Datum: 03.07.2004 überarbeitet am 22.04.2006
Ein Stromspeichergesetz zur Bereitstellung von "Wetterausgleichsenergie"
Strategische Überlegungen zum Ausgleich von Angebot und Nachfragein einer auf Erneuerbaren Energien basierenden Stromwirtschaft
Von Wolf von Fabeck
Geschäftsführer im Solarenergie-Förderverein Deutschland
Zusammenfassung:
Zeitliche Schwankungen im Stromverbrauch sind die Regel. Verantwortlich für ihren Ausgleich durch geplantes Zuschalten oder Zurückfahren einzelner Kraftwerke oder Speicherkraftwerke sind die Übertragungsnetzbetreiber. Aber auch ungeplantes Abschalten einzelner Kraftwerke und wasserstandsbedingte Schwankungen der Laufwasserkraftwerke sind von ihnen schon seit hundert Jahren berücksichtigt worden.
Neu ist allerdings die Vorstellung, dass die Betreiber von Wind- oder Solaranlagen selber für die Vergleichmäßigung ihres Stromangebots durch Zwischenspeicherung ihres selbsterzeugten Stromes verantwortlich sein dürfen. Die Wirksamkeit dieser Idee lässt sich vervielfältigen, wenn Jedermann die gesetzliche Erlaubnis erhält, Strom zu speichern und ihn zum jeweiligen Marktpreis wieder ins Netz einzuspeisen, gleichgültig aus welcher Quelle er kommt. Eine Dezentralisierung der Speichertechnik - die bis jetzt nur den Großen der Stromwirtschaft vorbehalten ist - kann entsprechende Wirkungen entfalten wie die Dezentralisierung der Stromerzeugung durch das EEG. |
Der Stromversorger E.DIS im Land Brandenburg klagt, in seinem Versorgungsgebiet würde mehr Windstrom erzeugt, als die Verbraucher benötigten und sogar die Hochspannungsleitungen seien nicht mehr in der Lage, den Überschuss an Windstrom abzutransportieren. In Schleswig-Holstein deuten sich ähnliche Verhältnisse an. Unerwartet schnell taucht ein "Problem" auf, mit dem kaum jemand gerechnet hat: ÜBERSCHÜSSIGER Strom aus Erneuerbaren Energien.
Die Umstellung der Stromversorgung auf Erneuerbare Energien hat längst begonnen. Das Stromeinspeisegesetz (StrEG) und das EEG waren und sind exzellente Instrumente zur Steigerung der erzeugten Strommengen, aber mit Fragen der bedarfsgerechten Leistungsbereitstellung befassen sie sich nicht. Während die Erneuerbaren Energien in der reinen Mengenbilanz große Fortschritte gemacht haben und über 6 Prozent des jährlichen Strombedarfs decken, hat man den bedarfsgerechten Ausgleich von Angebot und Nachfrage - kurz die Herstellung der Versorgungssicherheit - weiterhin der Stromwirtschaft überlassen, die ja über alle technischen Mittel zur Lösung der Aufgabe verfügt, aber nicht daran denkt, die Möglichkeiten der Erneuerbaren Energien in ihre Planungen einzubeziehen. Stattdessen schickt sie sich an, die Stromversorgung mit massiven Neubauten von Gas- und Kohlekraftwerken auf traditionelle Weise fortzusetzen. Jeder kann sich ausrechnen, dass solche Investitionen wegen der hohen Lebensdauer dieser Kraftwerke das System der bisherigen Energieversorgung und Leistungsbereitstellung noch auf lange Sicht zementieren werden.
Den konkreten Planungen der Stromwirtschaft müssen wir deshalb eigene Planungen entgegensetzen, wenn die Entwicklung in die von uns gewünschte Richtung gehen soll. Dazu ist es höchste Zeit, denn der Aufbau eines völlig neuen Systems zum Ausgleich von wetterbedingten Angebotsschwankungen ohne fossile Energien bedarf ähnlicher Zeiträume wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien überhaupt. Deshalb müssen wir jetzt anfangen.
Was liegt deshalb näher, als den Überschuss zu speichern, um ihn zu Zeiten geringen Angebots wieder in das Netz einzuspeisen!
Das Stromeinspeisungsgesetz und das EEG haben erfolgreich demonstriert, dass strukturelle Veränderungen in der Stromwirtschaft auch gegen ihren Willen möglich sind, wenn die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden. Auch bezüglich der Überschüsse an erneuerbaren Energien ist so etwas möglich und kann die Entwicklung in die gewünschte Richtung lenken. Der unweigerlich wachsende Überschuss an "Wetterausgleichsenergie" kann dezentral gespeichert und wieder eingespeist werden.
