Auszug aus dem nicht veröffentlichten SPIEGEL-Beitrag von Harald Schumann und Gerd Rosenkranz
Die Mär von der teuren Regelenergie
Als zentrales Argument verweisen die Windkraftskeptiker auf das vermeintliche Grundproblem dieser Energiequelle: Ihre unsichere Verfügbarkeit. Das unstete Wetter verursache Zusatzkosten in Höhe von «mehreren hundert Millionen Euro» jährlich, die in der Umlage der Vergütungszahlungen noch gar nicht enthalten seien, klagen Clements Ministeriale in einem Positionspapier.Dabei unterschlagen die Windkraftkritiker freilich, dass wegen der Schwankungen von Angebot und Nachfrage im Netz von jeher Reserven bereit stehen mussten, auch ganz ohne die lästigen Propeller. Schließlich werden auch Großkraftwerke von Zeit zu Zeit gewartet oder müssen ersetzt werden, wenn ein Defekt sie lahm legt. Während der Hitzeperiode dieses Sommers fiel nicht nur die Windkraftleistung auf müde zehn Prozent. Auch Atomkraftwerke mussten wegen der zu starken Erwärmung des Kühlwassers aus den Flüssen heruntergedrosselt werden.
Gleichwohl drückt der Windstrom bei den traditionellen Stromerzeugern auf
die Rendite. Denn jede Kilowattstunde Ökostrom senkt ihre eigenen Erlöse.
Schuld daran tragen Strommanager freilich auch selbst. Nicht nur weigern sie
sich bisher konsequent, selbst in die Ökostrom-Produktion einzusteigen,
obwohl das Gesetz dies ausdrücklich zulässt. E.on betreibt ganze 65 der in
Deutschland installierten 13.000 Megawatt Windkraft. Zudem setzen sie viel
zu einseitig auf Atom- und Braunkohlekraftwerke, deren Betrieb sich nur
lohnt, wenn sie rund um die Uhr laufen. Wenn sie dagegen bei kräftigem Wind
heruntergefahren werden müssen, mindert das direkt die Erlöse, eingesparte
Brennstoffkosten spielen praktisch keine Rolle. Anders wäre das beim Einsatz
von Gaskraftwerken, deren größter Kostenblock der Brennstoff ist. Doch die
gibt es kaum im Kraftwerks-Portfolio der Konzerne.
Wie die Windkraft so die E.on-Bilanz vermiesen kann, erfuhr Netzwächter
Markus Wallura zum Beispiel in der Nacht vom 20. auf den 21. September.
Wegen der aufkommenden Herbstwinde schnellte da die Leistung der Windrotoren
in der E.on-Regelzone binnen sechs Stunden von fast Null auf 2.500 Megawatt
hoch. Flexibel handhabbare Gas- und Wasserkraftwerke hatte E.on während
dieser Nacht nicht mehr zur Verfügung. Als Wallura darum wegen der
Vorfahrtsrechte für Windstrom die Drosselung der ins Netz eingespeisten
Leistung anforderte, mussten seine Kollegen ein Atomkraftwerk
herunterfahren - für die E.on-Manager ein ärgerlicher Umsatzausfall.
Dabei wären moderne Gaskraftwerke ein probates und durchaus profitables
Instrument, die Nebenkosten der sauberen aber unstet anfallenden Windkraft
auszugleichen. Mit den so genannten Gas- und Dampfkraftwerken (GuD) steht
eine unschlagbar effiziente Technologie zur Verfügung. Sie verwandeln bis zu
60 Prozent der eingesetzten Energie in Elektrizität und blasen dabei nur
halb so viel Kohlendioxid pro Kilowattstunde in die Atmosphäre wie
Kohlekraftwerke. Darum sind sie seit über zehn Jahren in aller Welt die
Technik der Wahl. Großbritannien stellte binnen weniger Jahre ein Drittel
seiner Stromerzeugung auf Gaskraft um und erfüllt deshalb schon heute die
Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls. Der Kraftwerksbauer Siemens macht denn
auch weltweit Milliardenumsätze mit den GuD-Turbinen - nur nicht in
Deutschland.