Diese alte Forderung des SFV wurde nie konsequent umgesetzt. Selbst einige Freunde der Photovoltaik befürchteten nämlich, dass bei einer "zu hohen" Anfangsvergütung die Geldmittel nicht vollständig zum weiteren Ausbau der Solarstromerzeugung eingesetzt würden. Siliziumproduzenten, Modul- und Wechselrichterhersteller, Händler und Installateure würden sich vielmehr "goldene Nasen" verdienen, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Diese Befürchtung soll im folgenden ausgeräumt werden. Es soll auch gezeigt werden, welche Fehler bei einer solchen forcierten Marktausweitung vermieden werden müssen, damit der befürchtete "Goldene-Nasen-Effekt" nicht eintritt.
Als erstes soll dazu die Frage beantwortet werden, auf Grund welcher Ursache-Wirkungsbeziehungen eine höhere Einspeisevergütung überhaupt zu einem Absinken der Preise führt:
Die Wirkungskette einer erhöhten Einspeisevergütung
1. Die Initialzündung
- Es wird eine gewinnbringende Einspeisevergütung angeboten und eine angemessene jährliche Reduktion der Einspeisevergütung festgelegt.
- Anschließend geschehen alle weiteren Schritte aufgrund der Marktgesetze sozusagen vollautomatisch:
2. Nachfrage und Preise steigen
- Bei einer gewinnbringenden Einspeisevergütung wächst natürlich das Interesse an PV-Anlagen: Die Nachfrage steigt.
- Die Herstellerfirmen versuchen, die höhere Nachfrage zu befriedigen; z.B. gehen Fabriken auf Mehrschichtbetrieb über. Doch eine weitere Erhöhung des Angebots ist mit den vorhandenen Produktionseinrichtungen nicht möglich.
- Bei steigender Nachfrage steigen die Preise. - Doch, so ist es!!! Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage steigen bei zunehmender Nachfrage (wenn das Angebot nicht gleichermaßen steigen kann) zunächst die Preise. Die Preise steigen unabhängig von den Herstellungskosten - sogar auch dann, wenn die Herstellungskosten sinken.
- Preiserhöhungen, obwohl die Kosten nicht steigen, werden von vielen Beobachtern als "Abzocke", als "Gewinnmitnahme" oder mit anderen unfreundlichen Bemerkungen kommentiert und führen leicht zu der Forderung, die Einspeisevergütung umgehend abzusenken.
- Der nachfragebedingte Anstieg der Preise bei gleichzeitiger Vollauslastung der Herstellerbetriebe hat jedoch eine unverzichtbar wichtige Funktion in der gewünschten Wirkungskette. Er ist das Signal an die Unternehmer, dass in diesem Wirtschaftszweig Geld verdient werden kann. Dieses Signal darf nicht so rasch verlöschen. Außerdem werden wir weiter unten sehen, dass die Mehreinnahmen nicht verloren gehen, sondern aufgrund der Marktgesetze genau an den Stellen hängen bleiben, wo sie für den weiteren Ausbau der Solarstromversorgung am meisten gebraucht werden. Es wäre deshalb ein gravierender politischer Fehler, den plötzlichen Preisanstieg durch schnellere Reduzierung der Einspeisevergütung zurückzunehmen. Im Gegenteil; die anfangs gewährte Einspeisevergütung muss so hoch gewählt werden, dass trotz des unvermeidbaren Preisanstieges noch ein Gewinnanreiz für neue potentielle Anlagenbetreiber verbleibt, der die erhöhte Nachfrage aufrecht erhält und damit die Hersteller dauerhaft zur Vollauslastung ihrer Produktionsanlagen zwingt.
- Der anfängliche Preisanstieg verringert die Kauflust; die Nachfrage steigt deshalb nicht ins Ungemessene, sondern Nachfrage und Preise stabilisieren sich auf höherem Niveau. Der erste Wirkungsschritt war erfolgreich, nun kann der nächste folgen.
3. Ausweitung der Kapazitäten
- Höhere Marktpreise und Nachfrage sind ein Anreiz zur Vergrößerung der Installationsbetriebe, der Händlerketten, und schließlich zum Bau neuer Produktionsstätten.
- Mit dem kontinuierlich aufeinanderfolgenden Bau neuer Produktionsstätten setzt die Massenproduktion ein.
4. Senkung der Herstellungskosten
- Fortlaufende Errichtung neuer Produktionsanlagen bietet die Gelegenheit, die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung sowie die bisherigen Erfahrungen beim Bau der neuen Produktionsanlagen sogleich zu nutzen, sie in die Praxis umzusetzen. So steigt die Qualität des Produkts und seine Herstellungskosten sinken.
