In den vergangenen Monaten gab es zahlreiche Gesetzesinitiativen zur Verbesserung der Förderbedingungen für Erneuerbare Energien. Wir haben diesen Prozess aufmerksam verfolgt, Positionen formuliert und unsere Vorschläge zur Verringerung bürokratischer Hürden an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) übermittelt. In den kommenden Wochen wird der Deutsche Bundestag darüber entscheiden, ob und in welcher Form der Referentenentwurf angenommen wird.

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Wie schon häufig in den vergangenen 23 Jahren stehen wir erneut kurz vor der Überarbeitung gesetzlicher Regelungen für die Photovoltaik. In einem Solarpaket 1, das sich seit September in der parlamentarischen Beratung befindet, sind Maßnahmen geplant, die sowohl Verbesserungen beinhalten als auch bürokratische Hürden abbauen sollen. Ein Solarpaket 2 soll Ende des Jahres folgen.


Die Gesetzesinitiativen der rot/grünen Bundesregierung zeigen eine ungewohnte Richtung in der Energiepolitik Deutschlands. Bis 2021 überwog eher der negative Trend gegenüber positiven Entwicklungen. Viele haben bereits über das Ende des äußerst erfolgreichen und wegweisenden EEG spekuliert. Die Forderungen wurden lauter, das Gesetz ganz zu streichen. Doch es kommt anders und die Änderungen zeigen größtenteils in die richtige Richtung. Die Frage bleibt jedoch: Werden diese Änderungen ausreichen?


In einem kürzlich geführten Interview beim Deutschlandfunk äußerte sich der renommierte Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf zu der Frage, ob es immer noch realistisch ist, die Grenze von 1,5 Grad Celsius Erderwärmung einzuhalten. Rahmstorf betonte: "Von einer physikalischen Perspektive her wäre es noch erreichbar, aber dafür bräuchte es einen Ansatz ähnlich einer Kriegssituation, bei dem die Begrenzung auf 1,5 Grad absolute Priorität hätte. Bedauerlicherweise wird dies von den meisten Regierungen nicht in dieser Art priorisiert, und daher ist es äußerst unwahrscheinlich, dass wir dieses Ziel erreichen werden."


Deutschland, das oft als Vorreiter im Bereich Klimaschutz betrachtet wird, findet leider seinen Platz unter den Nationen, die nicht ausreichend gehandelt haben. Selbst die unzureichende Zielsetzung, bis 2030 mindestens 65 % der Treibhausgase zu reduzieren, wird voraussichtlich nicht erreicht. Das verdeutlicht, wie umfassend die Maßnahmen sein müssten, um gegen die lebensbedrohlichen Entwicklungen vorzugehen.


Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung des Solarpakets 1 muss deshalb zwingend im Kontext der gesamten Klimapolitik der Bundesregierung betrachtet werden. Die gleichzeitige Novellierung des Klimaschutzgesetzes, insbesondere die Aufhebung der Sektorenziele, bewirkt, dass Fortschritte im Ausbau Erneuerbarer Energien Rückschritte in anderen Bereichen legitimieren könnten. Dieser Mechanismus ist angesichts der akuten Klimakrise nicht mehr akzeptabel. 


Seit letztem Sommer haben wir aktiv daran gearbeitet, unsere Vorschläge zur Reduzierung von Bürokratie an die relevanten Stellen im BMWK zu übermitteln. Sowohl im PV-Strategiepapier zum Solarpaket 1 und 2 als auch im Gesetzesentwurf erkennen wir, dass einige unserer Vorschläge teilweise oder vollständig umgesetzt wurden. Es ist anzunehmen, dass auch andere Organisationen ähnliche Anliegen vorgetragen haben. Diese gemeinsamen Bemühungen haben dazu beigetragen, Veränderungen anzustoßen. 


Aber es gab vom SFV auch deutliche Kritik und Verbesserungswünsche. Trotz der offensichtlichen Notwendigkeit, die Energiewende in noch kürzerer Zeit zu schaffen, werden nach wie vor Ausschreibungsverfahren bevorzugt, die den Ausbau einschränken und reglementieren. Auch die bestehenden Verpflichtungen zur Direktvermarktung und die technischen Vorgaben zur Abregelung erachten wir weiterhin als kontraproduktiv. 


