Im Oktober letzten Jahres wurde in Deutschland die zweimillionste Solarstromanlage in Betrieb genommen. Das war ein wichtiger Zwischenerfolg der Energiewende. Die Solarenergie wird in Städten und Gemeinden immer mehr sichtbar. 

Solare Dachanlagen werden in den allermeisten Fällen von Eigenheimbesitzern und Besitzerinnen betrieben. Einen Anreiz, das gesamte Dach mit Solarmodulen zu belegen, gibt es schon seit längerem leider nicht mehr. Da die Netzeinspeisevergütung viel zu gering ist, werden Größe und Anlagenbetrieb der Solarstromanlage auf Eigenverbrauch optimiert. Viele Flächen bleiben dabei ungenutzt. Wer darüber nachdenkt, die Nachbarschaft außerhalb des Grundstücks mit Sonnenstrom zu versorgen, scheitert in aller Regel an komplexen Vorschriften zur Netznutzung und zur Messung. 

Auch die Dächer der über 6,5 Millionen Mehrfamilienhäuser in Deutschland sind nur zu einem verschwindend kleinen Anteil mit Solaranlagen ausgerüstet. Das ist nicht nur für die Klimaziele bedauerlich, sondern auch weil über 50% der Bürgerinnen und Bürger zur Miete wohnen. Sie haben - sofern sie keine Balkonanlage bauen können - keine Chance, eigenen Solarstrom vor Ort zu erzeugen und zu nutzen. Sie sind von der solaren Bürgerenergiewende weitestgehend ausgeschlossen. 

Ein Konzept, das dieses Problem lösen kann, ist der sogenannte Mieterstrom, bei dem mehrere Wohnungen, ein Quartier und/oder Gewerberäume mit Solarstrom vom Dach versorgt werden. Häufig erzeugen und liefern Vermieter oder Eigentümergemeinschaften den Strom dann nicht selbst, sondern betrauen Dritte z.B. Energiedienstleister mit der Aufgabe. 

Energiedienstleister wie der Ökostromhändler Naturstrom gehen davon aus, dass sich Mieterstromkonzepte aktuell allenfalls ab 40 Wohneinheiten aufstellen lassen. Andere Unternehmen gehen von weniger Wohneinheiten aus. Dennoch geht alles nur sehr langsam voran, denn auch sie stoßen auf eine unnötige Komplexität und Ungleichbehandlung. 

Eine davon ist die Umlagepflicht: Wenn Betreiberinnen/Betreiber mit Verbraucherinnen/Verbraucher nicht personenidentisch sind (gleiche juristische bzw. natürliche Person), wird die volle EEG-Umlage (aktuell 6,5 Ct/kWh) auf Eigenversorgung fällig. Solarstrombetreiberinnen und -betreiber mit Eigenversorgungskonzept sind damit eindeutig besser gestellt. Sie brauchen je nach Anlagengröße keine oder nur eine auf 40% verminderte EEG-Umlage zahlen. Stromnebenkosten wie Netzgebühren, Konzessionsabgabe und Stromsteuer fallen zwar bei der Mieterstrom-Vermarktung auch nicht an. Dennoch schrumpft der finanzielle Vorteil bei der Vor-Ort-Versorgung. 

Wer Solarstrom an Dritte liefert, wird formell zum Energieversorgungsunternehmen mit entsprechenden Pflichten und Risiken. So muss in Stromlieferverträgen geregelt werden, zu welchem Preis und zu welchen Versorgungs- und Kündigungsmodalitäten der Strom verkauft wird. Da Stromkundinnen und -kunden das Recht haben, alle 2 Jahre den Stromanbieter zu wechseln, bleiben die Abnahmerisiken bei den Solarstrombetreiberinnen/-betreibern oder Energiedienstleistern. Desweiteren sind umfassende Messkonzepte notwendig, um exakt abzurechnen. Das bedeutet Verwaltungsarbeit, die sich im Endkundenpreis widerspiegelt. 

