Autos, Eisenbahnen, Schiffe, Luftfahrzeuge – überall ist Platz für PV-Elemente. Sie können bei E-Antrieben den Bedarf an gespeicherter Energie reduzieren, manchmal sogar die gesamte Antriebsenergie liefern. Wir geben einen Überblick.

 

― Rüdiger Haude

Die Tage der Verbrennungsmotoren in unserer Mobilitätskultur sind gezählt. Nur für bestimmte Transportaufgaben bietet sich die Muskelkraft als Antriebsalternative an (vor allem als Fußgänger:innen- und Fahrrad-Verkehr), für andere der Wind (vor allem für den Transport zur See), und in Nischen auch andere regenerative Quellen wie die Strömungsenergie von Flüssen bei Flussfähren. Für die allermeisten Mobilitätsaufgaben werden hingegen Elektromotoren das Arbeitspferd darstellen.


Es gibt eine Systemkonkurrenz hinsichtlich der Frage, woher diese Elektromotoren ihren Strom beziehen sollen. Im Feld der PKWs sind inzwischen akku-elektrische Antriebe etabliert, und es wird kaum gelingen (oder auch Sinn ergeben), daneben noch eine Wasserstoff-Infrastruktur aufzubauen. Beim Güterverkehr auf der Straße sieht es möglicherweise etwas anders aus, und hier wird überdies noch die Möglichkeit diskutiert, die Stromversorgung durch Oberleitungen zu gewährleisten, wie auf der Schiene oder bei städtischen O-Bus-Systemen.
Aber alle diese Stromversorgungs-Verfahren sind mit Nachteilen behaftet (die noch immer relativ geringe Energiedichte der Akkus, der bescheidene Wirkungsgrad bei auf Wasserstoff basierenden Brennstoffzellen-Antrieben). Für bestimmte Anwendungen könnte man daher darüber nachdenken, noch eine weitere Stromquelle in den Versorgungsmix einzubauen, nämlich die On-Board-Photovoltaik.


Tatsächlich tut sich hier in vielen Bereichen etwas. Wir hatten vor einigen Jahren bereits einen Überblick für den Luftfahrt-Sektor gegeben, als wir die treibstofflose Erdumrundung des PV-betriebenen Rekordflugzeugs „Solar Impulse“ unterstützten.[1] Im Solarbrief 3/2016, der sich schon einmal schwerpunktmäßig der Mobilitätswende widmete, gingen wir auch auf Solarboote[2] und auf On-Board-PV bei Schienenfahrzeugen[3] ein. Heute wollen wir schauen, was sich in den zurückliegenden sechs Jahren getan hat.

Auf der Straße


Solarautos sind bisher vor allem als Experimentalfahrzeuge bekannt, wie sie z.B. bei der „World Solar Challenge“ in Australien alle zwei Jahre gegeneinander antreten. (Siehe auch Artikel zur diesjährigen European Solar Challenge in Belgien). Einige dieser Modelle weisen durchaus PKW-ähnliche Konfigurationen auf, wie der zweisitzige „Solarworld GT“ der Hochschule Bochum, der 2011/12 zudem eine solar angetriebene Weltumrundung absolvierte.


Zwei Projekte machen in letzter Zeit Schlagzeilen, die Elektro-Autos mit PV-Unterstützung für die Alltagsnutzung auf die Straße bringen wollen und damit unmittelbar vor der Markteinführung stehen. Das eine ist der in den Niederlanden entwickelte „Lightyear 0“ (Abb. 2), der im Juni dieses Jahres als „production-ready“ vorgestellt wurde. Dieses Projekt ist direkt aus den Erfahrungen der „World Solar Challenge“ hervorgegangen, wo das Entwickler:innen-Team zuerst – damals noch als Studierende der TU Eindhoven – mit einem experimentellen Solarfahrzeug antrat. Die Serienproduktion des Lightyear soll nun diesen Herbst starten. Der Lightyear hat 5 m² PV-Zellen ins Dach und in die ‚Motorhaube‘ integriert. Der Antrieb erfolgt über vier Elektromotoren, welche direkt die einzelnen Räder ansteuern. Es wird eine batteriegestützte Reichweite von 1000 km angegeben, wobei die PV an Bord unter günstigen Bedingungen Energie für 70 km pro Tag beisteuern kann.[4]


