Sensationelles Urteil in Regensburg

Die Bürger und Bürgerinnen der Stadt Landshut können selbst darüber entscheiden, ob in Landshut künftig die Sonne `aufgehen' darf oder nicht. Das Verwaltungsgericht in Regensburg entschied über die Rechtsverbindlichkeit eines Bürgerentscheids...

Von Rolf Fahle

Mehr Sonne in Landshut

Der Dritte Senat des Verwaltungsgerichts in Regensburg, unter dem Vorsitz von Dr. Manfred Sachau, entschied am 15.7.98 nach mündlicher Verhandlung, daß die Stadt Landshut zur Durchführung des beantragten Bürgerentscheids "Mehr Sonne in Landshut" verpflichtet sei. Die Sensation liegt in dem Abstimmungstext des Bürgerbegehrens, der in allen Punkten die inhaltliche Prüfung des Gerichts unbeanstandet passierte. Er lautet:

Sind Sie dafür, daß die Stadt Landshut und Ihre Stadtwerke unverzüglich folgende Maßnahmen ergreifen:

Ab den 30.11.97 soll die kostendeckende Vergütung für die Einspeisung von Strom aus Solaranlagen von bis zu 100 m² Solargeneratorfläche pro Anlage im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Landshut eingeführt werden. Die dadurch verursachten Mehrkosten sind grundsätzlich in Form von zweckgebundenen Strompreiserhöhungen auf alle Stromkunden umzulegen. Die Durchführung erfolgt sinngemäß nach den Grundsätzen des Bayrischen Wirschaftsministeriums vom 08.August 1994. Die kostendeckende Vergütung für Strom aus Solaranlagen erfolgt solange und soweit der Solarstromateil 2% des pro Jahr verkauften Stromes in Landshut erreicht ist, oder die Strompreiserhöhung zu diesem Zweck 1,57 Pf/kWh überschreiten würde.

Bürgerentscheid zur KV

In dem Bürgerentscheid sollten die Bürger und Bürgerinnen der Stadt Landshut darüber entscheiden, ob künftig im Stadtgebiet die Stromerzeugung durch Solaranlagen kostendeckend vergütet werden soll, wie es bereits in vielen anderen bayrischen Kommunen praktiziert wird. Dabei handelt es sich um ein Programm, daß in den nächsten 5-7 Jahren durch die Bürger und Bürgerinnen durchgeführt werden sollte und bei den Stadtwerken keinerlei Kosten verursacht hätte. Durch das Einsparen von nur 6% des Stromverbrauches in den nächsten 5-7 Jahren hätten auch die Verbraucher keinerlei Mehrkosten zu erwarten. Dieses Programm entspricht der Zielsetzung der Bayrischen Staatsregierung, bis zum Jahr 2005 insgesamt 2% des Stromverbrauchs durch Solarstrom zu decken. Aber die Initiatoren des Bürgerbegehrens hatten die Rechnung ohne die Stadtratsmehrheit gemacht.

Warum Bürgerbehren?

Das Bürgerbegehren " Mehr Sonne in Landshut" wurde in die Wege geleitet, weil der Werksausschuß des Stadtrates untätig geblieben war.

Bereits im Mai 1996 hatten 13 Stadträte aus allen Fraktionen und Gruppierungen einen inhaltsgleichen Antrag eingereicht. Dieser auf breite Unterstützung basierende Antrag wurde per Mehrheitsentscheidung im Werksenat auf unbestimmte Zeit vertagt.

Daraufhin haben der Landshuter Arbeitskreis Partnerschaft mit der Dritte Welt e.V., die Gesellschaft für aktives Umweltbewußtsein e.V. (GaU) und Greenpeace Landshut ein Aktionsbündnis für die Sonnenenergie gebildet und im März 1997 mit dem Bürgerbegehren " Mehr Sonne in Landshut" begonnen. Im Juni und Juli wurden 3123 rechtsgültig anerkannte Unterschriften gesammelt.

Materielle Rechtsmängel?

Am 26. September 1997 hatte das Plenum des Stadtrates mit 23 gegen 17 Stimmen beschlossen, das erfolgreiche Bürgerbegehren "Mehr Sonne in Landshut" könne wegen materieller Rechtsmängel nicht zum Bürgerentscheid zugelassen werden. Gegen diesen Beschluß, der nach einer hitzigen Debatte im Stadtrat gefaßt worden war, hatten die drei Sprecher des Bürgerbegehrens Klage eingereicht.

Die Grundlage der Entscheidung des Gerichts* :

die Bereitstellung von elektrischer Energie ist und bleibt eine gemeindliche Aufgabe und ist somit an den Bürgerwillen (durch einen Bürgerentscheid) gebunden. Sollten bei der Umsetzung irgendwann Hindernisse z.B. durch die Preisaufsicht oder die Kartellbehörde entstehen, ist die Gemeinde gehalten, die Vorhaben des Bürgerentscheids notfalls auch auf dem Rechtsweg duchzusetzen.

* Aktenzeichen RN 3 K97.1905


Die Besonderheiten dieses Bürgerbegehrens:

allgemein:

Die überwiegende Mehrheit der Bürgerbegehren sind sog. Verhinderungsbegehren: die Gemeinde will etwas und die Bürger wollen dies nicht. Seltener gibt es solche Gestaltungsbegehren wie beim vorliegenden: die Bürger wollen eine mehrjährige dynamische Handlungsgrundlage für sich und die Stadtmehrheit will das nicht

Bayernweit neu ist, daß

- die Sondertarifkunden ebenfalls in vollem Umfang an den Mehrkosten beteiligt werden können.

Bundesweit neu ist, daß

- das Diskriminierungsverbot (Gleichberechtigung aller regenerativer Energieträger an der kostendeckenden Vergütung) der sog. Grundsätze durch Bürger- und Gemeindewillen aufgehoben werden kann.

- die Festsetzung von Grenzen der genehmigungsfähigen Strompreiserhöhungen, verursacht durch die kostendeckende Vergütung, binden weder Gemeinden noch Bürgerentscheide. Vielmehr sind die Gemeinden gehalten, sich an die durch Bürgerentscheid festgelegten Vorhaben zu halten.