"Für und Wider" einer Quotenregelung

Auseinandersetzung mit verschiedenen Argumenten zur möglichen Einführung einer Quotenregelung

Leserbrief von Jan Tönnies

1. Die Diskussion um den Ersatz des geltenden Stromeinspeisegesetzes durch ein Quotensystem ist unnötig wie ein Kropf.

Wir haben mit dem geltenden Stromeinspeisegesetz eine funktionierende Regelung, die ihr Ziel, nämlich die wirtschaftliche Grundlage für die Erzeugung von elektrischer Energie unter Einsatz regenativer Träger zu schaffen, erfüllt. Dieses Gesetz bedarf einer Überarbeitung, nicht aber einer Beseitigung.

Die Behauptung, rechtliche, insbesondere auch europarechtliche Rahmenbedingungen würden ein Quotensystem erzwingen, ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die im Kampf um das faktische Erzeugungsmonopol alles tun, um jedes System einer Förderung nicht von ihnen erzeugter elektrischer Energie als rechtlich nicht zulässig zu diskreditieren.

Es ist nicht zufällig, daß es die in der VDEW zusammengeschlossenen Unternehmen der Stromwirtschaft sind, die die Diskussion über die Quote fördern; es ist auch nicht zufällig, daß es vermeintlich unabhängige, tatsächlich aber von der Stromwirtschaft finanzierte und gelenkte Institutionen wie die in Kiel ansässige Energiestiftung sind, die das Quotenmodell vertreten.

Die gebotene Korrektur kann nur durch ein preisregulierendes System erfolgen.

2. Ein Quotensystem ist als mengenregulierendes System wirtschaftspolitisch nicht zu begründen, da die Förderung regenerativer Stromerzeugung ihre Grundlage allein in der wohlfahrtsökonomisch als falsch darstellenden Nicht-Abbildung der externen Kosten der Stromerzeugung in dem Preis findet.

2.1. Einem die Einspeisevergütung regelnden System wie dem Stromeinspeisegesetz liegt der Gedanke zugrunde, daß denjenigen, die elektrische Energie ohne solche externen Kosten erzeugen, ein Bonus zukommen muß: Da es politisch und administrativ offenbar auf unüberwindbare Hindernisse stößt, die externen Kosten atomar und fossil getragener Stromerzeugung durch eine entsprechende Abgabe zu internalisieren (in einem solchen Fall würde es einer Förderung „grünen Stroms" nicht bedürfen), geht das Stromeinspeisegesetz den (zweitbesten) Weg der Begünstigung derjenigen, die elektrische Energie ohne oder jedenfalls mit geringeren externen Kosten erzeugen.

Dieser Ansatz des Stromeinspeisegesetzes ist ökonomisch rational: Die Nicht-Berücksichtigung der mit der Erzeugung elektrischer Energie verbundenen Belastungen der Umwelt in dem für diese verlangten Preis stellt sich wirtschaftspolitisch als Subvention der gesamten Energiewirtschaft dar. Diese Subvention bewirkt, daß mehr elektrische Energie erzeugt und verbraucht wird, als es bei einer Anlegung wohlfahrtsökonomischer Kriterien richtig ist. So betrachtet stellt sich das System der Einspeisevergütung wirtschaftspolitisch nicht als eine Beihilfe, sondern als ein Mittel zur Kompensation der aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht vernünftigen, auf der Nicht-Berücksichtigung der externen Kosten beruhenden Besserstellung atomar und fossil getragener Stromerzeugung gegenüber „grünen Kraftwerken" dar.

2.2. Das dem Quotensystem zugrundeliegende Prinzip der Mengenregulierung (statt des dem Stromeinspeisegesetz zugrundeliegenden Prinzips der Preisregulierung) findet seine Begründung dagegen in dem Versuch, bestimmte sich allein aus politischen Willensbekundungen ergebende, ökonomisch nicht begründbare Mengenziele durchzusetzen.

Eine in das Marktgeschehen eingreifende Mengenregulierung hat dort ihren Sinn, wo es darum geht, ein von außen vorgegebenes Mengenziel durchzusetzen, wie es etwa das Schwerbehindertengesetz durch die sich an Arbeitgeber richtende Vorgabe einer Quote von unter Vermeidung einer Pönale einzustellenden Betroffenen macht. Zum Ausgleich der Nicht-Berücksichtigung externer Kosten ist ein mengenregulierendes System schon vom Grundansatz her ungeeignet.

Eine Menge, oberhalb derer ein Mehr an ohne Belastung der Umwelt erzeugter elektrischer Energie nicht mehr sinnvoll ist, gibt es dagegen nicht, es gibt allein eine Grenze, oberhalb derer der mit der Erzeugung grünen Stroms verbundene Mehraufwand nicht mehr vertretbar ist; es stellt sich nicht die Frage, wieviel „grünen Strom" sich die Gesellschaft leisten kann, sondern welchen Mehrpreis wir bereit sind, für ohne Belastung der Umwelt erzeugten Strom zu bezahlen.