Der Lightyear 0 ist als „Familienauto“ konzipiert, aber nicht jede Familie wird sich den Kaufpreis von 250.000 € leisten können. Ein für 2024 geplantes Nachfolgemodell soll dann bei nur noch etwa 30.000 € liegen. In dieser Größenordnung liegt auch das zweite weit gediehene Solarauto-Projekt, der „Sion“ des deutschen Startups Sono (Abb. 5). Seit zehn Jahren wird dieser Fünfsitzer entwickelt, der Produktionsstart wurde wiederholt verschoben. Nun ist er für die zweite Jahreshälfte 2023 geplant. Das Fahrzeug soll in Finnland hergestellt werden. Eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie soll für eine Reichweite von gut 300 km sorgen. Die Solarzellen, welche neben dem Dach und der Motorhaube auch die Seitenwände des Autos bedecken, sollen die Reichweite um durchschnittlich 112 km pro Woche erhöhen können.[5]


Sono hat im Kontext des Sion eine Reihe von Ideen entwickelt, welche das Automobil mit der Idee der Nachhaltigkeit weiter versöhnen sollen. So wird ein bidirektionales Ladesystem dafür sorgen, dass der Wagen zum Aufladen anderer E-Fahrzeuge oder zur Nutzung von Elektrogeräten verwendet werden kann. Eine eigene Carsharing-App soll sowohl dieses Teilen von Energie, als auch die Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten oder den Verleih des Fahrzeugs ermöglichen.

Abb 5 — Der Fünfsitzer Sion integriert Solarzellen auf Dach, Motorhaube und Seitenwänden. Bidirektionale Ladefunktion inklusive. © SonoMotors • 

Ähnlich weit wie die beiden genannten Projekte ist auch das US-amerikanische Startup Aptera mit dem „Aptera Mk 1“, einem dreirädrigen Zweisitzer von ungewöhnlichem aerodynamischem Design, der eine Reichweite von 1000 Meilen (1600 km) aufweisen soll (Abb. 6). In China arbeitet die Firma Hanergy, Hersteller von Dünnschicht-PV-Modulen, an einem konventionelleren Design eines Solarautos. Hanergy kooperiert auch mit etablierten Auto-Herstellern (wie Audi) in diesem Feld.[6] Nicht auszuschließen also, dass PV-unterstützte Elektro-Autos bald zum Straßenbild gehören könnten.

Abb 6 — Die aerodynamischen Zweisitzer von Aptera sollen eine Reichweite von 1600 km erreichen. Ab 2023 wird geliefert © Aptera • 

Es ist vielleicht wichtig zu erwähnen, dass diese Entwicklungen zwar im Wesentlichen innerhalb der letzten zehn Jahre geschehen sind, dass aber die Geschichte der Solar-Autos deutlich weiter zurückreicht. Bereits 1984 baute der Elektrofahrzeug-Pionier Erich Pöhlmann in Kulmbach den „Pöhlmann EL Solar“ (Abb. 7). Auf Dach und Motorhaube angebrachte PV-Zellen luden die Bleibatterie permanent mit maximal 140 Watt nach. Wie so viele E-Auto-Projekte des 20. Jahrhunderts, scheiterte dieses Projekt (auch der rein batterieelektrische „Pöhlmann EL“) am Desinteresse bzw. Obstruktion seitens der Automobilindustrie. Pöhlmann hatte mit dem Energiekonzern RWE kooperiert; dieser zog sich 1985 von der Zusammenarbeit zurück, weil Elektroautos nicht dem Geschäftsmodell des Konzerns entsprächen. Nicht nur die Entwicklung elektrisch betriebener Fahrzeuge, sondern auch solcher mit photovoltaischer Unterstützung, könnte schon viel weiter sein, wenn sie nicht immer wieder durch etablierte Geschäftsinteressen verhindert worden wäre.[7]

Abb 9 — Bereits 1984 baute der Elektrofahrzeug-Pionier Erich Pöhlmann in Kulmbach den „Pöhlmann EL Solar“. CC BY-SA 3.0 DE, von: Buch-t • 

