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Liebe Leserinnen und Leser,

nicht schlecht gestaunt habe ich, als ich zuletzt mit den Öffis durch den Kölner Nordwesten fuhr. Das Görlinger Zentrum, mit seinen vielen Hochhäusern aus den 60er und 70er Jahren, gilt als sozialer Brennpunkt. Und plötzlich, mittendrin, ein Hochhaus mit je zwei schimmernden PV-Modulen an jedem Balkon. „Steckersolar für alle!“, denke ich erfreut. Das kam an diesem Ort völlig unerwartet und wirkte umso intensiver: total schick und futuristisch. Insgeheim feiere ich schon die zuständige Immobiliengesellschaft und nehme mir vor, der Sache auf den Grund zu gehen.

Das Ergebnis meiner Recherchen dämpft meine Begeisterung: Bereits im Jahr 2001 sanierten die Landesentwicklungsgesellschaft NRW und eine ansässige Siedlungsgesellschaft 640 Wohnungen, verbesserten die Wärmedämmung zur Reduktion des Heizenergiebedarfs, installierten Photovoltaikanlagen auf den Flachdächern, als Fassadenelemente und an Balkonbrüstungen. Zweifelsohne hatten Land und Vermietungsgesellschaft im Jahr 2001 schlau gehandelt und die Gebäude im Rahmen der Sanierung einheitlich für die Zukunft ertüchtigt.

Diese Zukunft ist jetzt. 
Aus dieser Perspektive betrachtet, empfinde ich es als bitter, dass dieser geschaffene Leuchtturm, dessen Glanz mich im vorbeifahrenden Bus so erfreut hat, seit über 20 Jahren keine weitere Verbreitung und flächendeckende Nachahmung gefunden hat. Immerhin hatte man 2001 alles richtig gemacht und neben den notwendigen CO₂-Einsparungen den Mieterinnen und Mietern im sozialen Wohnungsbau einen direkten Zugang zur Photovoltaik ermöglicht. Menschen, denen nicht ein eigenes Dach zur Verfügung steht, konnten über gemeinschaftliche Auf-Dach-Lösungen und kleinste PV-Anlagen an den Balkonen an der Energiewende teilhaben.

Und das, liebe Leserin und lieber Leser, ist zentral: Alle Menschen unserer Gesellschaft müssen Zugang zu erneuerbaren Energien bekommen. Teilhabe ist das Wort, das die notwendige gesellschaftliche Transformation überhaupt erst möglich macht. Das war wohl auch bereits 2001 bekannt. Ein Spillover-Effekt wurde durch die Maßnahmen aber nicht erzielt. Neben den damals hohen Preisen für Photovoltaik und den im Vergleich zu heute geringen Modulleistungen, sind die Gründe dafür auch in den politischen Rahmenbedingungen zu finden. 


Und während wir vom SFV noch an dieser Ausgabe arbeiten, tritt am 16.5.2024 das Solarpaket 1 in Kraft. Mit mehr als zwei Dekaden Verzögerung, besteht nun eine verbesserte politische Grundlage für die flächendeckende Verbreitung von Steckersolar- bis hin zu großen gemeinschaftlichen PV-Lösungen. Das Team und der Vorstand des SFV haben mehrfach an Feedbackrunden zum Gesetzestext teilgenommen. Susanne Jung hat als geschäftsführende Vorständin persönlich am Runden Tisch des BMWK in Berlin unsere Konzeptideen und Forderungen vorgestellt. Endlich werden – wenn auch nicht alle – lange geforderte Erleichterungen erlaubt. Diese gelten besonders auch für den Einsatz von Steckersolaranlagen, und das, was 2001 noch kompliziert war, wird wesentlich einfacher – wenn auch nicht vollends gerecht. Die fehlende Einspeisevergütung ist ein Wermutstropfen, der geblieben ist.

Dieser Solarbrief „Stecker- und Balkonsolar 1x1“ zeigt Ihnen, wie die kleinste aller PV-Lösungen, die unabhängig von Eigentum und finanziellen Mitteln das Potenzial hat, ALLE in die Energiewende einzubeziehen, funktioniert.  

Viele Grüße,

Stefanie Könen und das SFV-Team

© Stefanie Könen Abb 1 — Mehrparteienhaus mit Steckersolaranlagen seit 2001. Der Leuchtturmeffekt blieb leider aus.