- Je weiter die Herstellungskosten unter den Verkaufspreisen liegen, desto höher ist der Gewinn. Daraus ergibt sich ein hoher Anreiz zur Ausnutzung aller Kostensenkungsmöglichkeiten. Die Befürchtung ist also irrelevant, die Hersteller würden in der Phase der Kapazitätserweiterungen keine Forschungsergebnisse nutzen, sondern nur hastig weitere Solarmodulfabriken errichten, in denen der alte Stand der PV-Technik reproduziert wird.
- Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie die bekannten Einspareffekte bei der Massenproduktion senken also insbesondere bei den neu entstehenden Produktionsstätten die Herstellungskosten. Hier ist die Erkenntnis wichtig, dass viele Forschungsergebnisse - insbesondere die Entwicklung völlig neuer Verfahren - überhaupt nur in die Praxis umgesetzt werden können, wenn neue Produktionsanlagen errichtet werden.
- Sinkende Herstellungskosten führen allerdings - wie bereits weiter oben betont - nicht automatisch zu einer Senkung der Verkaufspreise. Entscheidend für die Entwicklung der Verkaufspreise ist vielmehr weiterhin das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Solange die Nachfrage höher ist als das Angebot, solange bleiben die Preise hoch und solange besteht der Anreiz zum Bau neuer Produktionsstätten. Noch einmal sei an dieser Stelle betont, dass die Hersteller bei zuverlässigen weiteren Gewinnaussichten die höheren Einnahmen zur weiteren Kapazitätserweiterung und Verbesserung der Produktionsanlagen nutzen.
5. Senkung der Marktpreise erst im letzten Wirkungsschritt
- Infolge immer neuer Produktionseinrichtungen wächst schließlich das Angebot noch schneller als die Nachfrage. So kommt es zu einem Überangebot.
- Wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, sinken endlich die Preise. Hersteller, die ihre Kosten weiter gesenkt haben als ihre Konkurrenten, drängen nun die technisch rückständigeren, teureren Konkurrenten durch Niedrigpreise aus dem Markt.
Wie wir sehen, steht die Preissenkung erst am Schluss. Offenbar ist es also ein Fehler, gleich zu Beginn der Wirkungskette auf niedrige Preise zu drängen, vielleicht sogar nur eine geringe Anfangsvergütung oder eine zu starke Reduktion der Vergütung festzulegen. So kann das wichtige Preissignal nicht entstehen, aufgrund dessen die Produktion ausgeweitet werden wird, und aufgrund dessen sogar neue Akteure in das Geschäft einsteigen.
Man kann es - mit gleichem Endergebnis - auch so betrachten: Wer die Anfangsvergütung zu knapp bemisst, versagt den Produktions- und Installationsbetrieben die finanziellen Grundlagen für eine Ausweitung und Verbesserung der Produktion.
Wir brauchen deshalb eine hohe Anfangsvergütung.
Überhitzung?
Ein Argument, mit dem wir uns nun auseinandersetzen wollen, ist die Behauptung, dass eine zu hohe Anfangsvergütung nur zu den berüchtigten "goldenen Nasen" bei Betreibern, Installateuren, Händlern und Herstellern führt. Sie alle würden ihre Preise erhöhen, dafür aber keine Gegenleistung erbringen, nicht einmal ihre Technik verbessern, da ihnen die wenigen verfügbaren Solaranlagen geradezu aus der Hand gerissen werden. Der eigentliche Engpass bestünde nur beim Solarsilizium; dort seien höhere Gewinne berechtigt, da dort die Kapazitäten dringend erweitert werden müssten. Dies brauche aber Zeit. Alle übrigen Teilnehmer an der Produktionskette brauchten bis dahin ihre Kapazitäten nicht auszubauen. Für sie seien solche Mehreinnahmen deshalb völlig fehl am Platz. Eine höhere Einspeisevergütung würde nur zu einer Überhitzung des Marktes führen.
Dieses Argument ist weit verbreitet, ist jedoch im wesentlichen falsch. Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass zwar alle Teilnehmer der Produktionskette ihre Preise erhöhen,; die meisten geben jedoch nur die erhöhten Preise der Vorprodukte weiter. Höhere Gewinne können nur bei denjenigen Produktionsschritten realisiert werden, in denen ein Engpass herrscht. Bei den übrigen Produktionsschritten wird jede darüber hinausgehende Preiserhöhung durch die gegenseitige Konkurrenz verhindert.
