Das derzeitige Problem für die
kostendeckende Vergütung ist nicht die faktische Gesetzeslage, sondern die
Unkenntnis darüber
Leserbrief von Hans-R. Baumeister, Heidelberg
Da reibt man sich doch verwundert die Augen: Der Chefredakteur der Sonnenenergie & Wärmetechnik, einer der wichtigsten deutschen Fachzeitschriften im Bereich der erneuerbaren Energien kanzelt diejenigen als unflexible Rechthaber ab, die nach wie vor am Modell der kostendeckenden Vergütung festhalten. Wer jetzt noch die Finanzierung der kostendeckenden Vergütung über den Strompreis fordere, habe das Gebot der Stunde zur Zeit der Liberalisierung der Strommärkte nicht begriffen. Doch keine Panik, die Photovoltaik werde schon ihren Weg finden, durch die »grünen« Angebote der Energieversorger - sogenannte Solarstrombörsen etc.
Die vermeintlich grünen Angebote der EVU können kurzfristig sicher dazu führen, daß manch ein Modulhersteller und manch ein Solarinstallateur kurzfristig recht gut ausgelastet sind. Jedoch daran zu glauben, daß eine Technologie, die noch derart weit von einer Marktfähigkeit entfernt ist wie die Photovoltaik, allein durch die Kräfte des Marktes und auf der Basis der Freiwilligkeit einzelner Idealisten marktfähig wird, zeugt von kaum zu überbietender Naivität und ökonomischer Inkompetenz. Wenn man feststellt, daß die Photovoltaik-Industrie in Deutschland mittel- und langfristig kaum eine Zukunft haben wird, falls sie politisch nicht nachdrücklich gewollt wird, so hat das überhaupt nichts mit Panik zu tun, sondern mit nüchterner Analyse der ökonomischen Realität.
Solange die kostendeckende Vergütung nur in einzelnen Gemeinden eingeführt wird, reicht das Marktpotential selbstverständlich nicht aus. Darum muß es das Ziel bleiben, die kostendeckende Vergütung bundesweit einzuführen. Das Ringen in einzelnen Gemeinden bereitet den Weg dazu.
Die neue Gesetzeslage steht dem nicht entgegen: Im aktuellen Stromeinspeisungsgesetz ist festgelegt, daß der Strom aus erneuerbaren Energien vom Betreiber des nächstgelegenen Netzes aufgenommen und vergütet werden muß. Die Bundestarifordnung Elektrizität, die schon immer die Voraussetzung für erhöhte Vergütungen war, gilt unverändert. Daraus ergibt sich eindeutig, daß die Kosten für die erhöhte Vergütung auf die Netzgebühr umgelegt werden können, das heißt, alle, die Strom durch das Netz leiten, müsen die erhöhte Vergütung bezahlen. Und das Netz ist bekanntlich ein natürliches Monopol. Der Wettbewerb zwichen den Stromerzeugern bleibt demnach davon unberührt. Das derzeitige Problem für die kostendeckende Vergütung ist nicht die faktische Gesetzeslage, sondern die Unkenntnis darüber!
Den Photovoltaik-Firmen geht es zumeist ums nackte Überleben. Sie müssen darum jeden sich kurzfristig anbietenden Strohhalm ergreifen. Verbände, Solar- und Umweltvereine und Fachzeitschriften sollten jedoch den Mut haben, gemeinsam das zu fordern, was für eine nachhaltige Förderung der Photovoltaik notwendig ist, statt zunehmend mit den »Henkern« der erneuerbaren Energien zu kungeln. Von einer Fachzeitschrift wie der S&W erwarte ich zudem erstens, daß ihr Chefredakteur die Sachlage richtig recherchiert, und zweitens, daß er anschließend engagiert argumentiert und informiert, anstatt zuerst die Generalkapitulation für jede wirkungsvolle Photovoltaik-Förderung zu verkünden, um dann das Glaubensbekenntnis hinterherzuschicken, daß die Photovoltaik trotzdem riesig gedeihen werde.