Stufe 1: Für's Allgemeinwissen
Zunächst schauen wir uns einmal eine typische Kennlinie einer Solarzelle an.
Bild 1: Temperaturabhängiges Kennlinienfeld eines Solarmoduls am Beispiel von Shell SP140 [1]
Bild 1 zeigt die Abhängigkeit des Stroms im Solarmodul von der Modulspannung für unterschiedliche Temperaturen von 20°C bis 60°C. Aus dem Produkt von Strom und Spannung ergibt sich die Modulleistung. Die daraus resultierenden Leistungskurven für die entsprechenden Temperaturen sind ebenfalls dargestellt. Die Punkte im Diagramm stellen die jeweiligen Punkte maximaler Leistung (Maximum Power Point, MPP) dar. Exemplarisch sind hier die Kennlinien eines Shell SP140 Photovoltaik-Solarmoduls dargerstellt, aus dessen im Internet erhältlichen Datenblatt [1] die Daten entnommen wurden. Kurven aus wissenschaftliche Veröffentlichungen [2] sehen ähnlich aus.
Wie man an den Leistungskurven sehen kann, nimmt die maximale Leistung des Moduls (im MPP) von 145 W bei 20°C auf 115 W bei 60°C um fast 20% ab.
An den Stromkennlinien sieht man folgendes: Der Kurzschlussstrom (oben links bei U = 0 V) bleibt nahezu unverändert bei allen Temperaturen. Hingegen nimmt die Leerlaufspannung (unten rechts bei I = 0 A) bei zunehmender Temperatur ab. Auch die MPPs liegen praktisch beim gleichen Strom, aber die Modulspannung nimmt mit zunehmender Temperatur ab.
Warme Solarzellen haben also eine geringere Spannung bei gleichem Strom und können daher nicht soviel Leistung abgeben.
Diese Erklärung hilft schon einmal ein wenig weiter. Allerdings ist die Qualität der Aussage nur wenig besser als die der Aussage: "Die Sicherung ist durchgebrannt, weil der Strom zu groß war." Der neugierige Leser dürfte darum gleich die nächste Frage stellen: Warum wird die Spannung bei Wärme geringer?
Stufe 2: Für neugierige Leser
Der Strom einer Solarzelle (und auch ganz allgemein) ist ein Maß für die Anzahl der pro Zeiteinheit transportierten Ladungsträger. Da der Strom bei Wärme nahezu gleich bleibt, kann man schließen, dass die Anzahl der Ladungsträger, welche die einfallenden Lichtteilchen erzeugen, sich bei Wärme wenig ändert. Die geringere Leistung bei Wärme scheint also nichts damit zu tun zu haben, dass Ladungsträger verloren gehen oder weniger erzeugt werden.
Die Spannung hingegen ist ein Maß für die Energie, welche die Ladungsträger mitbringen. Offensichtlich bringen die Ladungsträger in der warmen Solarzelle weniger Energie als in der kalten mit.
Verlieren sie vielleicht Energie auf dem Weg zu den Anschlüssen? Nein, denn warme Halbleiter haben einen geringeren elektrischen Widerstand als kalte Halbleiter (im Gegensatz zu Metallen wie z. B. Kupfer), so dass die Ladungsträger bei warmen Solarzellen eher weniger Energie auf dem Weg durch den Halbleiter verlieren dürften. Die Ursache muss also ein anderer Effekt sein.
Dazu betrachten wir, wie die Ladungsträger ihre Energie bekommen und holen vorher ein wenig aus:
In Halbleitern können die Ladungsträger wie z. B. Elektronen zwei verschiedene Energiezustände annehmen. Bei einzelnen Atomen kann man sich ganz grob vorstellen, dass die Elektronen auf unterschiedlichen Umlaufbahnen um die Atome herumschwirren und dabei jeweils entsprechend unterschiedliche Energiezustände annehmen. In Halbleiter-Kristallen ist das zwar nicht ganz exakt so, aber sehr ähnlich. Man sagt hier, die Ladungsträger befinden sich in "Energiebändern". Die Energiedifferenz zwischen den beiden entscheidenden Energiebändern heißt "Bandabstand".
Atome und Ladungsträger schwingen im Kristall hin und her, wobei dieses Schwingen durch Wärme stärker wird. Ladungsträger, die stärker schwingen, haben etwas mehr Energie im Kristallgitter und die Energiedifferenz zum höheren Energieband wird damit geringer. Letztendlich wird also bei zunehmender Wärme der Bandabstand geringer.
In der Solarzelle bewirkt das einfallende Licht zunächst einmal, dass Ladungsträger von den Lichtteilchen von dem niedrigen auf das hohe Energieband "angehoben" werden. Letztendlich entspricht dieser Energieunterschied weitgehend der Energie, die ein entsprechend angeregter Ladungsträger außerhalb der Solarzelle an einen Verbraucher abgeben kann. Je kleiner der Bandabstand ist, desto kleiner ist die Energie, die ein einzelnes Elektron aus der Solarzelle mitbringt. Nun ist es aber so, dass der Bandabstand mit höherer Temperatur abnimmt. Demnach nimmt auch die Energie ab, welche die Elektronen mitbringen. Äußerlich macht sich das durch eine geringere Spannung der Solarzelle bei gleichem Strom bemerkbar, wie am Anfang anhand der Kennlinien erläutert wurde.
