Leitartikel
Der Wahlausgang läßt Hoffnung aufkeimen, daß endlich die kostendeckende Vergütung für Solarstrom (KV) in das Stromeinspeisungsgesetz aufgenommen werden kann. Doch der Widerstand der Stromwirtschaft wird härter und zugleich subtiler. Sie versucht jetzt mit sozialpolitischen Argumenten Bedenken zu säen.
Worum geht es? Viele von uns, kleine Angestellte, Beamte, Ingenieure, Sozialarbeiter und Lehrer, die wir Spargeld mit 3 % Zinsen angelegt haben, bekommen Zweifel, ob die von der Strompreisaufsicht zugelassenen Renditen (6,5 % Verzinsung für Eigenkapital, 8 % Verzinsung für Fremdkapital) bei der KV nicht zu hoch sind... Unmut kommt auf, wenn Renditen von über 10 % für Windparks angeboten werden. Ob dies mit Steuertricks, Verlustabschreibungen etc. zusammenhängt, interessiert nur am Rande, denn letztlich muß Otto-Stromverbraucher diese Beträge entweder direkt über einen Zuschlag auf den Strompreis oder indirekt wegen Verminderung des allgemeinen Steueraufkommens bezahlen. Auch wenn es sich nur um Beträge von wenigen DM im Jahr handelt - der "kleine Mann" wird überall vermehrt zur Kasse gebeten, bei den Müllgebühren, bei den Abwassergebühren, bei der Mehrwertsteuer usw., usw. Im Gegensatz dazu wird bei den Großkonzernen klotzig verdient. Neulich äußerte ein Vertreter des wirtschaftspolitischen Flügels der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verächtlich, bei Renditeaussichten unter 11 % würden keine Investitionsentscheidungen mehr getroffen.
Wer bedenkt eigentlich die Folgen? Die zunehmende Zahl an Luxuskarossen im Straßenbild bei gleichzeitig zunehmender Zahl zunehmend aggressiver werdender Elendsgestalten in den nächtlichen Straßen- und Bahn-Unterführungen ist ein warnendes Indiz. Wenn der Wohlhabende mehr Gewinn über Zinsen und Steuertricks erwirtschaften kann, als derjenige, der regelmäßig seiner Berufsarbeit nachgeht, muß dies zu sozialem Unfrieden führen.
Vor diesem Hintergrund ist die Abneigung gegenüber den "goldenen Nasen", die man sich nun auch mit dem Bau von Solar- und Windanlagen verdienen können soll, nur zu verständlich. Doch betrachten wir das Problem einmal im größeren Zusammenhang.
Im Umweltbereich plant die neue Regierung zwei Maßnahmen, die sich gegenseitig fast ausschließen: Ausstieg aus der Atomenergie bei gleichzeitiger Reduzierung der CO2-Emissionen... Energiesparen und 100.000 Solardächer genügen da nicht als Ersatz. Es geht nicht um hunderttausend, sondern um Millionen von Solarstromanlagen, Tausende von Windanlagen, Wasserkraftanlagen und Biomasseanlagen. Und die Staatskasse, aus der immer alles finanziert werden soll, die ist leer. (Oder hat da jemand noch Zweifel?)
Wir brauchen also private Investoren in großer Zahl. Die Ehre, eine große Solaranlage oder einen Windpark finanziert zu haben, genügt potenten Investoren jedoch nicht. Jeder BWL-Student lernt bereits im Grundstudium: Kapital strömt dorthin, wo die größten Gewinne winken.
Und nun kommt die Gewissensfrage an uns alle: Wollen wir, daß die Betreiber von Wasserkraft-, Wind-, Solar- oder Biomasseanlagen Gewinne machen?? Ich will es noch schärfer formulieren: Wollen wir, daß die Erzeuger von Solar- und Windstrom die gleichen Gewinne erwirtschaften wie RWE, Preußen-Elektra, Bayernwerk usw., die mit Kohle und Atom die Umwelt zerstören und denen bekanntlich das Geld zu den Ohren herauskommt? Ja, wollen wir das?
Wir halten erschreckt inne: Geht es hier um eine Rangfolge der Probleme? Lautet die Frage tatsächlich, ob wir die Umwelt opfern müssen - oder - die soziale Gerechtigkeit? Stehen wir vor einer Entscheidung zwischen Pest und Cholera? ... Glücklicherweise ist die Frage so nicht gestellt. Die gegenwärtige steuerliche und soziale Gesetzgebung, welche die Armen ärmer und die Reichen reicher macht, wird von der Mehrzahl aller Wähler als ungerecht empfunden. Die neue Regierungskoalition ist mit dem Anspruch angetreten, die sozialen Verhältnisse zu verbessern - und - die Umwelt zu retten (ökologische Steuerreform ist eines der vielen Vorhaben). Es geht um eine gerechtere Steuer- und Sozialgesetzgebung - und - es geht um die Energiewende.
Es wäre allerdings fatal, wenn statt einer grundlegenden Reform der Steuer- und Sozialgesetzgebung nur an den Symptomen herumkuriert würde. Die Versuchung ist groß. Ob die Regierung Erfolg haben wird, die sozialen Verhältnisse zu verbessern, wissen wir noch nicht. Die Regierung kann aber leicht - leider allzuleicht(!) - verhindern, daß private Investoren mit Solar- oder Windanlagen Gewinne machen; sie braucht nur die Einspeisevergütung niedrig zu halten; der Beifall der Stromwirtschaft wäre ihr sicher. Und dann hat die Regierung doch wenigstens auf einem Gebiet einen "Erfolg". Aber es wäre ein Scheinerfolg. Alles bliebe - das sollten wir ganz illusionslos sehen - beim alten und weder die sozialen noch die Umweltprobleme würden gelöst. Das wäre entsetzlich, denn soziale Spannungen, Klimakatastrophe und Restrisiko sind eine ernste Bedrohung für uns alle.
Lassen Sie uns deshalb die neue Regierung ermutigen, beherzt beide Problemfelder anzugehen.
Mit herzlichen Grüßen
Wolf von Fabeck
PPS. Zur Frage der Interessenvertretung in Umweltfragen empfehle ich Ihnen den Beitrag des Ehepaars Lersch-Schumacher