Solare Autonomie durch Vertrauen auf die eigene Kraft
Unser Gastautor Christfried Lenz vertritt in seinem Gastbeitrag die Überzeugung, dass es fatal wäre, bei der Energiewende auf den Staat zu warten. Die Menschen müssten sie selbst in die Hand nehmen. Er schildert, wie er mit wenig Geldmitteln sein Häuschen in der Altmark auf eine autonome, erneuerbare Energieversorgung umgestellt hat.
Solare Autonomie durch Vertrauen auf die eigene Kraft
Die destruktiven Wirkungen unserer Wirtschaftsweise brannten mir seit den 1990er Jahren auf der Seele. Ich bewunderte die kühnen Aktionen, mit denen Greenpeace damals darauf aufmerksam machte, und unterstützte sie mit einem regelmäßigen Förderbeitrag. Eine Reportage im Greenpeace-Magazin über das Ökodorf Sieben Linden machte mir allerdings klar, dass Geld Spenden nicht reicht. Ich muss meine gesamte Lebensweise ändern, um bei der Umweltzerstörung nicht selber mitzuwirken.
Beim nächsten Kennenlern-Wochenende war ich in Sieben Linden. Im Zuge der engen Verbindung, die damit begann, machte mich das Ökodorf auf eine nahe gelegene, ehemals landwirtschaftlich genutzte Immobilie aufmerksam. Gegen ein Gebot von 4010 Euro ging das Gebäude mit seinem 2.500 Quadratmeter großen Grundstück in meine Obhut über. Ich nahm es als ein Geschenk mit großer Dankbarkeit entgegen. Mehr hätte ich allerdings auch nicht zahlen können. Das Geschehen erinnerte mich an frühere Erfahrungen, dass das, was ich wirklich will oder soll, niemals am Geld scheitert.
Die erste Solaranlage: eine Inselanlage
Alles, was ich in Sieben Linden über ökologisches Leben und gerade auch über Ökologie im Bauwesen lernte, versuchte ich nun, an meinem Wohnsitz anzuwenden. Dazu gehörte an vorderer Stelle die Photovoltaik. Auf meinem mit DDR-Wellasbest gedeckten Dach war sie aber nicht zulässig. Grund: unbekannt. Offenbar handelte es sich um eine der Maßnahmen, die nichts anderes bezwecken, als die erneuerbaren Energien klein zu halten.
Ich disponierte auf Solarthermie um, für die es derartige Einschränkungen nicht gab. Der Traum von der eigenen Stromversorgung durch Sonnenenergie blieb aber lebendig – und realisierte sich, als die Solarfirma scm energy mir unbeschädigte Module aus einem Versicherungsfall preisgünstig anbot. Netzeinspeisung war untersagt, aber eine Inselanlage für den Eigenbedarf ging niemanden etwas an. Obendrein fand ich gerade reizvoll auszuprobieren, ein wie großer Teil des Bedarfs mit der Eigenerzeugung abgedeckt werden kann. Ich ahnte ja schon: Wenn ich etwas unbedingt will, dann geht das auch! In diesem Fall setzte ich auf meine Fähigkeit und Bereitschaft zu großer Flexibilität.
Heute liegt das Ergebnis vor: Seit 2013 habe ich mich in jeder Minute ausschließlich mit dem Sonnenstrom vom Dach versorgt. Irgendwelche Schäden oder Pannen hat es nicht gegeben, bei keiner der Komponenten fällt mir ein Nachlassen der Leistung auf. Meine Flexibilität wird nicht einmal sonderlich strapaziert. Es gibt vielleicht 10 bis 15 Tage, an denen Strom gespart werden muss. Dann sorgt die Stirnlampe für abendliche Beleuchtung. Oder ich meditiere mehr, wozu es überhaupt kein äußeres Licht braucht. Die Waschmaschine muss halt auf einen sonnigen Tag warten. Diese gewisse Abhängigkeit vom Wetter empfinde ich positiv als Verbundenheit mit der Natur. Beim Segeln wartet man auch auf günstigen Wind.
Als ein auf meinem Grundstück befindlicher Strommast des Netzbetreibers frei wurde, konnte ich mich allerdings nicht enthalten, dies für ein bisschen mehr Komfort zu nutzen: Ein Windrad sorgt seitdem für Zuschuss an dunklen Tagen. - Morgens zu sehen, dass die Batteriespannung über Nacht gestiegen ist, ist auch was Schönes….
Abb. 2 — Haus von Christfried Lenz: Solarthermie- und Photovoltaik-Inselanlage. •
Energiewende von unten - auch gegen den politischen Willen
Abgesehen von den erwähnten 15 Tagen brauche ich mir keinerlei Gedanken um den Stromverbrauch zu machen. Fernseher, Spülmaschine, Kühltruhe habe ich nicht. Sonstige übliche elektrische Haushaltsgeräte sind vorhanden. Hinzu kommen Rasenmäher, Kettensäge und Handwerksmaschinen, die oft benutzt werden.