Stufe 3: Für wirklich Interessierte
Für wirklich Interessierte lassen sich die Vorgänge in der Solarzelle noch genauer beschreiben. Dazu empfehle ich, sich als Grundlage zunächst über die grundsätzliche Funktionsweise von Solarzellen zu informieren, z.B. mit Hilfe des Artikels von Petra Hörstmann-Jungemann über die Funktionsweise der Solarzelle. Der Artikel ist letztes Jahr im Solarbrief Nr. 2/05 des Solarenergie Förderverein Deutschland e.V. erschienen [3].
Entscheidend ist der Bereich des p-n-Übergangs. Dort bilden sich positiv und negativ geladene Grenzschichten, welche zusammen die "Raumladungszone" bilden. Durch die geladenen Ionen im Kristallgitter entsteht in der ganzen Raumladungszone ein elektrisches Feld, ganz ähnlich wie zwischen den Platten eines geladenen Plattenkondensators. Ein Ladungsträger, der dieses elektrische Feld durchläuft, erhält eine gewisse Menge Energie, so wie ein geladenes Plastikkügelchen zwischen Kondensatorplatten Bewegungsenergie erhält, wenn es von einer entgegengesetzt geladenen Platte angezogen wird.
Die Raumladungszone (und nur diese) ist auch die aktive Schicht für die Solarzelle. Wenn dort ein Lichtteilchen ein Elektron auf das höhere Energieband anhebt, ist das negativ geladene Elektron plötzlich frei beweglich und hinterlässt ein ebenfalls frei bewegliches positiv geladenes Loch als Ladungsträger. Das Elektron wird sofort von den positiven geladenen Ionen im n-Gebiet angezogen, und das Loch in entgegengesetzter Richtung von negativ geladenen Ionen im p-Gebiet. Durch die Bewegung im elektrischen Feld erhalten die Ladungsträger eine gewisse Menge Energie; in der Summe die Menge, die ein Elektron erhielte, wenn es die gesamte Raumladungszone durchliefe. Dies ist die Energie, die sie nach Außen abgeben können.
Wie hängt diese elektrische Energie nun mit dem Bandabstand zusammen? Dazu schauen wir uns noch einmal genauer an, wieso es überhaupt zu der Raumladungszone kommen kann. Was veranlasst die Elektronen, ihre Atome positiv geladen zurück zu lassen, obwohl sie doch von diesen als negativ geladene Teilchen elektrisch angezogen werden? Bekanntermaßen besetzen die Elektronen im p-Gebiet Plätze bei Atomen, denen ein Elektron zur vollen Edelgas-Konfiguration fehlt. Energetisch gesprochen, sind das Plätze auf einem niedrigeren Energieband. An ihren ursprünglichen Plätzen im n-Gebiet besetzen sie überzählige Plätze, die energetisch dem höheren Energieband entsprechen. Die Energiedifferenz entspricht ziemlich genau dem Bandabstand. Elektronen gewinnen also ziemlich genau die Energie des Bandabstandes, wenn sie sich auf einen der freien Plätze im p-Gebiet setzen. Dafür sind sie gerne bereit, etwas elektrische Energie abzugeben, sich entgegen dem elektrischen Feld zu bewegen und damit positiv geladene Ionen zurück zu lassen. Im kleineren Maßstab passiert das übrigens bei allen Ionenbindungen, wie z. B. im Wassermolekül.
Je weiter die Elektronen sich von den ursprünglichen Atomen entfernen, um so mehr elektrische Energie müssen sie aufwenden. Die Grenze, bis zu der die Elektronen noch elektrische Energie abgeben können, ist dann erreicht, wenn sie genau so viel elektrische Energie abgeben wie sie durch die Bindungsenergie gewinnen können. Diese Energie entspricht dem Bandabstand. Mehr Energie kann ein Elektron nicht aufbringen und weiter kann es nicht kommen. Dies definiert damit zum einen den maximalen räumlichen Abstand und damit die Ausdehnung der Raumladungszone. Zum anderen definiert es die maximale elektrische Energie, die ein Ladungsträger abgeben kann, wenn es sich entgegen der Feldrichtung bewegt, oder gewinnen kann, wenn es sich in Feldrichtung bewegt. Ein Ladungsträger, der sich durch die gesamte Raumladungszone in Feldrichtung bewegt, erhält also eine elektrische Energie, die ziemlich genau dem Bandabstand entspricht.
Diese Energie kann er außerhalb der Solarzelle abgeben, und wenn der Bandabstand durch höhere Temperatur kleiner wird, wird die Energie pro Ladungsträger geringer und damit die Spannung der Solarzelle.
Für eine quantitative Berechnung reichen die beschriebenen Modelle allerdings nicht aus. Dazu ist eine genaue Betrachtung der Bänderstruktur hilfreich. Prof. Klaus Heime hat dies ausführlich in seinem Skript zur Vorlesung beschrieben [4]. An ihn geht auch der Dank für die fachliche Überprüfung meiner Erklärungen.
Literatur:
[1] "Shell SP140 Photovoltaik Solarmodul", Shell Solar, Produktinformation, Draft, 2006,
auch: www.afsolartechnik.de/ShellSP140.pdf
[2] Simon M. Sze, "Physics of Semiconductor Devices", Wiley-Interscience; 2 Edition (September 1981), ISBN: 0471056618, p.808
[3] Petra Hörstmann-Jungemann, "Wie funktioniert eine Silizium-Solarzelle?", im Solarbrief 2/05 des Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV), Aachen, Juli 2005, ISSN 0946-8684, S. 26, auch: http://www.sfv.de/lokal/mails/phj/solarzel.htm
[4] Klaus Heime, "Elektronische Bauelemente", Skript zur Vorlesung, RWTH Aachen, Institut für Halbleitertechnik, 1993.