Betrachten wir dazu konkret die verschiedenen Stufen:
- Der Solarinstallateur bekommt die Solarmodule in den oben genannten Wirkungsschritten 1 bis 4 nur zu einem erhöhten Einkaufspreis. Diese höheren Kosten muss er weitergeben. Er kann aber darüber hinaus seine Preise nicht beliebig erhöhen, denn er ist nicht ohne Konkurrenz. Würde er sich einen höheren Gewinn leisten wollen, würde der Nachbar-Installateur die Anlagen billiger verkaufen, und wenn der Nachbarinstallateur voll ausgelastet ist, können rasch neue Konkurrenten in das Geschäft einsteigen. Auch der Elektroinstallateur um die Ecke kann Solaranlagen installieren. Er braucht sich neben dem erforderlichen Fachwissen nur die entsprechenden Werkzeuge und Geräte anzuschaffen, z. B. einen Aufzug, mit dem er die Montagegestelle und die Solarmodule auf das Dach bringen kann, Fanggerüste, um einen Absturz vom Dach zu vermeiden. Auf der Stufe der Installateure gibt es also keinen echten Engpass. Es lassen sich deshalb nur geringe Gewinnmitnahmen durchsetzen. Von "goldenen Nasen" kann nicht die Rede sein.
- Auch der Solargroßhändler steht nicht ohne Konkurrenz da. Jeder Elektrogroßhändler kann auch Solarmodule und Wechselrichter in sein Sortiment aufnehmen. Auf seiner Stufe können also ebenfalls nur die erhöhten Einkaufskosten weitergegeben werden. Eine wesentliche Preiserhöhung darüber hinaus - und damit eine Erhöhung des Gewinns - ist nicht durchsetzbar und zu befürchten.
- Hersteller sonstiger High-Tech-Güter können allerdings nicht so rasch zu Solarzellen/-modulherstellern werden.
Auf dieser Stufe könnten also die schon im Markt befindlichen Solarzellen- oder Modulhersteller größere Preiserhöhungen durchsetzen.
Doch halt, da gibt es den internationalen Markt, der gerne Solarzellen und Module liefern wird, wenn in Deutschland die Preise dafür auch nur ein klein bisschen ansteigen. Glücklicherweise gibt es ja nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Zellen- und Modulhersteller. Eine wesentliche Gewinnmitnahme ist deshalb selbst auf der Stufe der Modulhersteller nicht zu befürchten.
- Doch nun kommen wir zum echten Engpass: Die Herstellung von Solarsilizium.
Früher wurde das Silizium für Solarmodule ausschließlich vom Computerchip-Silizium abgezweigt. Der hohe Reinheitsgrad des Computer-Siliziums wäre für Solarzellen eigentlich nicht nötig, aber die Errichtung spezieller Solarsiliziumfabriken, in der billigeres Solarsilizium mit einem geringeren Reinheitsgrad hergestellt wird, verlangt große Investitionen. Zwar werden derzeit einige Produktionsstätten für Solarsilizium errichtet, doch auch ihre Kapazität wird für das erforderliche Ausbautempo der Solarenergie nicht ausreichen. Der Grund: Investitionen in dem hier erforderlichen Ausmaß erfolgen erst, wenn die Kapitalgeber überzeugt sind, dass sie sich auch auf lange Sicht bezahlt machen. Selbst eine Firma wie die Bayer AG hat vor wenigen Jahren die absehbare Chance auf dem Solarsiliziummarkt nicht genutzt und lieber ihre Patente in diesem Spezialgebiet verkauft.
- Eine deutlich erhöhte Einspeisevergütung würde also - noch viel mehr als derzeit - zunächst nur bei den Siliziumlieferanten zu einer deutlichen Preiserhöhung und zu Gewinnmitnahmen führen. Was mit diesen Gewinnen dann geschieht, ist die entscheidende Frage!
- Die erwünschte Errichtung von noch mehr Produktionsstätten für Solarsilizium erfolgt in dem erforderlichen Ausmaß nur, wenn die Kapitalgeber eine zuverlässige Fortsetzung der Solarstrom-Markteinführung über mehr als eine Legislaturperiode voraussehen. Kein Unternehmer würde sich angesichts eines nur vorübergehenden Nachfrage- und Preisschubs darauf einlassen.
Schlussfolgerung
Wenn aufgrund der politischen Verhältnisse eine auf lange Sicht nachhaltige Ausweitung der Technik erwartet wird, werden die Gewinne genau dort investiert, wo der Engpass liegt. Wichtig ist deshalb nicht nur eine deutliche Anhebung der Solarstromvergütung sondern auch ein Klima politischen Vertrauens in ihre Stetigkeit.