Eine weitere interessante PV-Anwendung ergibt sich aus der Möglichkeit für PKWs, Anhänger zu ziehen, die ihrerseits Flächen für Solarmodule bieten. Das ist u.a. die Idee des Weltumrundungsprojekts „Solar Butterfly“. In ähnlicher Weise lässt sich jeder Wohnwagen mit PV-Modulen ausstatten, um wenigstens Licht, Kühlung usw. im Wohnwagen zu versorgen. Auch Wohnmobile können im Ruhezustand zusätzliche PV-Flächen ausfahren und so die Stromausbeute erhöhen. Ein Beispiel hierfür ist der „Stella Vita“, der an der TU Eindhoven entwickelt wurde (Abb. 8). Von dem Fahrzeug heißt es, es ernte genug Sonnenlicht, „um Auto zu fahren, zu duschen, fernzusehen, Ihren Laptop aufzuladen und Kaffee zu kochen“. Die Reichweite bei Batteriebetrieb wird mit 600 km angegeben, an einem sonnigen Tag erhöhe sie sich auf 730 km.[8]

Abb 8 — 17 m2 Solarpaneele laden die Stella Vita in 3 Tagen auf - für 600 km Reichweite.  ©  2022 Solar Team Eindhoven • 

Lastwagen haben durch die relative Größe ihres „Koffers“ Potenzial für größere PV-Flächen, doch hier scheint die Entwicklung noch weniger weit zu sein als bei PKW. Vor einem Jahr nahm das Fraunhofer-Institut ISE einen ersten Prototyp in Betrieb, der seitdem im Raum Freiburg getestet wird.[9] Dem 18-Tonner wurden 3,5 kWp-Module aufs Dach montiert, die 5 bis 10% des Fahrstroms beisteuern können. Die besonders leichten und robusten Module wurden eigens für diesen Zweck entwickelt.

Es gibt auch einige private Projekte, die beträchtliche Fläche der Lastwagen-Dächer für die Erzeugung photovoltaischen Stroms zu nutzen.  Manchmal dient dies der Promotion der Sonnenenergie im Allgemeinen, wie bei dem Projekt „Griff“ des US-Amerikaners Joshua Hill, der seinen mit PV vollgepackten Elektrotruck zu Bildungszwecken durch Amerika tourt.[10]


In anderen Fällen geht es meist um den Strombedarf der stehenden Fahrzeuge (um die Unterstützung des Antriebs allenfalls im Kontext von Hybrid-Antrieben).[11] Das Schweizer Transportunternehmen Rhyner Logistics hat z.B. einen elektrisch betriebenen LKW mit PV-Modulen ausgestattet, welche die Kühlung des Laderaums versorgen und so die Fahr-Batterie entlasten; eine gute Idee, weil die Kühlung besonders dann gefordert ist, wenn die Sonne auf den Wagen scheint.[12] Auch die Firma Sono-Motors bietet demnächst PV-Kits für Lastwagen und Busse an, die deren Treibstoffverbrauch senken sollen, sowie für Elektro-Lieferwagen, wo sie direkt den Antrieb versorgen sollen.[13]


Der Logistik-Riese DHL hat schon vor Jahren in Großbritannien verschiedene Fahrzeuge mit PV ausgerüstet, um elektrische Anwendungen (z.B. Hebebühnen oder Klimaanlagen) zu versorgen. Da dies auch für die pedalgetriebenen Klein-Lieferfahrzeuge namens „Cubicycle“ gilt (Abb. 7), haben wir sogar ein Beispiel für den Einsatz von Photovoltaik im Bereich der Pedelec-Antriebe. Auch die australische Post nutzt ähnliche PV-unterstützte Pedal-Auslieferfahrzeuge.[14]

Abb 7 — Seit 2017 auf der Straße: der Cubicycle zur Postausstellung wird mit Sonnenenergie vom Boxdach unterstützt © Deutsche Post AG • 

Auf der Schiene


Die unmittelbare Nutzung von Sonnenenergie für Zwecke des Schienenverkehrs kann vielfältig auf die Bahninfrastruktur zurückgreifen. Selbst die Belegung der einzelnen Schwellen der Gleiskörper mit entsprechend dimensionierten PV-Modulen wurde schon getestet.[15] Daneben kommen aber auch die Triebwagen und Waggons der Züge selbst als Träger von PV-Modulen in Betracht. Es gibt auf diesem Feld allerdings bisher nur wenige praktische Anwendungen. Für die meisten Zwecke dürfte auch die Überzeugung des US-amerikanischen Experten für Erneuerbare Energien, Tam Hunt, gelten: „Mit Paneelen auf den Zügen bekommt man nicht viel Saft, aber mit Paneelen über ihnen sehr wohl.“[16]