2.3. Dem Leser - insbesondere dem primär ökologisch motivierten Leser - mag diese Herleitung als akademisch erscheinen. Er mag aber berücksichtigen, daß eine Regelung, die nicht auf einer wirtschaftspolitisch herleitbaren Basis beruht, als in einer Wettbewerbsordnung systemfremd in ihrer Umsetzung auf unüberwindbare Hindernisse stoßen wird.

3. Die mit der Quote erfolgende Begrenzung regenerativ erzeugten Stroms führt zu einer Verdrängung unabhängiger Stromerzeuger durch die Oligopolisten und sichert damit die gegebene Struktur dieses Wirtschaftsbereichs mit den damit verbundenen negativen gesamtwirtschaftlichen Folgen.

3.1.Ein Quotensystem, dessen Adressaten die Unternehmen der Stromerzeugungswirtschaft sind, verlangt von diesen den Nachweis, daß ein bestimmter Prozentsatz der von ihnen erzeugten elektrischen Energie „grün" ist. Die Wirkung dieses Systems, nämlich der Erhalt des Erzeugungsoligopols, ist offenbar.

3.2. Nun glauben die Befürworter einer Quotenregelung dieses Problem durch den Vorschlag eines Zertifikatmodells lösen zu können: Adressat einer solchen Regelung sollen die Großverbraucher und die die sonstigen Verbraucher beliefernden Verteilerunternehmen sein; diese werden veranlaßt, zur Vermeidung einer Pönale für einen durch die Quote vorgegebenen bestimmten Prozentsatz ihres Strombezugs deckende Zertifikate anzukaufen, zu deren Verkauf die Erzeuger „grünen Stroms" berechtigt sind. Ein börsenartiger Handel mit den Zerfifikaten soll damit ökonomische Effizienz bewirken.

3.3. Zu glauben, daß sich ein solcher Markt ergeben würde, ist illusorisch. Dieselben Mechanismen, die bisher unter Ausschluß jedes Wettbewerbs bewirkt haben, daß die Verteiler-EVU ihren Strombedarf praktisch ausschließlich bei ihrem „zuständigen" Liefer-EVU decken (bei dem es sich im übrigen regelmäßig um deren Eignerin oder jedenfalls Mit-Eignerin handelt) werden dasselbe auch für den zweiten (Zertifikats-)Markt bewirken.

Die etablierten EVU werden es auch verstehen, Großkunden durch Koppelgeschäfte an sich zu binden, die Lieferung von Strom also mit der Abnahme auch von „grünen Zertifikaten" des EVU (oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens) abhängig zu machen.

3.4. Selbst wenn sich ein zweiter (Zertifikats-)Markt für „grünen Strom" etablierten würde, so wäre dieser doch der Gefahr von Manipulationen durch die Unternehmen der Stromwirtschaft unterworfen: Schon ein die staatlich vorgegebene Quote geringfügig übersteigendes Angebot an Zertifikaten würde deren Preis auf ein Niveau fallen lassen, auf dem nur die zu einer Mischkalkulation fähigen etablierten Unternehmen der Stromwirtschaft auf dem Markt verbleiben würden.

4. Eine „grünen Strom" quotierende Regelung ist eine diesen limitierende und damit die Menge des atomar und fossil getragenen erzeugten Strom sichernde Regelung.

4.1. Die Quote begrenzt den Anteil regenerativ erzeugten Stroms auf einen willkürlich festgesetzten Betrag. „Grüner Strom", der die Quote übersteigt, wäre zu wirtschaftlichen Bedingungen nicht mehr absetzbar. Es ist nun aber - wiederum aus wohlfahrtstheoretischer Sicht - nicht einsehbar, daß ohne die Bewirkung externer Kosten erzeugte elektrische Energie nicht absetzbar wird, nur weil durch deren Erzeugung ein ohne ökonomische Rationalität festgesetztes Plan-Soll übererfüllt wird

4.2. Die Begrenzung des unter Einsatz von regenerativen Energieträgern erzeugten Stroms auf die politisch bestimmte Quote ist eine Bestandsgarantie für die Anlagen, die nicht regenerative Energieträger einsetzen: Jeder Politiker kennt die Überzeugungskraft des Arguments der „strandet investments" (auf das der Wohlfahrtsökonom mit einem knappen „so what" antwortet); in der politischen Realität wird bei der Festlegung der Quote die Frage nicht (wie es geboten wäre) lauten, wieviel regenerativ erzeugte elektrische Energie wir brauchen, sondern wieviel regenerativ erzeugte elektrische Energie wir uns leisten können. Und diese Frage wird - so zeigt die Erfahrung - im Hinblick auf die bestehenden Überkapazitäten zu einer die regenerativ erfolgende Stromerzeugung nicht fördernden Art und Weise beantwortet werden.

