Lieferung an Ökostromanbieter Ergänzung oder Ersatz für das Stromeinspeisungsgesetz ?
Aus der Sicht eines WasserkraftwerkbetreibersManfred Lüttke
Manfred Lüttke ist 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke. |
Die Stromwirtschaft hat schon lange versucht, sich ein Öko-Mäntelchen umzuhängen, indem man gutgläubige Kunden suchte, die bereit waren, für den angeblichen Bezug von Öko-Strom Aufpreise zwischen 8 und 12 Pf/kWh zu zahlen. Diese EVU-Werbekampagnen konnten bei weitem nicht so viele Abnehmer zum Abschluß eines Ergänzungsvertrages bewegen, wie die Stromkonzerne dies wünschten. Deshalb mischen jetzt auch die großen Verbundunternehmen bei der Neugründung sogenannter Ökostromhandelsgesellschaften kräftig mit.
Den Abnehmern wird meistens suggeriert, mit dem Abschluß eines Sonder-Stromvertrages käme aus seiner Steckdose nur noch Öko-Strom anstelle des üblichen Strommixes aus Kohle- und Kernkraft.
Tatsächlich aber erhält der Abnehmer - egal wieviele Schilder er auf seinen Zähler klebt und gleichgültig einen wie hohen Zuschlag er für den Ökostrom bezahlt - dennoch immer nur den gleichen üblichen Strommix, bestehend aus überwiegend endlichen Energien, da irgendwo ins Netz eingespeister Öko-Strom gleichgültig ob aus Sonne, Wind oder Wasser niemals gezielt durch das allgemeine Netz zu bestimmten Abnehmern hin- oder durchgeleitet werden kann. Jeder Strom, gleichgültig aus welcher Erzeugungsquelle eingespeist, geht in das allgemeine Netz so ein wie ein Fluß in das Salzwasser des Meeres.
Der Endabnehmer, der aus ökologischer Verantwortung heraus einen Aufpreis für Umweltstrom bezahlt, muß sich darüber im Klaren sein, daß er dennoch weiterhin nur den gleichen Strommix, keineswegs aber reinen Umweltstrom erhält.
Wer dennoch damit wirbt, der Stromkunde erhalte nach Abschluß eines Ökostromlieferungsvertrages reinen Umweltstrom, verstößt gegen die Grundsätze des Wettbewerbsrechts, weil wissentlich etwas angeboten wird, was in dieser Form nicht geliefert werden kann.
Gegen eine neu gegründete Naturstromanbieterin - ein Tochterunternehmen zweier Stromkonzerne -, die damit warb, daß nur noch reiner Öko-Strom zum Zähler des Kunden geliefert werde, wenn dieser den Vertrag unterzeichne und eine Kleber auf dem Zähler anbringe, wurde beim zuständigen Landesgericht Unterlassungsklage eingereicht. Der Vorstandsvorsitzende einer der beiden Muttergesellschaften hatte bereits ungeniert verlautbart, daß er das große Potential seiner Rheinwasserkräfte künftighin bundesweit gegen Aufpreis an Direktkunden vermarkten will.
In diesem Fall geht es unübersehbar nur darum, den Strom aus Wasserkraftwerken, deren Errichtung der Kunde bereits über den normalen Strompreis bezahlt hat, zum höheren Wohl des Versorgungsunternehmens und zur Erzielung noch höherer Gewinnmargen an gutgläubige Kunden zu vermarkten, die glauben, damit etwas zur Schonung der Umwelt beizutragen.
Die Aktivitäten der ständig steigenden Anzahl sogenannter Öko-Stromanbieter sind daher sehr sorgfältig und kritisch zu analysieren. Es drängt sich auch der begründete Verdacht auf, daß es vielen dieser Anbieter weniger um die Förderung von Öko-Strom, sondern vorrangig einmal um die Jagd nach der schnellen Markt geht. Wenn angeboten wird, daß die örtlichen Strombezugsverhältnisse unverändert die gleichen bleiben, es müsse nur per seperater Rechnung ein Zuschlag an das betreffende Unternehmen gezahlt werden, handelt es sich im eigentlichen Sinn nur um eine Spenden-Einwerbungsorganisation, bei der offen bleibt, ob und wieviel der so gesammelten Aufpreisspenden letztlich dem Bau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie zugute kommt.