Seit dem Jahr 2000 fährt das solar angetriebene Kleinst-Schienenfahrzeug „ELSE“ (Abkürzung für „Elektrische Solar-Eisenbahn“) in Berlin auf einer Spurbreite von 60 cm. Es hat PV-Module auf 3,6 m² der Dachfläche installiert und erzielt mit seinem 8-kW-Elektromotor bei reinem Akkubetrieb eine Tagesreichweite von 55 km, die photovoltaisch unterstützt auf bis zu 93 km ausgedehnt werden konnte.[17]


2017 wurde im australischen New South Wales ein Solarzug in Betrieb genommen, der 6,5 kWp PV-Module auf dem Dach hat (Abb. 10). Er wird auf einer 3 Kilometer langen Strecke im Pendelverkehr eingesetzt.[18] Es handelt sich um einen umgebauten Diesel-Doppeltriebwagen aus den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts, so dass hier auch ein Fall von „Retrofitting“ vorliegt, der eine bestmögliche Ressourcenschonung ermöglicht.
Etwa zeitgleich mit den Australiern begann die indische Eisenbahngesellschaft Indian Rails, einige ihrer Waggons mit Dach-PV auszurüsten. Die Lokomotiven haben einen Dieselantrieb, aber die PV-Installationen reduzieren den Diesel-Verbrauch, indem sie den Strom für die Beleuchtung und Klimatisierung der Waggons bereitstellen.[19] Indian Rails ist auch sehr engagiert, die eigene Infrastruktur, insbesondere Bahnhofsgebäude, mit Photovoltaik auszustatten. Über 1000 indische Bahnhöfe verfügten Anfang 2022 über PV-Anlagen.[20]


Bleibt noch zu erwähnen, dass auch auf der Schiene, wie auf der Straße, Tüftler:innen am Start sind, die Jagd auf Geschwindigkeitsrekorde machen und nebenbei womöglich etwas zur Grundlagenforschung beitragen. So entwickelt das „Solar Train“-Team in Kalifornien ein 25 Meter langes Schienenfahrzeug, das auch den Geschwindigkeitsrekord von Solarfahrzeugen auf der Straße überbieten soll. Angepeilt ist eine Geschwindigkeit von gut 100 km/h. Dieses Gefährt besteht praktisch nur aus den Paneelen und einem darunter befindlichen Fahrwerk.[21]

Abb 10 — Der Byron Solar Train fährt seit 2015 mit Solarenergie vom Dach. Die Anlage hat 6,5 kWp, weitere 30 kWp wurden auf dem Bahngebäude verbaut, um die Batterie zusätzlich über Kabel aufzuladen © byronbaytrain • 

Zu Wasser


Wasserfahrzeuge sind prädestiniert für die Anwendung von Photovoltaik, weil sie meist über nennenswerte geeignete Flächen verfügen und die Installation in der Regel kaum technische Herausforderungen stellt. Deswegen sind z.B. kleine Sport- oder Freizeitsegelboote mit ein, zwei Modulen, welche den Strombedarf an Bord decken, keine Seltenheit. Die ggf. vorhandenen Hilfsmotoren dieser Fahrzeuge sind dann aber meistens noch mit Diesel betrieben. Auch hier wollen wir den Fokus aber auf solche Fahrzeuge richten, bei denen die Sonnenenergie direkt für den Antrieb nutzbar gemacht wird, und insbesondere auf solche, bei denen sie den Energiebedarf hierfür vollständig deckt.


Solche Boote werden ungefähr seit dem Jahr 2000 in verschiedenen Konfigurationen konstruiert. Die englischsprachige Wikipedia nennt in ihrer „List of solar-powered boats“ 21 verschiedene verwirklichte Konzepte.[22] Sie lassen sich in vier Kategorien unterteilen:

  1. experimentelle Fahrzeuge, wie sie z.B. von nordamerikanischen Hochschul-Teams für das jährliche Renn-Event „Solar Splash“ konstruiert werden.[23] Hierhin gehört auch das unbemannte Solarboot “Mahi Two“, das im Frühjahr 2022 die erste erfolgreiche Atlantiküberquerung eines Fahrzeugs seiner Klasse beendete.[24] 2016 war ein entsprechender Versuch eines „Solar Voyager“ genannten Roboterbootes noch gescheitert.[25] Die erste bemannte Atlantiküberquerung mit reinem Solarantrieb fand übrigens 2007 mit dem in Basel hergestellten „sun21“ statt.[26]
     
