Kostendeckende Vergütung und die Stromwechsler
Behauptung der EVU: Die kostendeckende Vergütung sei in einem Wettbewerbsmarkt ein Fremdkörper und durch den absehbaren Wechsel von Stromkunden zu anderen Anbietern könne die Umlage für die kV nicht mehr aufgebracht werden. Stimmt diese Behauptung?
Von Rolf Fahle und Ernst Schrimpff
Die Autoren Rolf Fahle und Ernst Schrimpff sind aktive Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft Bayrischer Solarinitiativen Sonnenkraft Freising e.V.Das neue Energiewirtschaftsgesetz (ENWG) vom 28.4.98 verlangt die eindeutige Trennung der EVU in Erzeugung, Durchleitung und Verteilung. Nicht die Erzeugungs- und Durchleitungs-EVU, sondern die Verteil-EVU sind nunmehr die alleinigen Vertragspartner (Auftagnehmer) der Kommunen. Entweder haben die Kommunen ihren Verfassungsauftrag auf Dauer an eigene Verteil-EVU (A-Kommunen mit eigenen Stadt- oder Gemeindewerken) oder auf Zeit an regionale Verteil-EVU (B-Kommunen) übertragen. Viele Kommunen sind sowohl dem A- als auch dem B-Bereich zuzuordnen, wenn im Gemeindegebiet sowohl ein lokales (z.B. Stadtwerke) als auch ein regionales Verteil-EVU (z.B IAW, OBAG) Auftragnehmer der Kommune sind.
Die nachfolgenden Ausführungen gelten fur alle Verteil-EVU, gleichgültig ob durch A- oder B-Kommunen beauftragt.
Die Verteil-EVU haben im Auftrag der Kommunen die Letztverbraucher in der Kommune sicher, preisgünstig und umweltverträglich mit Strom zu versorgen. Dies verlangt sowohl die Bundestarifordnung Elektrizität (BT0Elt) als auch das neue ENWG. Unerheblich dabei ist, ob, in welchem Umfang und wie die Verteil-EVU Gewinne im Stromhandel machen oder ihre Schwesterbetriebe Strom erzeugen oder Stromtrassen für die Durchleitung (Höchst- und Hochspannung) betreiben.
Die Stromkalkulation der Verteil-EVU besteht aus zwei Teilen: dem Beschaffungspreis und dem Versorgungspreis. Beide Teile enthalten eine Gewinnspanne.
Zum Beschaffungspreis
Die Verteil-EVU sind grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, bei welchem Erzeuger oder Stromhändler sie Strom einkaufen und - sofern Alternativen zur Verfügung stehen - welches Durchleitungsnetz sie zur Anlieferung benutzen wollen, es sei denn, sie werden durch Vertragspartner eingeschränkt oder sie werden mit dem Stromeinkauf überhaupt nicht beauftragt.
Die Kommunen könnten also von „ihrem" Verteil-EVU z.B. verlangen, daß im Gemeindegebiet kein Atomstrom verteilt wird, daß in bestimmten Umfang oder ausschließlich Strom aus Erneuerbaren Energieträgern eingekauft werden soll u.a.m. Die Vertragsbedingungen beeinflussen die Höhe des Beschaffungspreises, der in absehbarer Zukunft nicht mehr der Preisaufsicht sondern dem Markt unterliegt.
Zum Versorgungspreis
Aus dem Konzessionsvertrag mit der Kommune ergibt sich die Monopolstellung des Verteil-EVU für die Versorgung; sie bleibt damit auf Dauer des Vertrages erhalten.
Die Einführung der KV durch eine Kommune ist eine Verpflichtung an „ihr" Verteil-EVU, Strom aus Erneuerbaren Energieträgern, der ins Verteilnetz im eigenen Gemeindegebiet eingespeist wird, kostendeckend zu vergüten und die daraus folgenden Mehrkosten analog zum Stromeinpeisungsgesetz (StrEG) auf den Versorgungspreis umzulegen. Vergleichbares gilt ja auch für die Umlage der Konzessionsabgabe.