Allen ist klar: Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern sind für die Energiewende unentbehrlich. Und sie bieten die Chance, die Akzeptanz für die Umstrukturierung unserer Energieversorgung durch Teilhabe zu erhöhen. Die Verkehrswende steht in den Städten in den Startlöchern und die Kopplung von Mieterstromkonzepten mit Elektrolademöglichkeiten vor Ort wäre erfolgsversprechend. Gemeinsam genutzte, in das Versorgungsnetz integrierte Speicher in Innenstädten könnten zudem zusätzliche Möglichkeiten öffnen, gemeinschaftliche Versorgungskonzepte aufzubauen.

Einige gute Projekte wurden bereits verwirklicht und viele weitere Ideen zu Gemeinschaftslösungen, Mieterstrom und regionaler Vermarktung liegen in den Schubladen. Ihre Realisierung steht und fällt mit soliden und finanzierungssicheren Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung. 

 

Gesetzliche Rahmenbedingungen

 

Das Thema Mieterstrom steht in der Bundespolitik schon lange auf der Agenda. Erste Anreize für Mieterstromprojekte wurden über die Eigenverbrauchsförderung im EEG 2009 gesetzt. Die Regelungen überzeugten nicht, da bereits hier eine EEG-Umlagepflicht bei der Versorgung von Dritten bestand sowie Risiken und Verwaltungsaufgaben finanziell nicht genug abgefedert wurden. Auch die Vergütungen waren zu gering.

Im EEG 2017 entschied sich die Bundesregierung deshalb für einen zusätzlichen Mieterstromzuschlag, den Anlagenbetreiberinnen/-betreiber bei der Belieferung Dritter geltend machen konnten. Der Plan war, die solare Stromversorgung von Mieterinnen und Mietern sowie Eigentümergemeinschaften anzustoßen, sofern sie in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Solaranlage wohnen.

Dabei wurden im EEG 2017 gleich mehrere entscheidende Fehler begangen:

  • Der Mieterzuschlag war zu knapp bemessen.
  • Die Anlagenbetreiberinnen/-betreiber konnten zwar die Preise pro gelieferter Kilowattstunde Solarstrom an Stromkundinnen/-kunden um den gewährten Mieterstromzuschlag verringern. Die im Gegenzug zu zahlende volle EEG-Umlage fraß den Preisvorteil aber bei weitem wieder auf.
  • Vor Start eines Mieterstromprojektes mussten die Betreiberinnen und Betreiber einen Antrag bei der Bundesnetzagentur auf Mieterstromzuschlag stellen, da pro Jahr nur maximal 500 MW Anspruch auf eine Förderung erhalten sollten. Das erhöhte die Unsicherheit und den bürokratischen Aufwand.
  • Die Förderung war auf Anlagen bis 100 kW beschränkt. Solaranlagen in Wohnquartieren mit mehreren Häusern wurden zusammengerechnet, sodass sich die Leistungsbeschränkung zur echten Investitionsbremse entwickelte. Auch die Belieferung über Grundstücke hinaus war problematisch.
  • Und zu guter Letzt wurde der Mieterstromzuschlag in gleicher Höhe wie die Netzeinspeisevergütung monatlich abgesenkt. Das führte zum Absturz der Förderung. Beim Inkrafttreten des Mieterstromgesetzes lag der Mieterstromzuschlag je nach Anlagengröße noch zwischen 2,6 ct/kWh (100-kW-Anlage) und 3,7 ct/kWh (Anlagen bis 10 kW). Im Zuge der ab August 2018 erfolgten Degression fiel der Mieterstromzuschlag auf 1,2 bis 2,3 ct/kWh (Juni 2019). 2020 kam die Förderung ganz zum Erliegen. Vergünstigungen bei Netzentgelten, der Konzessionsabgabe und der Stromsteuer waren nicht hinreichend und kompensierten den hohen Technik- und Verwaltungsaufwand sowie die verpflichtende Zahlung der vollen EEG-Umlage in aller Regel nicht.