  2. Relativ kleine Fahrzeuge im Rahmen des „sanften Tourismus“. Hier sind die PV-Module häufig auf einem Baldachin über den Passagieren angebracht. Ein Beispiel hierfür sind die „Soel Cat“ des niederländischen Herstellers Soel Yachts.[27] Der Wortbestandteil „Cat“ kommt in vielen Namen von Solarbooten vor, weil sie häufig auf das Bauprinzip des Katamarans zurückgreifen, um eine große Fahrzeugbreite für die PV-Nutzung verfügbar zu haben.
     
  3. Passagierschiffe, vor allem Fähren (Abb. 3). Mit Passagier-Kapazitäten zwischen 75 und 150 Personen verkehren sie in der Bucht von Santander, Spanien („EcoCat“), in Kerala, Indien („Aditya“), in Hamburg, Deutschland („Alstersonne“), auf dem Bieler See, Schweiz („MobiCat“), im Hafen von Sydney, Austalien („Solar Sailor“) und im Flusssystem von Dhaka, Bangladesh („IRON“).
     
  4. Luxusyachten. Die Firma „Silent Yachts“ bietet eine ganze Palette von Solarbooten zwischen 18 und 37 Metern Länge an, die hochseetauglich sind und als „Tesla of the seas“ angepriesen werden.[28] Unter den Begriff „Luxusyacht” wird auch das derzeit größte Solarschiff der Welt subsumiert[29]: die „Tûranor PlanetSolar“, die 2010 in Kiel im Auftrag des Schweizer Solarpioniers Raphaël Domjan gebaut wurde (Abb. 11). Der Katamaran verdrängt 95 Tonnen und erreicht mit vier insgesamt 120 kW leistenden Elektromotoren eine Höchstgeschwindigkeit von 14 Knoten (26 km/h). Aus einer maximalen PV-Modulfläche von 512 m² bezieht er eine Leistung von bis zu 93,5 kW. Die „PlanetSolar“ vollbrachte von September 2010 bis Mai 2012 die erste Weltumrundung mit einem rein solaren Antrieb. 2015 erhielt sie den neuen Namen „Race for Water“, weil sie von der gleichnamigen Schweizer Stiftung übernommen wurde. Seitdem verfügt sie als weitere Antriebskomponente auch über einen Zugdrachen der Firma Skysails.[30]


Im Endeffekt ist die „Tûranor PlanetSolar“ also weniger ein Prestigeobjekt Superreicher, eher eine spektakuläre Botschafterin für Erneuerbare Energien. Erstaunlich, dass solche Projekte immer wieder aus der Schweiz kommen. Auch das weltumrundende Solarflugzeug „Solar Impulse“ und die derzeitige Weltreise des „Solar Butterfly“ mit solarem Antrieb sind ja Ideen Schweizer Abenteurer. (Beide letztgenannten Projekte wurden vom SFV unterstützt.)

Abb  11 — Turanor Solar Katamaran. Foto: Florence8787 CC BY-SA 3.0 • 

Schiffe sind die einzigen Fortbewegungsmittel, bei denen prinzipiell mit derselben Anlage Wind- und Solarenergie nutzbar gemacht werden kann, nämlich mit photovoltaisch bestückten Segeln. Dabei kann es sich sogar um klassische flexible Segel handeln wie bei dem Konzept der Helios-Segelyacht, bei der PV-Zellen auf Silikon-Basis als 2000 m² umfassende Großsegel gehisst werden können. Dieses Konzept wurde 2015 von den italienischen Designern Marco Ferrari und Alberto Franchi bei einem Wettbewerb eingereicht.[31]


