Datum: 05.03.06 (Aktualisierung)

Windanlagen unökologisch? - Stellungnahme des SFV

 

Der Vorwurf

Von angeblichen Experten der Energiewirtschaft wird häufig behauptet, Windanlagen seien ökologisch wertlos, weil ihre Leistung nicht gesichert sei. Deshalb müssten aus Gründen der Versorgungssicherheit ständig Kohlekraftwerke gleicher Leistung unter Dampf gehalten werden, ohne dass ihr Strom benötigt wird. Somit werde Brennstoff vergeudet.

Diese Behauptung ist in mehrfacher Hinsicht falsch.  

Gesamtleistung ändert sich nur langsam

Es ist nicht sachgerecht, mit den raschen Leistungsschwankungen einzelner Windräder zu argumentieren. Sturmfronten oder einzelne Windböen kommen nicht gleichzeitig bei allen Windrädern eines Landes an. Dazwischen liegen Stunden! Die Leistungsschwankungen glätten sich bei ihrer Summierung. Die Summen-Leistung aller Windräder ändert sich nur gemächlich und ist mit Hilfe des Wetterdienstes gut zu prognostizieren. Die prognostizierte Leistung der Windräder kann somit im "Fahrplan" für die Mittellastkraftwerke berücksichtigt werden. Dieser Fahrplan wird jeweils am Tag zuvor erstellt und berücksichtigt das voraussichtliche Verhalten der Verbraucher genauso wie die zu erwartenden Erträge der Windanlagen.
  • Nach Untersuchungen des Instituts für Solare Energieversorgungstechnik (ISET) in Kassel betrug die Genauigkeit der Windprognose über einen Prognosezeitraum von 3 Stunden 95%; über einen Zeitraum von 48 Stunden lag sie immerhin noch bei 90%. Die stärkste innerhalb eines Jahres überhaupt beobachtete Veränderung der Gesamtleistung aller deutscher Windkraftanlagen innerhalb einer Stunde lag bei lediglich 20%; d.h. selbst im ungünstigsten Fall stand nach einer Stunde immer noch 80% der ursprünglichen Windleistung zur Verfügung. (Information aus einem Vortrag des ISET-Leiters Prof. Schmid.)

Bei Prognosefehlern kommt es entweder zu einem Überangebot oder zu einem Mangel. Weil aber die landesweite Gesamtleistung der Windenergie sich nur langsam ändert, bleibt ausreichend Zeit für eine Korrektur. Insofern sind die Verhältnisse erheblich günstiger als beim schlagartigen ungeplanten Abschalten eines konventionellen Großkraftwerks.

Maßnahmen gegen unerwarteten Leistungsrückgang

Anklagend weisen die angeblichen Experten der Stromwirtschaft darauf hin, dass ständig einige Regelkraftwerke im angedrosselten Betrieb bei voller Brennstoffzufuhr und voller Dampferzeugung mitlaufen und dabei einen großen Teil ihrer thermischen Energie verschenken müssen, damit sie im Notfall innerhalb von Sekunden durch Öffnen der Drossel zusätzliche Energie liefern können. Hier handelt es sich um eine Falschdarstellung. Schon die Bezeichnung "angedrosselter Betrieb" ist eine Irreführung der Öffentlichkeit, weil der Begriff "Drosselung" die Vermutung bekräftigt, dass es zu Verlusten kommt. Kraftwerksbetreiber sprechen von "Teillastbetrieb". Der Teillastbetrieb - z.B. mit 40 % der Nennleistung - besteht darin, dass das Kraftwerk nach vertraglicher Vereinbarung mit dem regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber nicht mit voller Brennstoffzufuhr gefahren wird, etwa wie ein Auto, bei welchem das Gaspedal nicht voll durchgetreten ist, und welches deshalb nicht mit Höchstgeschwindigkeit fährt. Der Brennstoffverbrauch ist dann entsprechend geringer. Durch weiteres Öffnen der Dampfventile und gleichzeitiges Erhöhen der Brennstoffzufuhr kann die Leistungsabgabe schlagartig erhöht werden.

Bisweilen wird Zweifel daran laut, ob wirklich eine "schlagartige" Erhöhung der Leistungsabgabe möglich ist. Deshalb die folgende vereinfachte technische Erklärung:
In einem mit Vollast oder Teillast laufenden Dampfkraftwerk ist Energie an mehreren Stellen gespeichert:
  • Die kinetische Energie der drehenden Teile
  • Die Druckenergie des Dampfs im Kessel und in den Rohrleitungen
  • Die thermische Energie im Feuerungsraum, in den Kessel- und Leitungswänden.
Wir gehen von Teillastbetrieb aus.
Zunächst ein Gedankenexperiment zur Einstimmung: Selbst wenn jetzt die Feuerung abgestellt würde, reicht die gespeicherte Energie aus, noch über mehrere Minuten Strom zu liefern, wobei dann natürlich der Druck und die Temperaturen unter den optimalen Wert absinken und damit auch der Wirkungsgrad abnimmt. Schließlich würde auch die Drehzahl absinken.
Durch Öffnen der Dampfventile könnte man sogar nach Abschalten der Brennstoffzufuhr die abgegebene elektrische Leistung noch erhöhen, wobei dann natürlich der Dampfdruck umso schneller absinkt. Soweit das Gedankenexperiment.