Von März bis Oktober gibt es mehr Strom, als ich verbrauchen kann. Um die Abregelungen zu vermindern, habe ich 2015 ein (dreirädriges und einsitziges) „CityEl“ angeschafft. 21.000 Diesel-Kilometer hat es bisher eingespart.
Trotzdem geht weiterhin viel zu viel Strom verloren. Wenn dieser – ebenso wie die im Sommer anfallende überschüssige Wärme – in den Winter übertragen und zum Heizen genutzt würde, wäre die Sache rund. Dass ich bisher im Winter Holz verbrennen muss, bedaure ich sehr. Denn der im Holz festgelegte Kohlenstoff sollte nicht wieder als CO₂ in die Atmosphäre gelangen.
Insgesamt motiviert mich aber meine Erfahrung, mit großer innerer Sicherheit für die Energiewende zu werben. Wenn ich als Mensch mit sehr kleinem Budget mich problemlos zu 100% mit Solarstrom versorgen kann, dann muss das dieser reichen Gesellschaft erst recht möglich sein!
Eigenversorgung hat zudem einen sehr wichtigen Nebeneffekt: sie stärkt das Selbstvertrauen von Individuen und wirkt emanzipierend. Die „oberen Etagen der Gesellschaft“, also Konzernlenker und in ihrem Schlepptau die Regierungen, haben die Energiewende nie gewollt. Schon das „Ur-EEG“ 2000 musste gegen den Willen der Regierung durchgesetzt werden. Eine Gruppe von Parlamentariern um Hermann Scheer (SPD) und Hans-Josef Fell (Grüne) verfassten es und brachten es als „Parlamentsgesetz“ durch den Bundestag. In der Folgezeit wurde es durch bürokratische Auflagen zunehmend deformiert. Heute verortet ein Grüner Wirtschaftsminister Versorgungssicherheit und Friedensenergie nicht bei den Erneuerbaren, sondern im LNG, dem klima- und umweltschädlichsten Brennstoff überhaupt. Diesem werden durch ein Beschleunigungsgesetz Naturschutz- und sonstige Auflagen aus dem Weg geräumt, während den Erneuerbaren das bürokratische Korsett erhalten bleibt.
Wie sich – seit die Energiepreise durch die Decke gehen – auch ganz empirisch zeigt, sind es also nicht die oberen, sondern die unteren und mittleren Regionen der Gesellschaft, die ein existenzielles Interesse an der Energiewende haben. Mithin sind sie die Hoffnungsträger für die Erhaltung lebensfreundlicher Bedingungen auf dem Planeten. Von den bestehenden Obrigkeitsstrukturen kann man das nicht erwarten. Große Teile der Bevölkerung selbst werden Gestaltungshoheit ausüben müssen. Um in diese Aufgabe hineinzuwachsen, ist die Verantwortungsübernahme für autonome Versorgung mit erneuerbaren Energien grundlegender erster Schritt.
Abb. 01 — Christfried Lenz mit seinem 0,4-kW-Kleinwindrad. Foto: C. Lenz. •
Chronik: Ausstattung zur eigenen Energieversorgung
Seit 2003 lebt Christfried Lenz in der Region Altmark (Sachsen-Anhalt), in der Nähe des Ökodorfes Sieben Linden. 2006 begann er, an der energetischen Unabhängigkeit seines Haushalts zu arbeiten.
- 2006 stattete er sein Haus mit einer Solarthermieanlage (20 m² Flachkollektoren und 6.000 Liter Wasserspeicher, Kosten ca. 8.000 Euro) aus.
- 2013 kam eine Photovoltaik-Inselanlage hinzu. 18 Schüco-Module (zuvor bereits 4 Jahre lang gebraucht) decken seitdem mit ihren 3 KWp seinen Strombedarf zu 100%.
- 8 hintereinander geschaltete Blei-Säure-Batterien à 6 Volt und 225 Ah (Trojan T 105) bilden den Speicher.
- Laderegler TriStar MPPT 60 und Wechselrichter MultiPlus 3.000 VA von victron energy vervollständigen das System
- Kosten gesamt (inclusive professioneller Dachmontage) knapp 5.000 Euro.
- 2019 wurde es durch ein Kleinwindrad „Silentwind 400“ ergänzt, welches maximal 400 Watt erzeugen kann. Inclusive 80 Meter Kabel betrugen die Kosten ca. 2.500 Euro
Christfried Lenz
Christfried Lenz ist promovierter Musikwissenschaftler. Seit langem setzt er sich als Autor und Aktivist für Umwelt- und Klimaschutzbelange ein, vor allem auch für regenerative Bürgerenergie. So ist er u.a. Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG und Aufsichtsratsmitglied im Bündnis Bürgerenergie.