Ansonsten bestehen photovoltaisch genutzte Segel nicht aus Tuch, sondern aus starren, tragflächenartigen Strukturen aus Holz, Stahl oder glasfaserverstärkten Kunststoffen. Solche starren Segel (ohne PV-Belegung) wurden bereits in den 80er Jahren auf Frachtschiffen erprobt, wo sie zu Treibstoff-Einsparungen zwischen 10 und 30 Prozent führten.[32] Die Versuche wurden abgebrochen, als die Erdölpreise in den Keller gingen. Heute gibt es Projekte in dieser Richtung (diesmal mit PV) wiederum im Segment der Luxusyachten, so etwa der drei-„mastige“ Trimaran „Dragonship“ der Firma Pi Yachts, dessen Antrieb durch einen Elektromotor vervollständigt werden soll.[33] Aber auch im Sektor des Gütertransports werden entsprechende Ideen entwickelt. Die japanische Firma „Eco Marine Power“ entwickelt unter dem Namen „Aquarius“ einen Frachter, der mit 14 starren „Energy Sails“ ausgestattet wird, welche zugleich Sonnenenergie in Strom umwandeln können. 1 MWp an PV-generiertem Strom soll die Energieversorgung im Hafen oder vor Anker unabhängig von Dieselgeneratoren machen, während die Emissionen auf der Fahrt um 40% gesenkt werden könnten.[34]


Die „Botschafter“-Funktion, die wir bereits an der „Tûranor PlanetSolar“ festgestellt hatten, wird auch ausdrücklich von einem gigantischen Projekt angestrebt, das derzeit von der japanischen NGO „Peace Boat“ verfolgt wird. Diese Organisation führt schon seit einigen Jahrzehnten Kreuzfahrten mit dem Ziel durch, „Frieden, Menschenrechte und Nachhaltigkeit zu fördern“. Dabei arbeitet sie mit renommierten Organisationen wie der „UN SDG Action Campaign“ (welche die 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO propagiert) oder der „International Campaign to Abolish Nuclear Weapons“ (ICAN), Trägerin des Friedensnobelpreises, zusammen.[35] Bisher mit gecharterten konventionellen Kreuzfahrtschiffen. Auf der Weltklimakonferenz COP 21 in Paris hat die Organisation das Projekt „Ecoship“ vorgestellt, ein neuartiges Kreuzfahrtschiff mit geschlossenen Materialkreisläufen und einer optimierten Energieeffizienz (Abb. 12). Das 55000-Tonnen-Schiff soll mit einer Länge von 230 Metern Platz für 1900 Passagiere bieten. Von den zahlreichen Ideen zur Förderung der Nachhaltigkeit sind am spektakulärsten die zehn großen, einklappbaren photovoltaischen Segel. Die 750 kWp an PV würden natürlich nicht ausreichen, ein solches Schiff anzutreiben. Das Projekt strebt deshalb nur eine Reduktion der CO₂-Emissionen um 40% an.[36] Das Ecoship sollte 2020 seinen Stapellauf haben, aber bis heute ist es noch nicht auf dem Wasser.[37]


Es ist meist nicht ersichtlich, in welchem Stadium der Verwirklichung sich die größeren Projekte befinden. Klar ist aber, dass die Entwicklungen emissionsfreier Schifffahrts-Antriebe stark von politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen abhängen. Dass der Verkehr zu Wasser noch heute ganz überwiegend auf der Verbrennung fossiler Ressourcen beruht, ist Ergebnis vergangener politischer Entscheidungen zugunsten des fossilen Systems. Das Ruder hätte längst herumgerissen werden müssen. Es jetzt immer noch nicht zu tun – etwa durch massive Forschungsförderung sowie durch die Erhebung drastischer emissionsbezogener Hafengebühren – ist ein weiterer Anschlag auf die Zukunft der Menschheit. In der Schifffahrt der Zukunft werden elektrische Antriebe – neben der Verbrennung von E-Methanol [38] – eine entscheidende Rolle spielen, und die Unterstützung durch photovoltaische Stromerzeugung hat hier ein wichtiges Betätigungsfeld.

Abb 12 —Kreuzfahrt mit Botschafter-Funktion. Das Projekt "Peace Boat Ecoship" ist Teil der UN SDG Action Campaign und will Kreuzfahrten nachhaltiger machen.  © 2022 Peace Boat • 

In der Luft


Den Stand der Nutzung von Photovoltaik in der Luftfahrt hatten wir 2016 umfassend dargelegt.[39] Nach den spektakulären Rekordflügen Mitte des vorigen Jahrzehnts, die in der solargetriebenen Erdumrundung des „Solar Impulse“ gipfelten, ist die Entwicklung in ruhigere Fahrwasser geraten. Eine Reihe neuer Projekte verfolgt das Ziel, unbemannte Solarflugzeuge in die Stratosphäre zu bringen und dort als Kommunikations- bzw. militärische Überwachungs-Plattform mit langer Verweildauer zu verwenden – eine preiswerte Alternative zur Satelliten-Technologie. Hierhin gehörte das inzwischen aufgegebene „Aquila“-Projekt von Facebook. Auch der Airbus-Konzern spielt hier mit seiner „Zephyr“-Reihe mit. Bei seinem Jungfernflug war der „Zephyr S“ im Juli 2022 ohne Zwischenlandung 26 Tage in der Luft.[40]