In der Regel dienen die eingeworbenen Beträge vorab zuerst einmal der Finanzierung des neu gegründeten Öko-Strom-Handelsunternehmen und seiner Initiatoren. Ob und welche Beträge dann letztendlich in die direkte Förderung umweltfreundlicher Anlagen fließen, dürfte meistens nur schwer erkennbar sein.
Um diese Bedenken zu zerstreuen, bieten „Öko-Strom-Handelsunternehmen" Wind- und Wasserkraftbetreibern Verträge an, in denen den Einspeisern für das Eingehen der Lieferverpflichtung ein Aufpreis zum Einspeisungsgesetz angeboten wird.
Die bis jetzt dem Verfasser bekannt gewordenen Angebote lagen bei einem Aufschlag zwischen 1 und 1,5 Pf/kWh auf die Sätze des Einspeisungsgesetzes, wohingegen die Aufschläge, die den Abnehmern von Naturenergie abverlangt werden, meistens zwischen 8 und 10 Pf/kWh brutto, vor Mehrwertsteuer, also zwischen 6,98 und 8,62 Pf/kWh liegen. Der Erzeuger von Strom aus Wind- und Wasserkraftwerken erhält also nur einen Bruchteil des Aufschlages, der an den Kunden berechnet wird.
Dieses Verhältnis erscheint schlicht unausgewogen, ein Aufpreis aus der Vermarktung von Öko-Strom sollte zumindest jeden der beiden Parteien hälftig zukommen, bei einem Verteilungverhältnis von 20-25% für den Erzeuger und 75-80% für den Händler macht nur eine Partei ein Geschäft, der Abnahmevertrag mit dem Öko-Strom-Erzeuger dürfte in diesem Falle wohl in erster Linie Alibifunktion haben.
Abnahmebedingungen der Öko-Stromhändler
Aus den bisher hier vorliegenden Vertragsangeboten ist zu ersehen, daß der jeweilige Öko-Stromhändler fast nie die gesamte Produktion, sondern nur ein Teil der jeweiligen Stromproduktion aus der Wind- und Wasserkraftanlage abnehmen will.
Darüber hinaus werden teilweise Vertragsbedingungen vorgegeben, die nicht akzeptabel sind.
Hier liegt unter anderem das Angebot einer Öko-Strom-Handels AG aus Hamburg vor; diese räumt von vornherein ein, daß sie nur einen Energiemix liefert, der zu 50% aus erneuerbaren Energiequellen stammt. In diesem Fall muß darüber nachgedacht werden, ob nicht schon die Firmenbezeichnung wettbewerbswidrig ist, weil unter der Firmierung „Öko-Strom-Handels AG" jeder annehmen darf, daß nur reiner Ökostrom geliefert wird. Das Unternehmen sucht derzeit Lieferanten aus Strom von Wasserkraft und bietet diesen Vertragsentwürfe an, gemäß denen der Vertragspartner 1 Pf/kWh mehr als per Einspeisegesetz erhalten soll. Welche konkreten Aufschläge den Kunden abverlangt werden, ist aus diesem Vertragsentwurf nicht ersichtlich.
Der Vertragsentwurf erscheint aus hiesiger Sicht aus folgenden Gründen unannehmbar:
1. Die Abnahme soll nur im Rahmen des Lastprofils der Kunden dieser Handelgesellschaft erfolgen. Es wird ausdrücklich vereinbart, daß Energie, die über das Lastprofil hinaus geliefert wird, nicht Gegenstand dieses Vertrages ist.
2. Der Einspeiser soll akzeptieren, daß die Abnahme durch „Öko-Strom" jederzeit dann eingestellt wird, wenn die eingespeiste Energie „an der Entnehmeranlage nicht eingespeist werden kann". Im Klartext bedeutet dies, daß dann, wenn der jeweilige Bedarf zurückgeht, keine Vergütung mehr gezahlt wird. Der Einspeiser hat aber trotz Vertrag keinerlei Kalkulationsbasis darüber, was er denn nunmehr tatsächlich verkaufen und erlösen kann. Er kann auch nichts kontrollieren; er ist gezwungen, das zu akzeptieren, was ihm der Öko-Stromhändler am Monatsende als angeblich durchgeleitet anerkennt und bezahlt. Was dann übrig bleibt muß der örtliche Netzbetreiber als sogenannte Überschußstrom nach dem Einspeisungsgesetz abnehmen und vergüten.