Schließlich braucht es noch intensivere Anstrengungen, um die Bürgerenergiewende voranzubringen und die Dächer sowie Fassaden mit Solarenergie zu belegen. Hierzu legen wir mit unserer Idee des Nachbarschaftsstroms in diesem Solarbrief ein neues Konzept vor.


In der nachfolgenden Schnellübersicht möchten wir einen Überblick zu den Themen des Solarpaketes 1 geben. Allerdings ist unbedingt darauf zu achten, dass der Gesetzgebungsprozess noch in vollem Gange ist. Die erste Lesung des Deutschen Bundestages soll nach Drucklegung dieses Solarbriefs, voraussichtlich im September 2023, stattfinden. Anschließend werden Diskussionen im zuständigen Bundestagsausschuss geführt, gefolgt von Debatten und Abstimmungen in zwei weiteren Lesungen im Bundestag. Zusätzlich erfolgen Beratungen sowie die abschließende Zustimmung des Bundesrats, bevor der Gesetzesentwurf die finale Unterschrift des Bundespräsidenten erhält. Während dieses umfangreichen Prozesses sind Änderungen am Gesetzesentwurf wahrscheinlich. Das hat die Historie des EEG sowie in der Komplexität der Regelungen und politischen Ansätze immer wieder gezeigt.

 

Mehr Info 

Schnellübersicht

(ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

... Zustimmung   ❎ ... mit Einschränkungen   ... ❌ ... ungenügend

 

                           

Steckersolar

Leistungsbegrenzungen, aufwändige Anmeldeprozesse und hinderliche Vorgaben beim Netzanschluss von Balkonkraftwerken sollen aufgehoben werden.

Zulassung von Steckermodulen, Bedingung: max. Generatorleistung von 2 kW + Wechselrichter-Ausgangsleistung von maximal 800 W

Vereinfachter Anschluss, keine zusätzliche Meldung beim Netzbetreiber

Mehrere Steckersolaranlagen auf dem Grundstück werden leistungsmäßig nicht zusammengefasst, so dass die Vereinfachungen für jedes Steckermodul gelten

❎ Rückwärtslaufende Zähler bei Netzeinspeisung, allerdings max. 4 Monate bis zum Einbau der digitalen Messeinrichtung 

❌ Keine Vergütung für netzeingespeisten Strom

 

                           

Netzanschluss

Der Netzanschluss von PV-Anlagen wird vielerorts zur Zerreißprobe. Hier braucht es einheitliche Regeln und Investitionen in Verteilnetze. 

Vereinfachungen bei Netzanschlussbegehren jetzt auch bis 30 kWp (bis 30.6.2024 sogar bis 50 kW)

Vereinfachtes Wegenutzungsrecht für Anschlussleitungen von EE-Anlagen

❌ Keine vorausschauende Planung von Netzinfrastruktur 

❌ 25%-Regel bei Unzumutbarkeitsbewertung des Netzanschlusses nicht abgeschafft

 

                           

Ü-20-Anlagen

Bislang endet der gesetzliche Vergütungsanspruch für eingespeisten Strom am 31.12.2027. Eine Verlängerung, aber auch eine Mindestpreisregelung (z.B. 7 Ct/kWh) wäre wichtig. 


Wegfall der Meldepflicht beim Netzbetreiber nach Auslauf der Vergütung

❌ Keine Lösungsangebote für Weiterbetrieb von Ü20-Anlagen nach 31.12.2027

❌ Keine Mindestpreisregelung für eingespeisten Ü20-Strom

 

                           

Repowering von PV-Anlagen

Die Erweiterung bestehender Anlagen und der vereinfachte Austausch defekter Module ist ein Fortschritt für den Klimaschutz. Bürokratische Hürden sollen beseitigt werden.