Auf die Stratosphäre zielt auch der „SolarStratos“, der wiederum in der Schweiz entwickelt wurde. Aber diesmal geht es um bemannte Flüge. Der Zweisitzer hatte am 5. Mai 2017 seinen Jungfernflug. Ob der zuletzt für 2022 angekündigte erste Stratosphärenflug noch aktueller Planungsstand ist, ist nicht klar.[41] Das Flugzeug soll u.a. Messungen in der oberen Atmosphäre durchführen, durchaus auch im Kontext des Klimawandels, und hat zugleich die Aufgabe eines Botschafters der „Förderung der erneuerbaren Energien zum Schutz des Klimas auf unserem Planeten“.[42]


Die Firma „Solar Flight“, die mit ihren „Sunseeker“-Modellen (Abb. 4, 15) auf eine reiche Erfahrung rein solar angetriebener Flugzeuge zurückblicken kann und u.a. den ersten Passagierflug mit einem derartigen Gerät in ihrer Liste der Rekorde stehen hat, arbeitet an dem Projekt eines Sechssitzers, der mit Solarzellen auf Tragflächen, Rumpf und Höhenleitwerk sowie mit einem „lithium battery pack“ angetrieben werden soll; allerdings ist auch an einen „range extender“ in Gestalt eines mit Auto-Benzin betriebenen Generators gedacht.[43]

Abb 15 — Die zweisitzige "Sunseeker Duo" der Firma "Solar Flight". Der Propellerantrieb ist vor dem Seitenleitwerk zu erkennen.  © Photos by Eric and Irena Raymond • 

Auch die aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hervorgegangene Elektra Solar GmbH in Bayern kann erfolgreiche Solarflugzeuge vorweisen. Auf die „Elektra One Solar“ hatten wir 2015 bereits hingewiesen; damals hieß die Firma noch „PC Aero“. Heute sind mit der „Elektra Two Solar“, die in bemannten und unbemannten Varianten hergestellt wird, und dem „Elektra Trainer“, der in diesem Sommer den Erstflug absolvierte (noch ohne On-Board-PV), insgesamt drei Modelle in der Luft. Am Projekt eines zweimotorigen, zehnsitzigen Elektroflugzeugs namens „E-10 SCYLAX“ (anscheinend ohne PV-Unterstützung) wird derzeit gearbeitet.[44]


Im Bereich solar angetriebener Luftschiffe befinden sich unbemannte Stratosphärenplattformen weiter im Erprobungsstadium. Die Volksrepublik China hat 2015 ein „Yuanmeng“ („Traum“) genanntes Solarluftschiff als Überwachungsplattform bis in eine Höhe von knapp 20 Kilometer aufsteigen lassen. Vom weiteren Schicksal des Yuanmeng ist allerdings nichts bekannt.[45] In Frankreich wird der seit 2020 vom dortigen Verteidigungsministerium unterstützte „Stratobus“ entwickelt. Dessen PV-Module sollen im Inneren der teilweise transparenten Luftschiffhülle liegen und das Sonnenlicht über Umlenkungsspiegel empfangen.[46] Auch das iranische „Space Research Center“ verlautbarte Ende 2018, innerhalb von zehn Jahren ein solar angetriebenes Luftschiff entwickeln zu wollen. Ein Verwendungszweck oder sonstige Details wurden nicht angegeben.[47]

Abb 13 — Projektidee: PV-unterstütztes Luftschiff der französischen © „DiriSolar“ • 

Die kanadische Firma Solarship verfolgt mit ihren solaren Hybrid-Luftschiffen (die Auftrieb sowohl durch Traggas als auch durch eine aerodynamische Gestaltung des Auftriebskörpers gewinnen) weiter ihr Projekt der Erschließung abgelegener Regionen (Abb.  1).[48] Auch das französische „DiriSolar“-Projekt (Abb. 13) konzipiert eine aerodynamische Unterstützung des aerostatischen Auftriebs, nämlich durch Ausnutzung des Bodeneffekts. Der Erfinder Philippe Tixier arbeitet seit 2009 an diesem Konzept; 2021 begann ein Fundraising zwecks Konstruktion eines Geräts in Originalgröße.[49]