Wenn die Leistung vom Teillastbetrieb auf Vollastbetrieb erhöht werden soll, geschieht in der Praxis Folgendes: Beim plötzlichen Öffnen der Dampfventile steigt die auf die Turbinen geleitete Dampfleistung schlagartig an. Gleichzeitig beginnen natürlich Druck und Temperatur des Dampfsystems zu sinken, z.B. von Nenndruck 70 bar auf 68 bar, und der Wirkungsgrad verschlechtert sich. Da aber gleichzeitig die Brennstoffzufuhr erhöht wird, wird diese Druck- und Temperatursenkung in weniger als einer Minute auf den üblichen Betriebswert zurückgeführt. Soviel zur Erklärung der Tatsache, dass in der Tat die Leistung "schlagartig" gesteigert werden kann.

Nun zurück zu einem Kraftwerk, welches absichtlich in Teillast betrieben wird: Ein sehr, sehr kleiner energetischer Verlust tritt insofern ein, als im Teillastbetrieb der Gesamt-Wirkungsgrad des Kraftwerks ein klein wenig absinkt - aber zwischen 100% Vollastbetrieb und 70% Teil-Lastbetrieb verringert sich der Wirkungsgrad im Mittel nur um einen halben Prozentpunkt, von 39% (bei Vollast) auf etwa 38,5% (bei Teillast). Der angeblich hohe Verlust an Brennstoff schrumpft somit auf einen halben Prozentpunkt, d.h. etwa 1,3% der von dem Kraftwerk gelieferten Leistung. Selbst wenn für die GESAMTE durchschnittliche Windleistung Reserven in Form von mit 70%iger Teillast betriebenen konventionellen Kraftwerken bereitgehalten würden, würde der dadurch verursachte Verlust an Brennstoff daher lediglich 3% der von der Windenergie gelieferten Leistung betragen. Da sich aber die Gesamtleistung aller Windräder - wie eingangs erwähnt - nur langsam ändert und gut prognostiziert werden kann, müssen tatsächlich niemals für die GESAMTE Windenergieleistung Reserven vorgehalten werden, sondern allenfalls für einen kleinen Bruchteil. Somit beträgt der durch die Windenergie bedingte Verlust nur einen kleinen Teil der genannten 3%, also vielleicht ein zehntel oder hundertstel Prozent der von der Windenergie gelieferten Leistung. Der größte Teil der bereitgestellten Reserveleistung ist für den Fall vorgesehen, dass ein Großkraftwerk, z.B. ein Atomkraftwerk plötzlich vom Netz geht; nur ein sehr kleiner Anteil - wenn überhaupt - dient der Absicherung der Windenergieleistung.

Für den Kraftwerksbetreiber ergibt sich aus dem Teillastbetrieb kein energetischer, sondern ein finanzieller Nachteil, weil die Kraftwerksleistung (und damit die Investition) nicht voll ausgenutzt wird, und somit, im Vergleich zur Voll-Ausnutzung, ein wirtschaftlicher Verlust eintritt. Um diesen Verlust auszugleichen, ist es üblich, dass der Stromnetzbetreiber den Kraftwerksbetreiber für diese nicht ausgenutzte Leistung bezahlen muss.

Ein Rückgang der Windleistung, der in der Summe nur langsam erfolgt - kann also völlig unspektakulär von ganz normalen Kohlekraftwerken ausgeglichen werden, die bis dahin noch nicht mit voller Leistung Strom erzeugt haben und deren Brennstoffzufuhr erst im akuten Bedarfsfall rasch erhöht werden muss.

Ungeplanter Stromüberschuss

Ungeplanter Stromüberschuss (wenn mehr Wind weht als vorausgesagt) geht ebenfalls nicht verloren. Er wird zum Auffüllen der Pumpspeicherkraftwerke verwendet. Es wird dann Wasser vom unteren ins obere Becken hochgepumpt und steht dort zur Erzeugung wertvollen Spitzenlaststroms bereit. 2003 wurde von Vattenfall ein neues großes Pumpspeicherkraftwerk von über 1000 MW in Goldisthal im Thüringer Wald in Betrieb genommen. Außerdem werden dann Mittellastkraftwerke durch Verminderung der Brennstoffzufuhr in ihrer Leistung zurückgenommen, und damit wird direkt Brennstoff gespart.

Abwehrkampf gegen die Erneuerbaren Energien

Die Elektrizitätswirtschaft vergeudet keine Energie, nicht einmal bei Windstrom. Aber Jammern über die Erneuerbaren Energien gehört zur Öffentlichkeitsarbeit.

Ausblick

Derzeit gibt es genügend Kohle- und Gaskraftwerke, die ihre Leistung erhöhen können, wenn Wind- und Sonnenenergie aufgrund ungünstiger Wetterlagen in ganz Europa nachlassen.

Bei weiterem Ausbau der Erneuerbaren Energien müssen jedoch Kraftwerke der Bioenergie und eine weiter zunehmende Zahl von Speicherkraftwerken diese Aufgabe übernehmen. Derzeit sind sie dazu noch nicht in der Lage. Dies liegt nicht an fehlenden technischen Möglichkeiten, sondern an der Tatsache, dass Stromspeicherung bisher nur den Großen vorbehalten ist. Der Gesetzgeber muss deshalb Anreize für alle Bürger zum bedarfsorientierten Einspeisen und zeitgerechten Speichern von Strom bieten. Hier besteht politischer Handlungsbedarf! Der SFV hat bereits einen entsprechenden Vorschlag für ein Stromspeichergesetz gemacht.