Unser Kampf vor Gericht für mehr Klimaschutz
Die „Deutsche Umwelthilfe“ (DUH) nutzt die ihr als Umweltschutzverband zustehenden Klagemöglichkeiten als eine ihrer zentralen Aktionsformen. Berühmt wurde unter anderem ihre investigative Rolle beim Abgas-Skandal deutscher Autokonzerne („Dieselgate“) sowie Klagen gegen Großstädte, in denen die Schadstoff-Grenzwerte durch den Autoverkehr überstiegen wurden. Hier schreibt Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der DUH, über die Erfahrungen des Verbandes.
Hitzewellen, Extremwetterereignisse oder Süßwassermangel nehmen deutlich zu, der Klimawandel gefährdet weltweit die Lebensgrundlagen heutiger und kommender Generationen. Ohne zusätzliche Maßnahmen könnte sich die Erde bis Ende des Jahrhunderts um bis zu vier Grad erwärmen. Ein Szenario, das Angst macht. Und wenn man sieht, wie die Bundesregierung oder auch Landesregierungen untätig bleiben, ein Szenario, das Veränderungswillen schafft. Als Umwelt- und Verbraucherschutzverband sehen wir bei der Deutschen Umwelthilfe es als unsere Aufgabe an, uns mit allen Mitteln gegen diese katastrophale Fehlentwicklung zu stellen – auch mit rechtlichen Mitteln.
Damit haben wir Erfahrung: Bereits beim größten Industriebetrug der Nachkriegsgeschichte – dem Dieselskandal – hat sich gezeigt, dass es Sinn ergibt, sich an die dritte Staatsgewalt zu wenden, wenn Gesetzgeber und Regierung ihrem Auftrag nicht nachkommen, Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Nachdem wir den Dieselskandal mit Abgasmessungen in Deutschland aufgedeckt haben, führen wir auch heute noch, sieben Jahre später, Verfahren gegen das Kraftfahrt-Bundesamt, um für mehr Transparenz zu sorgen. Mit unserer Arbeit sorgen wir so immer noch für Verbraucherschutz und saubere Luft. Dabei ist klar, dass Gerichte nicht als Ersatzgesetzgeber fungieren dürfen, sondern nur angerufen werden, um Unrecht festzustellen. Wenn der Gesetzgeber nicht angemessen handelt und die ausführende Gewalt versagt, gibt es einen unabhängigen Hebel, um die Rechte der Schutzwürdigen geltend zu machen.
Und wo steht der Klimaschutz in Deutschland? Wenn wir so weitermachen wie bisher, hat Deutschland bereits in 5 Jahren sein CO₂-Budget für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze aufgebraucht. Sorgenkinder sind insbesondere der Verkehrs- und der Gebäudesektor. Hier tut sich seit Jahrzehnten viel zu wenig, die Klimaziele, verbindlich im Klimaschutzgesetz verankert, werden immer wieder verfehlt. Der Druck aus der Zivilgesellschaft – von den Umweltverbänden oder auch Fridays For Future – wird zu recht immer größer. Klar ist deshalb: Die Bundesregierung muss jetzt Entscheidungen treffen – auch wenn sie für einzelne unbequem sind -– um das Klima zu schützen. Wir brauchen eine Transformation in allen Sektoren und hätten damit vor Jahrzehnten beginnen müssen; langsam geht uns die Zeit aus. Wir müssen jetzt handeln, damit wir dem Ziel der Klimaneutralität endlich näherkommen.
Einer unserer größten Erfolge vor Gericht ist deshalb auch einer der wichtigsten Meilensteine unserer Arbeit: Im April 2021 entschied das Bundesverfassungsgericht den bislang wohl bedeutendsten Klimaschutz-Beschluss in dessen Geschichte. Mit großem Brimborium verabschiedete 2019 die Schwarz-Rote Bundesregierung auf Druck der Umweltverbände und Fridays For Future viel zu spät ein Klimaschutzgesetz, das völlig unzureichend war, um die Pariser Klimaziele zu erfüllen. Junge Menschen sowie vom Klimawandel Betroffene aus dem Ausland reichten daraufhin mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte daraufhin: Das Recht der Klimaklägerinnen und -kläger auf ein sicheres Leben in der Zukunft ist ein Grundrecht. Oder anders gesagt: Klimaschutz ist Grundrechtsschutz.