Modulaustausch ohne Nachweis eines Defektes möglich

❎ Fehlende Zusatzangebote für Weiternutzung und Recycling gebrauchter PV-Module

 

                           

Pönale

Ein weiteres Investitionsrisiko: Wer gegen technische Vorgaben und Meldepflichten verstößt, dem drohen Strafzahlungen (Pönale).


❌Strafen bei Pflichtverstößen gegen das EEG bleiben exzessiv

❌ Fehlende Pflicht des Netzbetreibers, den jeweiligen Pflichtverstoß zu benennen

 

                           

Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Mieterstrom soll im Energiewirtschaftsgesetz über verschiedene Wege möglich sein: (1) Klassischer Mieterstrom und (2) gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Beide Wege bringen Verbesserungen. Es bleiben aber offene Punkte.

 

 (1) Klassischer Mieterstrom: Kostenersparnis und vereinfachte Abrechnung durch virtuelle Summenzähler 
Zulässigkeit von Mieterstromverträgen auf 2 Jahre angehoben + Möglichkeiten zur Verlängerung

❎ (zu 1) Mieterstromverträge und Antrag auf Stromsteuerbefreiung zu komplex

❌ (zu 1) Mieterstromzuschlag wurde nicht erhöht
 

(2) Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung - vereinfachte Abrechnung durch Netzbetreiber 
Benachbarte Nichtwohngebäude sowie Nebenanlagen können bei beiden einbezogen werden

❎ Ohne beschleunigte Umsetzung digitaler Messkonzepte kommt keine Verbesserung

 

                           

Bürgerenergiegemeinschaften

Die Befreiung von Wind- und Solaranlagen ab 1 Megawatt von der Ausschreibungspflicht bei Bürgerenergiegesellschaften war ein wichtiger Schritt. Es blieben aber Bürokratiefallen.


❌ 3-Jahres-Sperrfrist für weitere Bürgerenergieprojekte nicht beseitigt 

❌ Nachweispflichten für Bürgerenergie nicht gelockert.

 

                           

Direktvermarktung

Die Direktvermarktung darf nicht zum wirtschaftlichen Risiko für PV-Betreiber:innen werden.
 

Keine Pflicht zur Direktvermarktung bei Eigenversorgunganlagen bis 200 kWp (vorher 100 kWp)

❎ Aber: Eigenversorgungsanlagen von 100 - 200 kWp erhalten keine Einspeisevergütung (unentgeltliche Abnahme) und tragen damit finanzielle Verluste. Bis zum 1. Januar 2026 gilt das auch für Anlagen bis 400 kWp

❌ Bei Volleinspeiseanlagen  über 100 kWp bleibt Direktvermarktung weiterhin Pflicht 

 

                           

Agri- und Biodiversitäts-PV

Die Förderungen werden an verschiedene Rand-bedingungen geknüpft und in aller Regel über Ausschreibungen reguliert.
 

Erleichterungen im Baugenehmigungsverfahren (Privilegierung)

❌ Umfangreiche Regelungen in der Ausschreibung bleiben

❌ Jährlicher Nachweis zur landwirtschaftlichen und die Biodiversitäts fördernden Nutzung ist bürokratisch

❌ Beschränkung auf 25.000 m²-Flächen unklar

 

                           

Garten-PV

Für Strom aus PV-Garten-Anlagen bis 20 kW soll eine Vergütung beansprucht werden können. Hier stehen noch genaue Regelungen aus.
 

Solange Verordnung nicht vorhanden, ist PV in Gärten ohne Einschränkungen vergütungsfähig

 

                           

Solarstadl-Regelung

Gebäude, die bis Stichtag 1. März 2023 im Außenbereich nicht vorrangig für andere Zwecke als die Solarenergie-nutzung errichtet wurden, sollen solar erschlossen werden.
 

Vergütung für Gebäude im Außenbereich (Scheunen, Unterstände) in Teilen zugelassen.

 

                           

PV an Autobahn und Schiene

Das vereinfachte Baurecht für PV bis 200 m an Autobahnen und Schienenwegen muss noch an die EEG-Förderung angepasst werden.


❌Keine Privilegierung über 200 m bis max. 500 m entlang von Verkehrswegen