Die Europäische Kommission hat eine Initiative „EU-Strategie für Solarenergie" auf den Weg gebracht und dazu aufgefordert, Stellungnahmen dazu abgegeben. Abgabefrist war der 12. April. Wir haben die nachfolgende Stellungnahme erarbeitet und versucht, sie auf dem vorgesehenen Weg eines Online-Formulars abzugeben. Am 12. April konnten wir jedoch aufgrund eines Server-Fehlers auf EU-Seite das Upload nicht abschließen (trotz vielfacher Versuche bis kurz vor Mitternacht). Wir versuchen, unserer Stellungnahme durch Einschaltung unserer Kontakte ins Europäische Parlament dennoch Gehör zu verschaffen. Hier präsentieren wir sie zusätzlich der interessierten Öffentlichkeit. Den Text der EU-Initiative dokumentieren wir hier.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit nehmen wir zu der Initiative „EU-Strategie für Solarenergie“ Stellung. Wir bitten um Berücksichtigung unserer Stellungnahme im weiteren Planungsverfahren der Kommission.

1.    Am 4. April 2022 wurde der dritte Teil des sechsten Sachstandsberichts des IPCC veröffentlicht. UN-Generalsekretär António Guterres fasste bei der Vorstellung dieses Berichts den derzeitig von der Weltgemeinschaft beschrittenen Weg dahingehend zusammen, er stelle „die Weichen klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde“. Im Lichte dieser dramatischen Erkenntnis begrüßen wir die Initiative einer EU-Strategie für Solarenergie grundsätzlich. Wir bestreiten jedoch die Prämisse im Abschnitt „Politischer Kontext“, wonach es sich bei den Klimazielen des europäischen Green Deal um „ehrgeizige Ziele“ handele. Der Ehrgeiz heutiger Klimaziele darf sich nicht am Status quo messen (5% Erneuerbare Energien im EU-Strommix im Jahre 2020), sondern ausschließlich noch am klimapolitisch Notwendigen. Maßstab dafür muss der erwähnte Sachstandsbericht des IPCC sein. Im Kontext dieser Notwendigkeit sind die nachfolgenden Punkte zu verstehen.

2.     Die im selben Abschnitt angesprochene „gezielte Einführung von erneuerbarem Wasserstoff“ ist zwar an sich nicht abzulehnen. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, regional erzeugten Strom zu speichern. Hierfür können verschiedene Speichertechniken genutzt (chemische Speicher,  Methan- und Methanol-Speicher, Batteriespeicher) und durch einen für Errichtung und Betrieb der Speicher konzipierten und optimierten Netzbetrieb getragen werden. Das bringt Regionalität, echte Versorgungssicherheit und Resilienz. 
Jedoch ist davor zu warnen, auf die Wasserstofftechnologie quantitativ allzu große Hoffnung zu setzen. Grüner Wasserstoff kann aufgrund der starken Umwandlungsverluste bei Herstellung und Verbrauch nur eine Nebenrolle übernehmen, da ansonsten der Bedarf an Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien wesentlich größer wird .

3.    Den „Zweck und Ansatz der Initiative“, die Solarenergie als Teil eines “gut integrierten” Energiesystems auszubauen, unterstützen wir. In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass die von einigen Mitgliedsstaaten der EU verfochtenen Pläne, in ihrem Energiemix Atomenergie beizubehalten oder gar auszubauen, einem solchen integrierten Energiesystem sehr hinderlich ist. Denn als Ergänzung der volatil anfallenden regenerativen Energien Windkraft und Photovoltaik ist eine Technik, die fast ausschließlich mit Volllast laufen kann, denkbar ungeeignet. „Systemintegration“ bedeutet vor allem anderen: rascher Ausstieg aus den unflexiblen Atom- (und Braunkohle-) Kraftwerken.

Dieser integrationshinderliche Aspekt kommt zu den massiven Sicherheitsproblemen und der ungelösten Frage nach dem Umgang mit dem radioaktiven Müll noch hinzu. Wir möchten in diesem Zusammenhang unser völliges Unverständnis gegenüber der Aufnahme der Atomenergie in die Liste „nachhaltiger“ Energietechniken im Rahmen der EU-Taxonomie ausdrücklich betonen! Sie stellt auch einen gewaltigen Anreiz zur Fehlallokation von Geldern dar - auch zu Lasten der Solarenergie.

 

4.     Es müssen Regelungsformen etabliert werden, die verhindern, dass die EU beim Ausbau der Erneuerbaren Energien wie ein Geleitzug agiert, bei dem das langsamste Schiff das Tempo bestimmt. Ausbauziele für Windenergie und Photovoltaik müssen ambitionierter sein und zugleich für die Mitgliedsstaaten nur als Mindestziele vorgegeben werden, damit jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, diese Ziele zu überbieten. Eine solche Überbietung in einem Land darf auch nicht dazu führen, dass die Mindestausbauziele für die übrigen Mitgliedstaaten abgesenkt werden. Hier muss, einer realistischen Güterabwägung folgend, gegebenenfalls auch das EU-Wettbewerbsrecht zurückstehen – zugunsten einer schnellstmöglichen Dekarbonisierung, die im Interesse aller EU-Bürger*innen und jedes Mitgliedstaats liegt.

5.     Zur Vermeidung von Emissionen, die nur aufgrund von Emissionseinsparungen an anderer Stelle angereizt werden, ist insbesondere das System des EU-Zertifikatehandels in eine berechenbar und konjunkturunabhängig ansteigende CO2-Bepreisung umzuwandeln.


Mit freundlichen Grüßen,
Dipl.-Ing. Susanne Jung