Was wir 2016 übersehen hatten, ist das Projekt eines Hochgeschwindigkeits“-Solarluftschiffs, das in großer Höhe (über dem Wetter, aber unterhalb der Flughöhen konventioneller Jets) den Jetstream ausnutzen soll und so bis zu 300 km/h erreichen soll. Dieses Konzept von Mark Summers aus dem Jahre 2010 war zwischenzeitlich eingeschlafen[50], ist aber mit neuen Kooperationspartnern kürzlich reanimiert worden.[51]


Andere große Projekte, etwa solche luxuriösen Personentransports, sind offensichtlich im Stadium der Phantasie verblieben. Die Luftschifftechnik ist tatsächlich weithin ein Betätigungsfeld von Enthusiast:innen, die nie auch nur in die Nähe einer Finanzierbarkeit ihrer Ideen gelangen. Immerhin nähert sich zur Zeit in der berühmten Luftschiffhalle von Akron (Ohio, USA) ein seriöses Luftschiffprojekt seiner Vollendung, das auf elektrischem (wenn auch nicht PV-unterstütztem) Antrieb basiert: der „Pathfinder 1“ der Firma „LTA Research“. Hinter der Firma steht der Milliardär Sergey Brin, Mitgründer des Google-Konzerns. Das 120 Meter lange Starrluftschiff wird von zwölf Elektromotoren angetrieben werden, die in Kooperation mit der slowenischen Firma Pipistrel entwickelt wurden. Die Gondel und das Fahrwerk stammen aus Friedrichshafen, vom Luftschiffbau Zeppelin. Die Pathfinder 1 soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden.[52]


Man sollte diese Technologie im Hinblick auf die überfällige Mobilitätswende weiter beobachten, denn soweit es um Energieeffizienz geht, sind Luftschiffe den Flugzeugen haushoch überlegen; sie erledigen die gleiche Transportleistung mit einem Zehntel der Energie, weil der Energiebedarf für den Auftrieb bei ihnen wegfällt. Daher können sie viel schwächer motorisiert werden. Und auch die große für PV verfügbare Oberfläche der Luftschiffhüllen bleibt als Argument bestehen.

Fazit


Die Nutzung von On-Board-Photovoltaik im Verkehrssektor ist auf dem Land, zu Wasser und in der Luft überall noch im Pionier- und Erprobungsstadium. Dies hängt damit zusammen, dass die Entwicklung elektrischer Antriebe das gesamte 20. Jahrhundert hindurch systematisch hintertrieben wurde (außer im Bereich der Schienenfahrzeuge). Und der Preisverfall bei Photovoltaik setzte erst im 21. Jahrhundert ein. Mit der derzeitigen Explosion fossiler Energiepreise stellt sich die ökonomische Wettbewerbssituation heute ganz anders dar als noch vor einigen Jahren. Nicht nur um diese geht es allerdings, sondern viel mehr noch darum, dass der Verkehrssektor nicht länger Klimakiller sein darf. Dazu muss auch die Antriebsfrage fokussiert werden.


Welche Rolle photovoltaische Stromgewinnung an E-Fahrzeugen spielen kann, ist für jeden Sektor separat zu beurteilen. Das Potenzial dürfte in der Schifffahrt und bei Luftschiffen am größten sein; im Schienenverkehr am geringsten, weil dort die netzgebundene Stromversorgung schon gut etabliert ist. 


Die während der Fahrt gewonnene Sonnenenergie wird nur in den wenigsten Fällen ausreichen, den Antriebs-Energiebedarf vollständig zu decken; aber schon die Möglichkeit, Batterien entsprechend kleiner zu dimensionieren, erscheint lohnend. Falsch wäre es zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls, die überall reichlich vorhandene kreative Energie weiterhin zu deckeln. Projekte, welche nicht primär dem Prestige ihrer Entwickler:innen oder Nutzer:innen dienen, sondern einer emissionsfreien Mobilität der Zukunft, sollten vielmehr durch Forschungsförderung und den Abbau bürokratischer Hürden begünstigt werden.

Quellen und Literatur