Auszug aus dem nicht veröffentlichten SPIEGEL-Beitrag von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann
Emissionshandel: Milliarden-Poker um heiße Luft
Tatsächlich hat längst ein zähes Ringen der Lobbyisten um die Zuteilung der Zertifikate im «nationalen Allokationsplan» eingesetzt, für den Umweltminister Trittin die Feder führt. Denn auch wenn die Unternehmen in Deutschland vergleichsweise großzügig mit Zertifikaten ausgestattet würden, werden diese am Ende mehrere Milliarden Euro wert sein. Schuld daran sind die EU-Staaten Spanien, Italien, Österreich und die Niederlande, die bei der Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes um Jahre hinterher hinken. Im europäischen Handel werden die Zertifikate also durchaus gefragt sein - ein Umstand der vor allem den Kohelabteilungen der Stromkonzerne Sorgen bereitet. Zwar mögen sie zunächst genügend Zertifikate für ihre laufenden Anlagen bekommen. Deren Wert muss in der Kalkulaltion für die anstehenden Kraftwerksneubauten gleichwohl berücksichtigt werden, schließlich könnten die Unternehmen sie auch anderweitig verkaufen und in emissionsärmere Technik investieren.Zwangsläufig wird damit vor allem der Braunkohlestrom in Konkurrenz zu Erdgas- und Ökostrom teurer. So könnte der künstliche Wettbewerbsvorteil durch die Erdgassteuer schnell dahin schmelzen. Steige der Preis für eine Tonne CO2 über 15 Euro pro Tonne, «wird die Braunkohle unrentabel», kalkuliert RWE-Finanzvorstand Sturany.
Noch größere Sorge bereitet Sturany und seinen Kollegen die Frage, wie es mit den Zertifikaten nach 2012 weitergehen wird. Wenn die international vereinbarten Klimaschutzziele, wie allgemein erwartet, weiter verschärft werden, wird automatisch der Preis für die Zertifikate steigen. Unvermeidlich käme der deutsche Strommix in Bewegung, selbst wenn Clement und seine Nachfolger sich dagegen stemmen.
Zumindest beim E.on-Konzern, dessen Stromerzeugung bislang vor allem auf den 14 Atomkraftwerken des Unternehmens beruht, gelten solche Szenarien offenbar durchaus als realistisch. Sollte es beim Atomausstieg bleiben, dann sei Erdgas ab 2010 natürlich der Rohstoff der Wahl, versichern E.on-Manager. Schließlich hat der selbe Konzern sich auch schon Deutschlands größten Gasversorger, die Ruhrgas, gekauft. Und auch Wind-Großkraftwerke auf dem Meer sind in der Düsseldorfer Zentrale des deutschen Marktführers längst in Planung. Gleich bei drei der geplanten Offshore-Projekte hat sich E.on vorsorglich eingekauft. Für das Vorhaben «Sky 2000» in der Lübecker Bucht läuft ungeachtet der Skespis des Konzernchefs sogar schon die Ausschreibung zur Beschaffung der notwendigen Technologie.
So ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass die Netzwächter in Lehrte dereinst noch viel mehr Windkraftwerke ausregulieren müssen als heute. Allerdings käme der saubere Strom dann nicht mehr von der Konkurrenz. Die E.on-Techniker könnten den Strommix wieder unter sich ausmachen.