Nullvergütung und Abregelung technisch und wirtschaftlich sinnvoll?
Hintergrund
Am Dienstag, den 25.2.2025 trat das das "Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen" oder umgangssprachlich das Solarspitzen-Gesetz in Kraft. Ein Gesetz, das es für die Solarenergie und damit für die Energiewende in sich hat: Es soll Stromüberschüssen und negativen Strompreisen entgegenwirken. Alle neuen Photovoltaik (PV)-Anlagen ab 2 kWp müssen entweder über ein sogenanntes intelligentes Messsystem (IMSys) vom Netzbetreiber ansteuerbar sein oder die Einspeiseleistung muss auf 60% der installierten Spitzenleistung beschränkt werden. Weiterhin wird eingespeister PV-Strom nicht vergütet, wenn die Strompreise an der Strombörse negativ sind. Diese nicht-vergüteten Zeiten werden am Ende der Laufzeit der PV-Anlagen zum Teil ausgeglichen.
Kommentar
Ich sehe zwei Motivationen für die verschiedenen Vorschriften:
(1) Dass der Netzbetreiber auch kleinere PV-Anlagen (ab 2 kWp) in einem technischen Notfall abregeln kann, wird in der nächsten Zeit notwendig werden.
Im letzten Jahr wurde etwas mehr PV-Leistung auf Dächern installiert als in Freiflächenanlagen. Es mag der Punkt kommen, wo die eingespeiste PV Leistung technisch nicht mehr abgenommen werden kann oder eine anderweitige Überlastung lokaler Netze droht. Insofern ist eine Abregelung unterstützenswert. Allerdings sollten die dafür notwendigen Extrakosten nicht den Klein-PV-Betreibern auferlegt werden, die damit über Gebühr belastet werden. Denkbar wären eine deutlich stärkere Bezuschussung oder Kappung der Kosten für ein IMSys einzuführen, insbesondere für Kleinstanlagen. Zu beachten ist aber, dass der Rollout für intelligente Messsysteme aktuell nur sehr langsam vorangeht und erst 2032 zu 90% abgeschlossen sein soll.
In dem Zusammenhang ist dann eine Kappung der Einspeiseleistung auf 60% der Spitzenleistung vorgesehen, was eine Ertragsminderung bedeutet. Mit einem exemplarischen PV-Einspeiseprofil (Region Köln, Südausrichtung, 30° Neigung) habe ich 6,8% Ertragsminderung für eine Volleinspeise-Anlage ausgerechnet. In einer anderen Untersuchung waren es knapp über 10%. Die vollständige Publikation finden Sie hier. Das scheint jetzt nicht sehr dramatisch zu sein, entscheidet aber darüber, ab wann eine PV-Anlage wirtschaftlich betrieben werden kann.
In Fachkreisen wird die Maßnahme lapidar damit relativiert, dass die meisten privaten PV-Anlagen inzwischen mit Batteriespeicher installiert werden. Grundsätzlich kann die gekappte Leistung in der Batterie zwischengespeichert werden und die Ertragsminderung reduziert sich auf die Verluste beim Ein- und Ausspeichern. Aber das Batteriemanagement muss dazu in der Lage sein, im Fall der Abregelung die PV-Energie noch zu speichern. Das geht grundsätzlich. Aber eine Optimierung hinsichtlich der PV-Kappung erfordert eine andere Betriebsstrategie als die Optimierung für den Eigenbedarf: Zum optimierten Eigenverbrauch sollte der Speicher möglichst voll sein, damit man ihn immer nutzen kann, wenn die Sonne mal plötzlich hinter Wolken verschwindet. Um hingegen eine Spitzenkappung abzufangen, sollte der Speicher möglichst viel Platz für die entsprechende Energiemenge vorhalten. Wie man diese gegensätzlichen Anforderungen berücksichtigen kann, ist in meinem Artikel für die IRES 2013 veröffentlicht .
Insgesamt sehe ich die Maßnahme Kappung der PV-Leistung gerade für kleine PV Anlagen kritisch. Offensichtlich will man einen Weg des kleinsten Widerstands gehen und die Kosten des technisch Notwendigen den Kleinanlagen-Betreibern aufbürden. Man hätte besser auf die Abregelung verzichten und stattdessen finanzielle Anreize für eine Fernsteuerbarkeit aus technischen Gründen einführen sollen.