Abb. 1 — Der Gang vor die Gerichte muss mit öffentlichkeits-wirksamen Auftritten flankiert werden. DUH/Lehmann. •
Das Bundesverfassungsgericht hat uns Rückenwind gegeben, denn gerade im Klimaschutz, der seit einigen Jahren eine enorme Verrechtlichung erfahren hat, erkennen wir ganz erhebliche Versäumnisse auf vielen Ebenen. Das Klimaschutzgesetz des Bundes etwa enthält strikte Vorgaben für die jährliche Minderung der Emissionen in den einzelnen Sektoren. Das Problem: Weder die Emissionsgrenzen sind ausreichend noch halten Sektoren wie der Verkehrs- und Gebäudesektor diese Grenzen ein.
Im Verkehrssektor wurde seit Jahrzehnten versäumt, einfache und wirksame Klimaschutz-Maßnahmen wie ein Tempolimit umzusetzen. Die Folge: Die Emissionen haben sich seit Jahren kaum bis gar nicht verändert und bleiben konstant auf zu hohem Niveau. Im Gebäudebereich herrscht ebenso Klimaschutz-Stillstand. Zum zweiten Mal in Folge hat der Gebäudesektor im vergangenen Jahr sein Klimaziel um Längen verfehlt. Die Klimaschutz-Lücke wird immer größer und kaum aufzuholen sein, wenn nicht jetzt geeignete Maßnahmen umgesetzt werden. Hier braucht es unter anderem eine fossilfreie Neuausrichtung der Förderung, eine Sanierungswelle und ordnungsrechtliche Vorgaben für den Gebäudebestand.
Damit die Bundesregierung endlich geeignete Maßnahmen für den Verkehrs- und Gebäudesektor auf den Weg bringt, nutzen wir auch das Instrument der Verbandsklage. Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg klagen wir deshalb auf die Aufstellung eines Programms, das die Einhaltung der Ziele des Klimaschutzgesetzes sicherstellt und die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 senkt.
Der Erfolg vor Gericht und die mediale Sichtbarkeit haben aber auch Schattenseiten: Seit unserer Arbeit zu Dieselgate wird auf den sozialen Medien gegen mich und die Deutsche Umwelthilfe tausendfach gehetzt, beleidigt oder es werden zielgerichtete Gewaltaktionen angedroht. Auch hier setzen wir auf die Kraft der Justiz: Ich habe schon über 100 Strafanzeigen gestellt und auch gegen den Konzern Meta auf Sperrung zweier Facebookgruppen geklagt, in denen systematisch und tausendfach gehetzt wird. Wir lassen uns diese Bedrohungen und Hetze nicht gefallen.
Gerichtliche Entscheidungen als Handlungsfeld sind in den letzten Jahren zunehmend wichtig geworden. Recht durchsetzen, wo Unrecht vorherrscht – die Gerichte sind beim Klimaschutz nicht wegzudenken. Aber eines ist auch klar: Ohne Protestbewegungen wie Fridays For Future, die Forderungen aus der Gesellschaft und die fachliche Arbeit von Umweltorganisationen wie der Deutschen Umwelthilfe geht es nicht. Wir sind es unserer und den nachfolgenden Generationen schuldig, eine lebenswerte Zukunft zu schaffen. Dafür müssen wir die 1,5-Grad-Grenze einhalten.
Jürgen Resch
Jürgen Resch, geb. 1960, engagiert sich seit Mitte der 70er Jahre für den Umweltschutz. Seit 1988 fungiert er als Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe