Unbegründbare Einschränkungen für den Anschluss größerer PV-Anlagen bei VDEW
Uns interessieren besonders die von VDEW aufgestellten Regeln für den Anschluss von PV-Anlagen an das Niederspannungsnetz.
Im Regelfall keine Probleme bis zu einer Anlagengröße von 24 kWp
Vorab: Bis zu einer Leistung von 24 kW dürfte es kaum Probleme geben. Auf den Seiten 68 bis 70 wird dem PV-Installateur ein einfaches Beurteilungs- und Rechenschema an die Hand gegeben, mit dessen Hilfe er selber entscheiden kann, ob das Versorgungsnetz für den Anschluss einer PV-Anlage ausreichend dimensioniert ist. Mit dieser Entscheidung hat der Installateur eine "Anschlussprüfung" vorgenommen.Die von manchen ostdeutschen Versorgungsnetzbetreibern als Voraussetzung für den Anschluss einer PV-Anlage an das Versorgungsnetz angesehene "Anschlussprüfung", für die ein Festpreis von 280 Euro verlangt wird, erweist sich hier als eine einfache Rechenaufgabe, bei der ein Wert durch einen anderen dividiert werden muss, von denen der eine Wert (die Kurzschlussleistung) dem Netzbetreiber bekannt ist und der andere (die Anlagenleistung) dem PV-Anlagenbetreiber.
(Zum Verständnis der folgenden Ausführungen ist es nicht erforderlich, dass Sie den Begriff Kurzschlussleistung genau verstanden haben.)
Die Kurzschlussleistung des Niederspannungsnetzes am Verknüpfungspunkt kann der Installateur erfragen. Nach § 3 Abs. 1 letzter Satz EEG muss der Netzbetreiber diesen Wert, der zu den Netzdaten gehört, offenlegen. Die Kurzschlussleistung beträgt in dem angegebenen Beispiel bei dreiphasigem Anschluss 1200 kVA, was ein repräsentativer Wert sein dürfte.
Diese 1200 kVA sind zu dividieren durch die Leistung der PV-Anlage (Bei einer PV-Anlage entspricht der Wert in kVA etwa dem kWp-Wert.)
Es handelt sich um eine Näherungsformel. Wenn der Wert gerade 50 erreicht, dann erhöht sich die Spannung am Verknüpfungspunkt um ein Fünzigstel (etwa 4,6 V), und das sehen die Verfasser der VDEW-Richtlinie gerade noch als unbedenklich an. Deshalb darf die Anlage angeschlossen werden.
Die Durchführung dieser kleinen Rechenaufgabe ist die ganze Kunst der
Anschlussprüfung!
280 Euro dafür zu verlangen, grenzt wohl an Wucher, aber das nur nebenbei.
Bei PV-Anlagen bis 24 kWp dürfte es nach dieser Formel und bei den üblichen Kurzschlussleistungen keine Genehmigungs-Probleme geben, denn 1200 : 24 = 50.
Was aber, wenn die PV-Anlage größer ist als 24 kW?
In diesem Fall, so sagt die VDEW-Richtlinie, darf die PV-Anlage nicht angeschlossen werden, weil sich sonst angeblich die Spannung am Verknüpfungspunkt unzulässig erhöhen würde. Netzbetreiber, die sich nach dieser Richtlinie richten, müssen dann entweder Netzverstärkungen vornehmen, oder dem PV-Anlagenbetreiber eine Einspeisung ins Mittelspannungsnetz vorschlagen.Hier soll nicht über die entstehenden Mehrkosten diskutiert werden und über die Frage, wer sie tragen muss, sondern hier geht es um die grundlegende Frage, ob die in der Richtlinie angegebene Berechnungsformel überhaupt berechtigt ist.
Dies ist nach unserer Einschätzung nicht der Fall! Die Verfasser der Richtlinie verwenden nämlich eine Formel, die entweder für die Beurteilung der Anschlussmöglichkeit ausschließlich von Verbrauchern oder aber für den Anschluss ausschließlich von Erzeugern aufgestellt wurde, nicht aber für einen gemischten Anschluss von Verbrauchern und Erzeugern.
Dazu eine kleine Plausibiltätsbetrachtung: Wenn an einer
Versorgungsleitung ausschließlich Verbraucher angeschlossen sind,
senkt jeder zusätzliche Verbraucher die Versorgungsspannung weiter ab.
Da ist in der Tat Vorsicht geraten, damit die Spannung nicht unter den
zulässigen Minimalwert abfällt.
Wenn an einer Leitung
ausschließlich Erzeuger angeschlossen sind, hebt jeder
zusätzliche Erzeuger die Spannung weiter an, bis die Spannung
schließlich den zulässigen Maximalwert überschreitet. Zur
Beurteilung beider Fällen lässt sich die VDEW-Formel verwenden.
Wenn hingegen unter lauter Verbrauchern, welche die Spannung absenken, ein
Erzeuger angeschlossen wird, der die (abgesenkte) Spannung wieder etwas
anhebt, ist die durch ihn verursachte Spannungsanhebung sogar zu
begrüßen. Er entlastet das Netz!
Erst wenn die Gesamtleistung
aller angeschlossenen Erzeuger die Gesamtleistung aller angeschlossenen
Verbraucher übersteigt, kann man von einer Spannungsanhebung
über den vorgeschriebenen Mittelwert ausgehen (und dann besteht immer
noch die Reserve von 5 Volt nach oben).
Die von VDEW verwendete Formel hingegen geht von der ziemlich abwegigen Vorstellung aus, dass kein Verbraucher das Netz nutzt und bereits beim ersten anzuschließenden Erzeuger eine Spannungsanhebung über den Mittelwert erfolgt. Dieser Fall ist bei PV-Anlagen auf Hausdächern die seltene Ausnahme, nicht aber die Regel. Eine solche Ausnahme könnte vorliegen, wenn an einer langen Stichleitung des Niederspannungsnetzes nur zwei Stromkunden angeschlossen sind, beide am Ende der Stichleitung, von denen der eine eine große PV-Anlage anschließen will. Die VDEW-Richtlinie könnte ihn in einer Fußnote auf solche Sonderfälle hinweisen. Diesen Sonderfall jedoch zum Regelfall zu erklären und den eigentlichen Regelfall - einzelne PV-Anlagen inmitten vieler Stromverbraucher - nicht einmal zu erwähnen, sehen wir als eine unnötige Erschwerung des Anschlusses von PV-Anlagen an.
Nun könnte man vielleicht noch einwenden, dass ja nicht immer alle Verbraucher eingeschaltet sind, insbesondere zur Niedertarifzeit. Dieser Einwand ist sicherlich bei allen Einspeisern gerechtfertigt, die auch des Nachts einspeisen können, z.B. bei Biogasanlagen oder bei Windrädern; doch bei PV-Anlagen ist er unberechtigt! Selbst wenn die Sonne noch während der Niedertarifzeit, z.B. schon um 4 Uhr aufgeht, bringt die PV-Anlage doch noch keine nennenswerte Leistung (weil die Sonnenstrahlen in einem sehr flachen Winkel auftreffen, oder sogar die Rückseite der Module treffen).
Da PV-Anlagen tageszeitbedingt ihre Nennleistung nur dann einspeisen, wenn gleichzeitig Verbrauch stattfindet (Hochtarifzeit!), ist davon auszugehen, dass die von ihnen eingespeiste Leistung nicht zu einer unzulässigen Spannungserhöhung führen wird.
Verbesserungsvorschlag des SFV
Wir stellen deshalb eine andere Berechnungsformel zur Diskussion. Die PV-Anlage darf unseres Erachtens die gleiche Leistung einspeisen, die die Hausanschlusssicherung übertragen kann. Dies wäre bei einem modernen - mit 3 * 63 Ampere abgesicherten - Hausanschluss immerhin eine Leistung von 43 kW - fast doppelt so viel, wie sich aus der in der Richtlinie genannten Formel ergibt.Im Regelfall - einige PV-Anlagen unter vielen Stromverbrauchern - können auch größere Leistungen eingespeist werden. Dazu muss der Hausanschluss verstärkt werden. Wie weit man hier gehen darf, das müsste dann im Einzelfall mit den Fachleuten des Netzbetreibers abgeklärt werden. Hier wäre ein erläuternder Text in der Richtlinie wünschenswert!
Noch eine Formel in der Richtlinie, die auf PV-Anlagen nicht zutrifft
Nur der Vollständigkeit halber soll auch noch die Berechtigung einer zweiten Formel in Frage gestellt werden, deren Anwendung ebenfalls vorgeschrieben wird (Seite 69 der Richtlinie). Es geht hier um die Beurteilung schaltbedingter Spannungsänderungen: Wenn ein Verbraucher plötzlich eingeschaltet wird, sinkt die Spannung am Verknüpfungspunkt ab. Wenn ein Erzeuger plötzlich eingeschaltet wird, steigt die Spannung an. Solche Spannungssprünge werden von den Stromkunden als Änderungen der Leuchtdichte von elektrisch beleuchteten Objekten wahrgenommen und sollen deshalb bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Die hier eingesetzte Formel berücksichtigt nicht, dass das Ein- oder Ausschalten einer PV-Anlage nicht bei voller Leistung erfolgt, sondern morgens, wenn es gerade hell genug ist und abends, wenn das Tageslicht nicht mehr ausreicht. Einen sanfteren Ein- und Auschaltvorgang als den von PV-Anlagen kann man sich kaum vorstellen. Diesen Vorgang mit einer Formel zu beurteilen, die für plötzliche Schaltvorgänge gedacht ist, zeigt wenig Kenntnis über die Funktionsweise von PV-Anlagen.Wir regen eine öffentliche Diskussion dieses Themas an.