Die Vorstellung: "Zu jeder Windanlage gehört eine Windenergiespeicheranlage, zu jeder Solarstrom- eine Solarstromspeicheranlage." geht jedoch nur ungefähr in die richtige Richtung. Zur Abschätzung der Größenordnungen mag sie eine Orientierung geben, doch als Handlungsanweisung ist sie zu starr. Die Aufgabe darf nicht nur auf Solar- und Windanlagenbetreiber beschränkt werden, denn je geringer die bürokratischen Einschränkungen sind, desto höher wird die Zahl der aktiven Teilnehmer werden. Die Verteilung der Aufgabe auf die Allgemeinheit aller Stromverbraucher hingegen zerlegt die scheinbar unlösbare Aufgabe in viele kleine lösbare Aufgaben. So wird die Aufgabe unter Beteiligung jedes interessierten Bürgers, gelöst; ähnlich wie jetzt schon die Bereitstellung von Energie aus Sonne und Wind. Das alte Gleichnis von den Milliarden Honigbienen, die genauso viel süßen Brotaufstrich bereitstellen können wie die großen Marmeladenfabriken trifft auch hier zu.
Dazu darf die Aufgabe aber nicht beschränt werden auf die Speicherung und Wiedereinspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien. Zum Ausgleich von Überschuss oder Mangel im Stromnetz ist es völlig gleichgültig, woher der Speicherstrom stammt. Hier einen Unterschied zu machen, ist nicht gerechtfertigt
- Erstens entstehen bei der Entnahme und späteren Einspeisung von konventionell erzeugtem Strom genausowenig Emissionen wie bei Strom aus Erneuerbaren Energien..
- Zweitens schadet es nichts, wenn durch Stromentnahme und Wiedereinspeisung auch konventionelle Spitzenlastkraftwerke entlastet werden.
- Drittens wird mit der Zunahme der Erneuerbaren Energien auch ihr zu speichernder Anteil zunehmen.
Außerdem wäre eine Kontrolle nicht möglich, denn Strom, der aus einem Netz entnommen wird, lässt sich nicht mehr nach seiner Herkunft identifizieren.
Wer also Strom speichern will, soll Strom speichern. Und die Anreize zum Stromspeichern soll und kann der freie Markt liefern, ohne dass zusätzliche Kosten auftreten. Staatsgelder sind nicht notwendig. Der Gewinnanreiz liegt im Preisunterschied für Strom zwischen Zeiten des Stromüberangebots und der Stromknappheit.
Die Voraussetzungen zur Teilnahme am Stromspeichermarkt müssen allerdings durch Gesetz geschaffen und von staatlicher Seite gegen den zu erwartenden Widerstand durchgesetzt werden. Im Prinzip sind die Voraussetzungen sehr einfach.
- Jeder darf ohne weitere Genehmigung teilnehmen, wenn er die technischen Anschlussbedingungen für erfüllt. Jeder Teilnehmer am Strommarkt soll bezüglich der Stromspeicherung das Gleiche tun dürfen, was die Elektrizitätsversorgungsunternehmen bisher nur unter sich und in ihren Kreisen getan haben; ein weiterer Schritt also in Richtung freier Markt..
- Die Vergütung für die Einspeisung erfolgt diskriminierungsfrei nach Marktpreisen, die sich aus Angebot und Nachfrage ergeben.
- Jeder hat jederzeit Zugriff auf die augenblicklich aktuellen Marktpreise, z.B. über das Internet oder über Rundsteuersignale, die ihm erlauben, automatisch zu reagieren.
Eine zusätzliche Wirkung kann sich ergeben, wenn auch auf der Lastseite eine laufende Anpassung der Strompreise an Angebot und Nachfrage erfolgt.
Flankierend sollte bei weiteren Novellierungen des EEG der Grundsatz beachtet werden: Jede Verringerung der Netzhöchstlast durch zeitgerechte Einspeisung muss bei denjenigen belohnt werden, die diese Verringerung verursachen. Die Umsetzung unseres Vorschlags, dass die Netzbetreiber bereits für die Bereitstellung von Strom aus Erneuerbaren Energien oder aus Stromspeicheranlagen eine staatlich festgesetzte Bereitstellungsgebühr zahlen müssen, wenn sie die Anlage nicht an ihr Netz anschließen, wird dem Willen des Gesetzgebers schließlich den notwendigen wirtschaftlichen Nachdruck verleihen.
Das Stromspeichergesetz wird den Strommarkt zur Nutzung der wetterabhängigen Energien und damit zur Nachhaltigkeit bringen. Es wird der Speichertechnik einen weiteren Entwicklungsschub bescheren. Stromspeicheranlagen wie Akkumulatoren, Kondensatorbatterien, Schwungräder, Wasserstoffelektrolyseanlagen mit Wasserstoffspeicher und Brennstoffzellen sowie Pumpspeicherkraftwerke werden in Wettstreit treten. Die Entwicklungen werden auch den Export geeigneter Speicheranlagen für Inselbetrieb in Regionen ohne eigenes Stromnetz beflügeln.
Übrigens: Jede Stromspeicheranlage stellt ein netzgekoppeltes Notstromaggregat für die Allgemeinheit dar. Das Gesetz wird somit die Versorgungssicherheit mit Millionen netzgekoppelter "Notstromaggregate" erheblich steigern und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver machen.
Stromspeichern wird eine interessante Nebentätigkeit für viele werden und die angeblichen Probleme mit der Regel- und der Ausgleichsenergie werden bald der Vergangenheit angehören. So kann ein Stromspeichergesetz nach den Prinzipien des freien Marktes dazu führen, dass die Überschüsse der Erneuerbaren Energien sinnvoll zur Stabilisierung der Versorgungssicherheit genutzt werden.