Dies ist ein systematischer Fehler, der sich bei einem mengenregulierenden System - anders als bei einem preisregulierenden System - nicht vermeiden läßt.

5. Das Quotensystem ist ökonomisch ineffizient, da es die jeweiligen Grenzerzeugungskosten regenerativ erzeugter elektrischer Energie nicht abbildet und damit zu einer gesamtwirtschaftlich ineffizienten Auslegung und Betriebsführung von „grünen Kraftwerken" führt.

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5.1. >Im volkswirtschaftlichen Sinn effizient ist eine wirtschaftspolitische Regelung dann, wenn sie Signale setzt, die die Adressaten der Regelung zu einem gesamtwirtschaftlich „richtigem Verhalten" veranlaßt. Für den Bereich der Stromerzeugung heißt dies, daß Kraftwerke in einer Art und Größe gebaut und in einer Art und Weise betrieben werden, bei dem sie den größten gesamtwirtschaftlichen Nutzen haben.

Gegen diesen Grundsatz verstößt das Quotenmodell, da es in unzulässiger Weise nicht berücksichtigt, daß die Grenzerzeugungskosten (und damit die durch die Erzeugung elektrischer Energie in regenerativ betriebenen Anlagen vermiedenen Kosten) sich als eine Funktion der jeweiligen Gesamtnetzlast darstellen Strom hat zu Schwachlastzeiten einen Wert von etwa 3 Pfennigen, zu Spitzenlastzeiten von mehr als DM.

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5.2. Bei einem Zertifikationsmodell soll der Betreiber einer regenerativ betriebenen Anlage für eine bestimmte Menge elektrischer Energie - etwa 10.000 kWh - ein Zertifikat verkaufen dürfen. Ob diese 10.000 kWh nun zu Schwachlastzeiten eingespeist worden sind (und damit gesamtwirtschaftliche Kosten in Höhe von 300 DM vermieden haben) oder aber zu Spitzenlastzeiten (und damit gesamtwirtschaftliche Kosten von Höhe von mehr als 10.000 DM vermieden haben), bleibt unberücksichtigt. Der Betreiber hat daher keine Veranlassung, sein Kraftwerk in Abhängigkeit von der jeweiligen Gesamtnetzlast (und damit - weil die durch den Betrieb vermiedenen gesamtwirtschaftlichen Kosten minimierend - richtig) zu fahren.

5.3. Ein mengenregulierendes System ist nun nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch unsinnig, da es zu einer unrichtigen Auslegung insbesondere eines Blockheizkraftwerks führt: Bei einem mengenregulierenden System werden solche Anlagen auf die Erreichung einer maximalen Anzahl von Jahresbetriebsstunden und damit nur auf einen Bruchteil der höchsten Wärmelast ausgelegt, wodurch das Potential, daß sich bei einer den Wert der erzeugten elektrischen Energie maximierenden (und damit gesamtwirtschaftlich richtigen) Auslegung ergeben würde, nur zu einem Bruchteil erreicht wird.

5.4. Diesem sich aus grenzkostentheoretischen Überlegungen ergebenden Aspekt kommt für Anlagen, deren Erzeugungsgrenzkosten vernachlässigt werden können (wie insbesondere Windenergieanlagen) keine praktische Bedeutung zu, wohl aber für Blockheizkraftwerke und Biogasanlagen. Es verblüfft daher, daß in der aktuellen Diskussion eine Quotenregelung ausgerechnet für den Bereich vorgeschlagen wird, in dem sie ökonomisch falsch ist, nämlich für in Kraftwärmekopplung gefahrene Kraftwerke.

5.5. Es wird nun nicht verkannt, daß auch das Stromeinspeisegesetz in seiner jetzigen Form unter diesem Mangel leidet. Bei einem preisregulierenden System ist dies aber kein systemimmanenter sondern ein heilbarer Fehler; hier bedarf es lediglich der Ausbildung der Mehrvergütung als prozentualem Aufschlag auf den jeweiligen Marktpreis (der nichts anderem als den jeweils vermiedenen Kosten entspricht).

Dies bedarf der Einführung eines die jeweiligen Systemgrenzerzeugungskosten abbildenden (und damit lastvariabel, leistungspreisfrei ausgebildeten) Preissystems auf allen stromwirtschaftlichen Ebenen. Daß ein solches System problemlos verwirklicht werden kann, zeigt das dänische Beispiel.