Sondervermögen: Braucht die Solarenergie ein Stück vom Kuchen?
Seit dem 21. März ist klar: Das Finanzpaket von Union und SPD hat die letzte parlamentarische Hürde genommen. Im Bundesrat kam die für das Vorhaben notwendige Zweidrittelmehrheit zusammen. Auch für den Klimaschutz wird es etwas geben. 100 Milliarden Euro sollen in den nächsten zwölf Jahren schrittweise in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen. Das sind weniger als 10 Mrd. Euro pro Jahr. Leider ist das viel zu wenig! Erst wenige Wochen vorher hatte der Expertenrat für Klimafragen in einem neuen Zweijahresgutachten die Zahlen auf den Tisch gelegt. 255 Milliarden € jährlich wären notwendig, um die Finanzierungslücke beim Klimaschutz zu füllen.
Aber nicht nur die Euros fehlen, um beim Klimaschutz schneller voranzukommen. Es fehlt auch die Zeit! Prof. Dr. Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und Sachverständiger für unsere Klimaklage, vergleicht den CO2-Ausstoß mit dem Wasserzufluss in einer Badewanne – irgendwann ist sie voll. Konkret hat Deutschland seinen fairen Anteil an einem globalen CO2-Budget, mit dem die 1,5 °C-Grenze eingehalten werden kann, seit kurzem überschritten. Für eine Temperaturgrenze von 1,75 °C mit 67 % Wahrscheinlichkeit beträgt das maximale CO2-Budget für Deutschland noch 3,9 Gigatonnen CO2.
Es mangelt also auf ganzer Linie und die Wunschlisten der Kommunen und der Industrie sind lang. Wer kommt zum Zug und wo sollte das knappe Budget eingesetzt werden?
Sondervermögen für PV-Ausbau?
Der Solarausbau kommt jetzt richtig in Schwung – wir sind auf einem vielversprechenden Weg! Nach Jahren der Stagnation haben wir in den letzten drei Jahren gesehen, wie viel Potenzial in der Solarbranche steckt. Solaranlagen können schon seit mittlerweile wirtschaftlich betrieben werden, das hat sich in der Praxis längst bewährt. Mit sinkenden Preisen für Solarmodule, Wechselrichter und Speicher sowie stabilen Einspeisevergütungen sind Investitionen besonders attraktiv. Zusätzliche Fördermittel aus dem Sondervermögen sind nicht nötig, um den Solarmarkt in Deutschland weiter anzukurbeln. Die Einspeisevergütungen für Bestands- und Neuanlagen werden über das jährliche Budget des KTF finanziert – im letzten Jahr waren es 18,5 Mrd. €. Wenn diese Mittel im laufenden Bundeshaushalt bleiben – und das versprechen die Parteien – braucht es keine weiteren Euros aus dem Sondervermögen. Das ist eine wirklich großartige Nachricht! Aber es gibt auch eine Kehrseite!
Sondervermögen für die Solarindustrie?
Seit vielen Jahren wurde versäumt, eine resiliente deutsche Solarindustrie aufzubauen. Es ist unbedingt angezeigt, in Forschung, Entwicklung und Produktion zu investieren, anstatt sich alleine auf den globalen Markt zu verlassen. Wenn es um die Lieferung von Solarmodulen und -komponenten geht, ist Deutschland von anderen Ländern, insbesondere aus Asien, abhängig. Während die Technologie weltweit fortschritt, blieb die heimische Industrie oft auf der Strecke, was sich heute als Problem erweist, besonders in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten und Lieferkettenkrisen.
Deutschland war bis 2012 führender Produktions- und Innovationsstandort der Solarindustrie in der Welt. Acht der zehn größten Solarunternehmen der Welt waren in Deutschland ansässig. Das deutsche EEG hatte diesen Erfolg maßgeblich begünstigt.
Politische Fehlentscheidungen haben ihn gleichermaßen zerstört. Heute stammt ein Großteil der PV-Module und Komponenten aus Asien, und es ist kaum vorstellbar, die dort etablierte Massenproduktion in Deutschland nachzubilden. Deshalb aber diesen Bereich ganz vernachlässigen?
Deutschland kann in Forschung und Entwicklung weiterhin eine führende Rolle einnehmen – sei es durch effizientere Solarzellen, nachhaltige Photovoltaikmodule oder innovative Recyclingverfahren. Damit diese Fortschritte umgesetzt werden können, darf die Modulproduktion hierzulande nicht vollständig verschwinden. Der Solaranlagenbau und das Experimentierfeld für Innovationen sind essentiell für die Energiewende und von der Politik zu begünstigen. Hierfür braucht es finanzielle Unterstützung aus dem “Sondervermögen”.
Wo muss außerdem Geld fließen?
Unsere Wunschliste ist lang! Wir sehen den langwierigen Ausbau der erforderlichen Übertragungs- und Speicherinfrastruktur, den Mangel an intelligenten Messsystemen. Hierfür bräuchte es Geld und einen deutlichen Investitionsschub, damit die Kosten für diese dringend notwendigen Infrastrukturmaßnahmen die Strompreise nicht weiter in die Höhe schnellen lassen. Und es gibt Bedarfe bei der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die Energiewende.
Wird es für all das ein Stück vom Kuchen aus Sondervermögen geben? Wer entscheidet überhaupt über die Vergabe der Gelder aus dem Sondervermögen – sachkundige Experten oder einflussreiche Lobbyisten?
Mit Geld ist nicht alles zu schaffen.
Viele der letzten Gesetzgebungsverfahren haben Schatten nach sich gezogen. Das jüngste Solarspitzengesetz war ein neuer Nährboden für Verunsicherungen. Die Investitionsbereitschaft wurde nach unserer Wahrnehmung wiederholt eingedämmt. Dabei sind die Einnahmeverluste der 60-Prozent-Kappung und der Nullvergütung überschaubar. Der Markt ist noch immer sehr sensibel und reagiert auf die kleinsten Veränderungen.
Wenn die neue Bundesregierung wirklich etwas für die solare Energiewende tun möchte, muss im Koalitionsvertrag der klare Wille festgehalten werden, sichere gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen und den Bürokratieabbau weiter voranzutreiben. Nur so können die Kommunen dauerhaft unterstützt werden – denn Klimaschutz ist keine Theorie, sondern echte Handarbeit vor Ort.
Währenddessen wird diskutiert, wie lange sich Deutschland noch feste Einspeisevergütungen leisten kann. Kritiker fordern eine marktorientierte Förderung – aber passt das wirklich für private Kleininvestoren, die unter unterschiedlichsten Bedingungen in Solartechnik investieren? Hier braucht es vor allem Einfachheit, Verbraucherschutz und Transparenz. Jede eingespeiste Kilowattstunde muss fair und unter Klimaschutzaspekten vergütet werden – kein Energieversorger würde seine erzeugte Energie verschenken oder unter Wert abgeben.
Und wir erinnern: Die unüberlegte Kürzung der Einspeisevergütung 2012 ließ den Solarausbau und die Solarindustrie einbrechen und vernichtete tausende Arbeitsplätze. Eine verlässliche Einspeisevergütung gibt Bürgerinnen und Bürgern Planungssicherheit und ermöglicht die Finanzierung von Solarprojekten – vom Einfamilienhaus bis zur gemeinschaftlichen Dachlösung in Mehrfamilienhäusern. Investitionen lohnen sich nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen – und genau darum geht es bei den Millionen ungenutzten Dächern in unseren Städten und Gemeinden! Doch das predigen wir seit Jahren.