Anstelle der jährlich geplanten 500 MW entstanden bis Ende 2020 – also innerhalb von 2 1/2 Jahren! – insgesamt nur 24 MW an Mieterstromanlagen.

 

Dieses mangelhafte, sehr deutliche Ergebnis hätte die Politik – ein ernsthaftes Bemühen vorausgesetzt - bewegen müssen, grundsätzliche Änderungen zum Mieterstrom auf den Weg zu bringen.

 

EEG 2021: Hat die Bundesregierung dazu gelernt?

 

Nein! Die Geburtsfehler blieben fast durchgängig bestehen.

Zwar wurde der Mieterstromzuschlag noch einmalig angehoben. Doch blieb man bei dem Verfahren einer monatlichen Absenkung.

Im Februar 2021 sank der Mieterstromzuschlag bereits regulär um 0,4 Ct/kWh. Diese Reduzierung setzt sich nun monatlich fort. Und da der von der Bundesnetzagentur errechnete solare Brutto-Zubau im vorangegangenen Jahr den im EEG 2021 festgelegten Ausbaupfad von 2500 MW überschritt, wird der Zuschlag von Februar bis April 2021 zusätzlich um weitere 1 % pro Monat abgesenkt. 

Was danach kommt ist noch ungewiss. Das bringt Investitionsunsicherheit für Projekte, die in der Planung sind. Da bei Mieterstromanlagen keine kurzfristige Realisierung denkbar ist, kann kaum kalkuliert werden. Und es ist absehbar, dass der Mieterstromzuschlag auch über den April hinaus um mehr als 0,4 Ct/kWh sinkt

Die aktuellen, nach Leistungsgrößen gestaffelten Mieterzuschläge finden Sie in der nachfolgenden Tabelle. Es wird wiederholt nur der Strom bezuschusst, der aus Anlagen mit maximal 100 kW stammt. Auch die EEG-Umlage auf Drittversorgung bleibt bestehen. Anlagenbetreiber müssen für jede Kilowattstunde gelieferten PV-Stroms auch weiterhin 100 Prozent EEG-Umlage zahlen und regelmäßig beim Netzbetreiber abrechnen.

 

 Mieterstromzuschlag in Ct/kWh   

     Jan 2021              

 Feb 2021        

  Mrz 2021        

   Apr 2021        

bis 10 kW

3,79

3,74

3,68

3,63

bis 40 kW

3,52

3,47

3,42

3,37

bis 100 kW

2,37

2,34

2,3

2,27

 

 

Trotz aller Kritik gibt es auch einige Verbesserungen im EEG 2021. So wurde der Quartierbegriff angepasst, sodass die Anlagen, die im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang stehen, nicht mehr zwingend zusammengefasst werden.

 

Was zu tun wäre

 

Alle Bürgerinnen und Bürger müssen das gleiche Recht bekommen, Strom aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen, zu speichern, zu verbrauchen und zu verkaufen. Für selbst erzeugten und an Dritte gelieferten Strom müssen identische Regeln gelten. Mieterstrom- und Energiegemeinschaften müssen endlich Eigenversorgern gleichgestellt werden. Die EEG-Umlage auf Eigen- und Drittversorgung ist zu streichen. Genauso fordert es die Richtlinie der Europäischen Union zu Erneuerbare Energien 2018/2001, die die Bundesregierung bis spätesten Juni 2021 umsetzen muss.

Bürgerstromhandel, gemeinsam genutzte Ladeinfrastruktur und Quartierspeicher benötigen eine zusätzliche Förderung und müssen für alle nutzbar sein. Das könnte weiterhin über Zuschläge oder für den gewinnbringenden Betrieb der Solarstromanlagen hinreichend hohen Einspeisevergütungen gewährleistet werden.

Informationen, die den Bürgerinnen und Bürgern Auskunft darüber geben, wie sie ihre Rechte ausüben können, müssen über die Kommunen zugänglich gemacht werden.

Die Energiewende muss ein Gemeinschaftsprojekt werden. Nur so kann sie gelingen!