Ist eine PV-Direkteinspeisung ins Bahnleitungsnetz machbar?
Ist eine PV-Direkteinspeisung ins Bahnleitungsnetz machbar?
Im Zuge der Energiewende wird auch die Frage einer Integration dezentraler PV-Parks in das Bahnenergiesystem interessant. Unser Gastautor hat sich in seiner Abschlussarbeit an der TU Köln insbesondere den Möglichkeiten einer PV-Direkteinspeisung in das Fahrleitungsnetz der Deutschen Bahn gewidmet. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass ein solches Konzept eine Reihe von Vorteilen bietet, nicht zuletzt eine nennenswerte Energieeinsparung. Hier präsentiert er Ergebnisse seiner Arbeit.
― Vincent Ecker
Abb 1 — Solarpark an der Bahnstrecke. Wird künftig die Direkteinspeisung des Solarstroms ins Bahnnetz möglich? Foto: Deutsche Bahn •
Im Rahmen des immer schneller fortschreitenden Klimawandels erlangt neben der Energiewende auch die Verkehrswende in Deutschland einen immer höheren Stellenwert. Da sich die Entwicklung zu einem klimafreundlichen Verkehr deutlich schwieriger und langwieriger gestaltet als in anderen Sektoren, gibt es hierbei auch im Hinblick auf die Forschung einen besonders hohen Handlungsbedarf. Aufgrund der positiven Aspekte (wie Energieeinsparungen durch Verringerung von Transport- und Umwandlungsverlusten und höhere Versorgungssicherheit) durch Dezentralisierung von Erzeugungsanlagen im 50-Hz-Stromnetz (dezentrale PV- und Windkraftanlagen anstatt zentraler Kohle- und Atomkraftwerke) kann dieser Gedanke in den Verkehrssektor bzw. auf das Bahnstromleitungsnetz übertragen werden. Es stellt sich die Frage, ob eine Integration von dezentralen PV-Parks auch in das Bahnenergiesystem möglich ist. Genauer wird im Folgenden untersucht, ob eine PV-Direkteinspeisung in das Fahrleitungsnetz realisierbar ist und wenn ja, welche Rahmenbedingungen hierbei eingehalten werden müssen.
Struktur des Bahn-Energienetzes
Im Bahnenergiesystem der Deutschen Bahn kann grundsätzlich zwischen dem Fahrleitungsnetz (1AC, 16,7 Hz, 15 kV) und dem Bahnstromleitungsnetz (2AC, 16,7 Hz, 110 kV) unterschieden werden: Das Fahrleitungsnetz (Oberleitungen) dient zur Energieübertragung und Energieabgabe an die Triebfahrzeuge. Die Oberleitungen sind durch Einspeisepunkte, Schaltposten und Kuppelstellen in unterschiedliche Abschnitte unterteilt (Speiseabschnitte), die somit getrennt gespeist und geschaltet werden können. Im dezentral gespeisten Netzbereich (hauptsächlich im Nordosten Deutschlands, wo kein Bahnstromleitungsnetz ausgebaut ist) wird das Fahrleitungsnetz direkt aus dem 50-Hz-Stromnetz gespeist. Hierbei wird die Energie durch Unterwerke auf das benötigte Spannungsniveau (15 kV) umgespannt und auf die Netzfrequenz von 16,7 Hz mittels Umformer- oder Umrichterwerke umgerichtet. Im zentral gespeisten Netzbereich wird das Fahrleitungsnetz aus dem vorgelagerten Bahnstromleitungsnetz (Verteilnetz) gespeist. (Dementsprechend muss hierbei lediglich das Spannungsniveau von 110 kV auf 15 kV durch Unterwerke umgespannt werden.) Das Bahnstromleitungsnetz wird wiederum mittels Umformer- oder Umrichterwerke vom öffentlichen 50-Hz-Stromnetz, oder durch Bahnstromkraftwerke, die 16,7-Hz-Bahnenergie erzeugen, gespeist (siehe Abbildung 2). [1]
Abb 2 — Energetische Versorgung des Bahnenergiesystems •
Bei den Bahnstromkraftwerken handelt es sich um Wasser-/Kohle- und Atomkraftwerke, die Stand 2012 (aktuellste zugängliche Daten) 70% des benötigten Traktionstroms erzeugen. Aufgrund des beschlossenen Atomausstiegs Ende diesen Jahres ist anzunehmen, dass heute der Anteil, der aus dem 50-Hz-Stromnetz dazugekauft werden muss, deutlich über 30% liegt. Hierbei stellt sich die Frage, wie viel mehr Energie aus dem 50-Hz-Netz dazugekauft werden muss, um diesen Ausstieg zu kompensieren und wo diese (meist aus regenerativen Energieerzeugungsanlagen gewonnene) Energie im 50-Hz-Netz „fehlt“?
