"Blut für Öl" - eine Buchbesprechung
Gründe für eine Umstellung unserer Energieversorgung auf erneuerbare Energien gibt es viele. Hans Kronberger will mit seinem Buch "Blut für Öl" einen Grund hinzufügen, der auch hartnäckige Anhänger von Kohle und Öl überzeugt: weniger Kriege um knappe Ressourcen.
Von Georg Engelhard
Erdöl - Wegbereiter des industriellen Fortschritts
Den Anfang des Buches bildet eine kurze Geschichte der Entdeckung des Erdöls, beginnend mit der Nutzung von Pech und Bitumen im Nahen Osten vor rund 3000 Jahren. Nennenswerte Verbreitung fand es damals aber nicht, ebensowenig wie tausend Jahre später, als es in China kurzzeitig in Petroleumlampen verwendet wurde. Der Aufstieg des Erdöls zur treibenden Kraft des industriellen Fortschritts begann erst 1858 in Titusville, Pennsylvania, mit einer Tagesförderung von 25 Faß.
Energiebereitstellung - eine Geschichte von kriegerischen Auseinandersetzungen
Nahtlos schließt sich die Schilderung der ersten Auseinandersetzungen um die Beschaffung des schwarzen Goldes an: die ersten Ölgesellschaften wie Standard Oil, Royal Dutch-Shell und Bnito kämpfen um die Aufteilung der Ölgebiete. Wo es um wirtschaftliche Interessen geht, kann die Politik nicht weit sein, und so kommt es, dass um die Jahrhundertwende die Notwendigkeit zur Ölbeschaffung einen immer größeren Einfluss auf die Politik der Industriestaaten ausübt.
"mit Blut beschriebene Weg des Öls..."
In chronologischer Folge geht es weiter: 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, Suezkrise, Sechs-Tage-Krieg, Ölkrise und Golfkrieg sind nur einige Stationen auf dem "mit Blut geschriebenen" Weg des Öls.
Viele Details und Zahlen, ebenso wie die lebendige Schilderung der Zusammenhänge, machen die Lektüre zu einem interessanten Ausflug in die jüngere Geschichte - durchaus nicht allein im Hinblick auf Öl.
"Rohstoffe machen arm"
Ein langes Kapitel beschäftigt sich mit der Situation in Afrika. Die These "Rohstoffe machen arm" wird anhand zahlreicher Beispiele (Kongo, Nigeria, Angola usw.) eindrucksvoll belegt.
Leser bleibt leider im Dunkeln
Leider jedoch bleibt das Bild reichlich undeutlich. Die Wege der Einflussnahme von Ölkonzernen und Regierungen auf lokale Machthaber werden nicht aufgezeigt, es wird lediglich konstatiert, daß Einflussnahmen stattfinden.
Die Gründe, weshalb im ölreichen Algerien ein brutaler Bürgerkrieg tobt, nebenan das ebenso ölreiche Libyen hingegen einen bescheidenen Wohlstand genießt, bleiben im Dunkeln. Und warum können einige Golfstaaten in Saus und Braus leben, die Nachbarn Irak und Iran aber nicht?
Die Beschreibung der Verhältnisse in der ehemaligen Sowjetunion beschränkt sich im Wesentlichen darauf, welches Interesse einzelne Parteien vertreten oder vertreten könnten.
Einzelne bekannte Ereignisse scheinen mit diesen Interessen in Verbindung zu stehen. Aber haben wirklich "die Mächtigen im Ölgeschäft", wer auch immer das sein mag, den Anschlag auf Georgiens Präsident Schewardnadse zu verantworten?
Ist der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan tatsächlich auf irgendwelche Parteien im Ölgeschäft zurückzuführen?
Man wünscht sich, das Buch würde auf einige wenige Krisenherde mit größerer Tiefe eingehen, anstatt eine große Vielzahl nur oberflächlich anzureißen. Wer aufmerksam die Tagespresse oder Nachrichtenmagazine liest, wird nur wenig grundlegend Neues erfahren.
Friedlichere Welt durch Einsatz regenerativer Energien?
Die Hoffnung, die am Anfang des Buches geäußert wird, nämlich durch einen Umstieg auf erneuerbare Energien die Welt friedlicher zu machen, wird schon im Buch selbst wieder zunichte gemacht.
Die geschilderten Kriege wurden in der Regel nicht wegen Öl geführt (Ausnahme Golfkrieg!), lediglich die Strategien wurden durch die Notwendigkeit zur Ölbeschaffung bestimmt.
Und ist ein Krieg schon deshalb humaner, weil die Panzer mit Solarwasserstoff betrieben werden? Schließlich und endlich hat der Mensch schon immer ausreichend Gründe für einen Krieg gefunden.
Ungewöhnliche Betrachtungsweise macht das Buch empfehlenswert
Dennoch ist dieses Buch in einer Hinsicht sehr empfehlenswert: es beleuchtet die Hintergründe der internationalen Politik von einer ungewöhnlichen Seite, wie es in dieser konzentrierten Form wohl noch nicht geschehen ist. Es bietet Anlaß, über die aktuellen Ereignisse neu nachzudenken und vielleicht in einen anderen Zusammenhang einzuordnen. Aus diesem Grund sollte sich - bei aller Kritik - niemand von der Lektüre dieses Buches abhalten lassen.