Wird der Konzessionsvertrag mit dem Verteil-EVU nicht verlängert, gehen die Verpflichtungen des alten Verteil-EVU auf das neue Verteil-EVU über und werden in dem neuen Vertrag festgeschrieben. Dadurch ist sicher gestellt, daß Anlagenbetreiber im Gemeindegebiet, deren Stromproduktion kostendeckend vergütet wird, tatsächlich 20 Jahre lang diese Vergütung erhalten.
Wechsel von Stromkunden zu anderen Lieferanten
Ist ein Stromtarif- oder Sonder-vertragskunde mit dem von der Kommune zur Versorgung beauftragten Verteil-EVU - aus welchen Gründen auch immer - unzufrieden, kann er seinen Stromlieferanten wechseln. Dieser neue Lieferant kann ein EVU oder ein Stromhändler sein, aber wegen des bestehenden, mit der Kommune vertraglich vereinbarten Versorgungsrmonopols kein anderes Verteil-EVU! (Mögliche, aber sicherlich sehr seltene Außnahme - Bau einer neuen Stichleitung zu einem Stromwechsler mit Trafostation, um dessen Abnahmespannungsebene zu erreichen.)
Der Stromwechsler erhält in Zukunft von seinem neuen Lieferanten zwar seine Stromrechnung, ist aber der monopolisierten Versorgung des bestehenden Verteil-EVU im Gemeindebereich nicht entkommen: Der „neue" Lieferant ist gezwungen, den Verteil-Service des „alten" Stromlieferanten (Verteil-EVU) in Anspruch zu nehmen und hat dafür der Versorgungspreis an das Verteil-EVU zu entrichten. Und in diesem Versorgungspreis steckt die Umlage für die kV und die Konzessionsabgabe.
Durch den Wechsel zu einem anderen Stromlieferanten kann der Stromkunde dem Verteil-EVU also lediglich die Gewinne aus dem Beschaffungspreis entziehen, nicht aber aus dem Versorgungspreis.
Schlußfolgerungen
Die vorgetragenen Argumente der EVU gegen die KV sind also unbegründet. Die KV ist genau so wenig ein Fremdkörper im Wettbewerbsmarkt wie die Konzessionsabgabe. Wer eine umweltgerechte Stromversorgung will, hat die dafür entstehenden Kosten zu tragen. Und wer als Verteil-EVU zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil eine Konzession erhält und fremdes Eigentum nutzt, hat für die entsprechendne Kosten aufzukommen. Deshalb sind für die Betreiber von z.B. Solarstromanlagen die KV-Verträge mit dem Verteil-EVU auf Dauer sicher und die Refinanzierung des Verteil-EVU durch die Umlage auf den Versorgungspreis ebenso; die Letztverbraucher in der Kommune können sich dem nicht entziehen, welchen Stromlieferanten auch immer sie wählen
Die bestehenden EVU haben allerdings durch die Stromwechsler und ihre neuen Lieferanten zu befürchten, daß die Schwesterunternehmen der Verteil-EVU weniger Strom verkaufen oder durchleiten können, bzw. sie selber im Stromhandel weniger Gewinne machen können.
Vor diesem Hintergrund wäre es jeder Gemeinde anzuraten, auf keinen Fall vorzeitig einen bestehenden Konzessionsvertrag zu verlängern. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Rechtsgültigkeit der Konzessionsverträge nach Einführung des EnWG noch nicht endgültig geklärt ist (anhängiges Gerichtsverfahren). Vielmehr sollten die Kommunen zur dauerhaften Absicherung ihrer Gemeindefinanzen darüber nachdenken, ob sie z.B. die Stromversorgung für ein Neubaugebiet an ein anderes (neues, eventuell gemeindeeigenes) Verteil-EVU vergeben oder ob sie selbst das in der Kommune bestehende Verteil-Netz ihres derzeitigen Verteil-EVU gegen Abfindung übernehmen wollen. Dies sieht das ENWG in § 13 Abs. 2 ausdrücklich vor.
Fazit
Auch wenn der Stromlieferant gewechselt wird, bleibt die Anzahl der umlageerbringenden Stromkunden gleich und die Einnahmen für die Konzessionsabgabe oder die kostendeckende Vergütung werden nicht geschmälert. Unzufriedene Kunden eines Verteil-EVU verringern allerdings durch einen Lieferantenwechsel den Stromhandelsgewinn dieses EVU. Das mag ein Problem für das EVU sein, nicht jedoch für die Kommune!