puncto Klimaschutz bremst. Dazu ist dieses Thema nämlich zu wichtig und zu drängend. Wenn wir nicht – auch in Europa – das Ruder rasch in Richtung echten, energischen Klimaschutzes herumreißen, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass es in einigen Jahrzehnten keine EP-Wahlen mehr gibt. Denn die Folgen der Klimakatastrophe – zunehmende Ressourcenkonflikte, große Migrationsbewegungen, wachsende Zahl und Intensität von „Natur“-Katastrophen – könnten die Grundlagen demokratischen Zusammenlebens ziemlich schnell zerstören. Der Aufstieg rechtsextremer Parteien wie der AfD ist hierfür bereits ein erstes Anzeichen.

Greifen wir am 9. Juni lieber zur Notbremse, als die Fahrt in den Abgrund noch zu beschleunigen!