3. Umgekehrt aber soll der Einspeiser dem Stromhändler für alle Schäden haften, die diesem durch Unterbrechung der Stromlieferungen des Einspeisers entstehen.
Vor dem Abschluß derartig einseitiger Verträge kann nur dringend gewarnt werden.
Stromeinspeisungsgesetz überflüssig?
Generell besteht bei Arrangements mit Öko-Stromhandelsgesellschaften die Gefahr, daß die monopole Stromwirtschaft dann argumentiert: das Stromeinspeisungsgesetz sei jetzt überflüssig und könne aufgehoben werden, da die Kleineinspeiser ja am Markt über Verträge mit Öko-Stromhändlern weit höhere Preise erzielen könnten.
Wenn überhaupt über einen Vertrag mit Öko-Stromhändlern nachgedacht werden soll, dann muß natürlich ein wesentlich ausgewogeneres Vertragsverhältnis zugrunde gelegt werden, als die Bedingungen, die vorausgehend erläutert wurden.
Außerdem muß in jedem Vertrag als Präambel festgehalten werden, daß durch diese Vereinbarung die notwendige Grundlage für die Vergütung nach Einspeisungsgesetz unangetastet bleibt und das dieser Vertrag auch nicht die Zielsetzung verfolgt, das Einspeisungsgesetz zu ersetzen,
vielmehr soll über die zusätzliche Vergütung eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der bestehenden Anlagen erreicht werden, um auf diese Weise Anreize für den verstärkten Ausbau der noch vorhandenen Ressourcen erneuerbarer Energiequellen zu schaffen.
Ein Vertragsverhältnis, bei dem der Öko-Stromhändler den erzeugten Strom nur stundenweise, ohne vorhergehende Festlegung, abnimmt und vergütet, ist abzulehnen; dies auch dann, wenn es sich bei einem solchen Vertragsverhältnis aufgrund der Unmöglichkeit der direkten Durchleitung von Öko-Strom zu einem Dritten im eigentlichen Sinne nur um ein symbolisches Vertragsverhältnis handelt, das in dieser Form in der Praxis nicht umgesetzt werden kann.
Bei allen derzeit vorliegenden Abnahmeangeboten erscheint es völlig unzureichend, daß der Einspeiser nur 1 bis max 1,5 Pf/kWh Aufpreis erhalten soll, wohingegen der Öko-Stromhändler zwischen 6,5 und 9 Pf/kWh Mehrpreis kassiert.
In aller Deutlichkeit muß klargestellt werden, daß der Grundsatz der Vergütung nach Einspeisungsgesetz in vollem Umfang aufrechterhalten und unangetastet bleibt.
Die Bestrebungen der Öko-Stromhändler, Vertragsverhältnisse mit unabhängigen Produzenten einzugehen, stehen erst am Anfang; ob es in der Folge zu akzeptablen und annehmbaren Vertragsangeboten kommt, muß abgewartet werden. Euphorie ist also fehl am Platz; um so mehr wird vorsichtige Zurückhaltung empfohlen.
Bis jetzt ist dem Verfasser noch kein Vertragsangebot eines Öko-Stromhändler vorgelegt worden, das akzeptabel ist und dessen Abschluß empfohlen werden kann. Selbst wenn der Öko-Stromhandel künftighin bessere Vertragsbedingungen anbieten sollte, dann kann dennoch nur dann über ein eventuelles Vertragsverhältnis nachgedacht werden, wenn der betreffende Vertrag eine Präambel beinhaltet, die den Vorrang und die Unverzichtbarkeit des Einspeisungsgesetzes festschreibt, wobei dann gleichzeitig auch ein Verteilungsschlüssel für die Aufteilung der vom Kunden verlangten Aufpreise zugrundegelegt werden muß. Vorausgehend muß auch sichergestellt werden, daß der Netzbetreiber in jedem Falle die verbleibende Einspeisemenge übernimmt.
Solange diese erläuterten Voraussetzungen alle nicht gegeben sind, erscheint es zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt besser, vorderhand keine Verträge oder Vereinbarungen mit Öko-Stromhändlern einzugehen.
Anmerkung der Redaktion: Nur wer nach dem Stromeinspeisungsgesetz eine Vergütung unterhalb des KV-Satzes erhält, dürfte überhaupt Interesse haben.