Umstellung auf Photovoltaikstrom
Ein neuer Ansatz wäre somit die direkte Einspeisung von Erzeugungsanlagen in das Fahrleitungsnetz, um die sonst entstehenden energetischen Transport- und Umwandlungsverluste zu minimieren. Da die Einspeisung von Photovoltaikstrom grundsätzlich eine Spannungsanhebung am Netzanschlusspunkt verursacht und die Einspeisung gemäß der volatilen solaren Einstrahlung fluktuiert, müssen hierbei die Konsequenzen für die Netzstatik untersucht werden. Im Gegensatz zum öffentlichen 50-Hz-Netz kann die relative Abweichung der Nennspannung im Fahrleitungsnetz nach DIN EN 50163 bis zu -20% oder +15% auf unbegrenzte Zeit betragen. Diese Toleranzen sind verhältnismäßig hoch, da die Hauptverbraucher im Netz, die Triebfahrzeuge, auch bei höheren oder niedrigeren Spannungen exakt die Leistung und Energiemenge beziehen können, die sie brauchen. Außerdem führt das schwer zu prognostizierende Beziehen und Rückspeisen von Leistung (z.B. durch Fahrplanabweichungen) der Triebfahrzeuge ohnehin zu sehr hohen Lastschwankungen im Fahrleitungsnetz.
Nach Berechnungen des Fraunhofer IWES (Institut für Windenergiesysteme) darf die Spannung am Anschlusspunkt durch die Leistungseinspeisung von Erzeugungsanlagen max. 2% im Vergleich zur vorher anliegenden Nennspannung abweichen. Bei Betrachtung aller untersuchten Einspeisepunkte im Fahrleitungsnetz kann hieraus im Mittel eine maximale Einspeiseleistung von 2 MW festgelegt werden, bei der keine problematischen Spannungsabweichungen resultieren.
Bei der Suche des geeigneten Einspeisepunkts für den PV-Park sollte grundsätzlich die bereits vorhandene Infrastruktur betrachtet werden. Es können die folgenden Anschlussmöglichkeiten in Erwägung gezogen werden:
- Freier Abgang Sammelschiene Schaltanlagen
- Freier Abgang Sammelschiene Nebenverbraucher
Bei sämtlichen Schaltanlagen und Unterwerken kann an einem freien Abgang der Sammelschiene, der mit der nötigen Schutz- und Sicherungstechnik (Leistungsschalter, Lasttrenner, Erdung) ausgestattet ist, eine Erzeugungsanlage angeschlossen werden. Hierbei muss allerdings noch ein Transformator, der die Ausgangsspannung vom Wechselrichter auf die benötigte Nennspannung des Fahrleitungsnetzes (15 kV) umspannt, verbaut werden.
Auch bei den Nebenverbrauchern am Fahrleitungsrand (z.B. Zugvorheizstationen, Weichenheizstationen etc.) kann über einen freien Abgang an der Sammelschiene Energie eingespeist werden. Hier sind bereits Transformatoren, die die Netzspannung (15 kV) auf die Verbraucherspannung (je nach Verbraucher regulär zwischen 230 V und 1 kV) umspannen, vorhanden. Je nach Ausgangsspannung der Wechselrichter kann somit auf den Zubau weiterer Transformatoren verzichtet werden. Wenn PV-Strom eingespeist wird, der Verbraucher aber nicht in Betrieb ist, kehrt der Lastfluss sich um und es wird Energie über den Transformator in das Fahrleitungsnetz eingespeist. Bei gleichzeitiger Einspeisung von PV-Strom und Betrieb der Zugvorheizanlage wird der Transformator entlastet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Umsetzung sind die Wechselrichter, die einphasige 16,7-Hz-Bahnenergie erzeugen. Da die Wechselrichter der PV-Anlagen im 50-Hz-Netz normalerweise an alle drei Phasen des Netzes angeschlossen werden und die maximale Anschlussleistung von einphasigen Erzeugungsanlagen nach VDE-AR-N 4105 bei 4,6 kVA (Schieflastgrenze) liegt, sind auf dem Markt üblicherweise nur dreiphasige Modell mit höheren Leistungsgrößen oder einphasige Modelle mit verhältnismäßig niedrigen Leistungsgrößen erhältlich.
Abb 3 — Vergleich der Wirkungsgradketten der verschiedenen Einspeisemöglichkeiten •
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass aufgrund des breiten Spannungstoleranzbandes im Fahrleitungsnetz eine fluktuierende PV-Einspeisung in das Fahrleitungsnetz bei Leistungsgrößen < 2 MW unproblematisch für den Netzbetrieb und somit zulässig ist. Für den Anschluss des PV-Parks an das Fahrleitungsnetz können je nach vorhandener Infrastruktur freie Abgänge an Sammelschienen von Schaltanlagen oder Nebenverbrauchern verwendet werden. Eine Hürde kann die Beschaffung der einphasigen Wechselrichter darstellen, da diese in höheren Leistungsbereichen sonst keine Anwendung finden und dementsprechend wenig auf dem Markt angeboten werden.
Durch die Integration der Direkteinspeisung von Photovoltaikstrom in das Fahrleitungsnetz kann die regenerative Eigenenergieerzeugung der Deutschen Bahn erhöht und somit der hohe Energiebezug aus dem öffentlichen 50-Hz-Netz verringert werden. Hierdurch lassen sich nach einem Referenzprojekt der Schweizer Bundesbahn [2] bis zu 9% energetische Transport- und Umwandlungsverluste einsparen (siehe Abbildung 3). Außerdem erfahren sämtliche Betriebsmittel (Leitungen, Umformer/Umrichter, Transformatoren) eine geringere Belastung, was in einer höheren Lebenszeit resultieren kann. Hinzu kommt, dass sich die Stromerzeugung aus Photovoltaik gut zur Erzeugung von Traktionsstrom eignet, da sich die Differenz zwischen Tages- und Nachtlast im Bahnnetz mit dem Erzeugerprofil einer PV-Anlage deckt.