(2) Die Nicht-Vergütung von Solaranlagen bei negativen Strompreisen hat jedoch keinen technischen, sondern nur einen kommerziellen Hintergrund.
Manche Leute setzen negative Strompreise mit einer technischen Instabilität des Stromnetzes gleich. Scheinbar gäbe es kein Gleichgewicht von Stromerzeugung und Verbrauch mehr. Das ist aber nicht so. Vielmehr sorgt der Markt ja gerade genau dafür, dass sich noch genug Verbraucher finden, die dann den Strom abnehmen, wenn sie dafür bezahlt werden. Selbst bei stark negativen Strompreisen werden konventionelle Großkraftwerke zum Teil weiter betrieben. Diese könnten im Notfall abgeschaltet werden, bevor das Stromnetz zusammenbricht. Sollte das ein technisches Problem sein, sollen ja die Netzbetreiber die Möglichkeit erhalten, die Solaranlagen aus technischen Gründen abzuregeln.
Stark schwankende und häufige negative Strompreise haben im Übrigen dazu beigetragen, eine beispiellose Schwemme von Anschlussbegehren von Großbatteriespeichern zu triggern. Kürzlich berichtete die Tagesschau auf ihrer Webseite, dass derzeit über 200 GW Speicherleistung bei den Übertragungsnetzbetreibern beantragt sind. Auf der Tagung „Zukünftige Stromnetze“ Ende Januar in Berlin berichtete Herr Dederichs vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion, dass davon 30 GW zugesagt sind. Diese großen Speicherkapazitäten können nur finanziert werden, wenn die Strompreise durch weiteren Zubau von Erneuerbaren auch in Zukunft schwanken und auch negative Werte annehmen. Die Nichtvergütung von Solaranlagen bei negativen Preisen wirkt gegen den Ausbau und könnte den aktuellen Speicherboom, den wir dringend benötigen, abwürgen.
Mir erscheint die Nicht-Vergütung bei negativen Strompreisen als eine populistische Maßnahme. Offensichtlich können manche es nicht ertragen und empfinden es als ungerecht, dass Solaranlagen auch dann noch Geld für eingespeisten Strom bekommen, wenn konventionelle Kraftwerke für das Einspeisen bezahlen müssen. Wenn Vergütungen gezahlt werden, obwohl Preise negativ sind, wird auch ein wirtschaftliches Desaster für das EEG-Umlagekonto und des Steuersäckchens befürchtet. Dabei wird jedoch nicht beachtet, dass die Einspeisevergütung vor allem als kostendeckende Vergütung gedacht ist und in der Summe als integrale Leistung. Als solche integrale Leistung sollte man es auch für das EEG-Umlagenkonto betrachten und die Kosten dafür ebenfalls als Gesamtgröße. Es geht bei EEG-Anlagen eben gerade nicht darum, dass die Anlagen "sich am Markt behaupten" sollen. Vielmehr sollen Anlagenbetreiber:innen mit dieser kostendeckenden Vergütung ein geringes Risiko für ihre Investition tragen. Eine solche Sicherheit ist für die Beschaffung der Finanzierung essentiell und gerade eine der großen Errungenschaften des ursprünglichen EEGs. Dieses wird wieder einmal weiter ausgehöhlt, indem den Solaranlagenbetreiber:innen nun mit in Zukunft zunehmenden Zeiten negativer Preise ein unkalkulierbares finanzielles Risiko auferlegt wird.
Mein Fazit:
Eine Ansteuerbarkeit (und damit zukünftig auch Abregelbarkeit) von PV-Anlagen durch den Netzbetreiber aus technischen Gründen ist für die baldige Zukunft notwendig. Die Kosten dafür sollten jedoch gerade für kleine Anlagen von Eigenheimbesitzern stark bezuschusst werden. Eine pauschale Kappung auf 60% führt zu Jahresertragseinbußen von bis zu 10% und ist eine Lösung auf Kosten der Klein-PV-Betreiber:innen. Eine Nicht-Vergütung bei negativen Strompreisen hat einen rein kommerziellen Hintergrund und wirkt eher wie eine populistische Neid-Maßnahme, die sogar zu einer Reduzierung des derzeitigen Speicher-Booms führen kann.