Datum: 02.09.2005
Interview zur Energiepolitik der F.D.P
der FDP-Bundestagsfraktion Gudrun Kopp zum Thema: Energiepolitik in der Bundestagswahl 2005
CM. : Zunächst möchte ich Sie loben, denn Sie haben auf Ihrer Webseite:http://www.gudrun-kopp.de/energiepol/index.htm reichlich Infomaterial zur Verfügung gestellt. Da können sich die anderen Parteien ein Stück von abschneiden. |
Gudrun Kopp: Danke.
CM. : Allerdings ist mir heute (am 15.8.05) aufgefallen, dass einige PDFs gerade zum Thema erneuerbare Energien korrupt sind. |
Gudrun Kopp: Da muss ich mal nachkucken. Heute werden im Bundestag sämtliche PCs auf Linux umgestellt, vielleicht liegt es daran.
CM. : Kommen wir dann zu den eigentlichen Fragen: Die FDP steht für weniger Staat und mehr Markt. Möchte die FDP das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kippen? |
Gudrun Kopp: Das EEG in der jetzigen Form werden wir nicht weiterführen. Die erneuerbaren Energien werden wir nur in einem marktwirtschaftlichen System fördern, also per Ausschreibung und Wettbewerb - und wenn irgendwie möglich mit Zertifikathandel.
Auch erneuerbare Energien (EE) müssen sich im Wettbewerb bewähren. Sie dürfen nicht über Jahre oder Jahrzehnte hinweg Garantiefördersummen erhalten. Bei der Windenergie gelten momentan Preise mit einer Bindung von 10 - 20 Jahren.
CM. : Schwebt Ihnen ein anderes Land vor, wo solches praktiziert wird? |
Gudrun Kopp: Wenn ich mich recht erinnere, gibt es so was in Großbritannien und in Österreich.
CM. : Man muss aber konstatieren, dass Deutschland mit der derzeitigen Förderpolitik Weltmarktführer in Wind- und Solarstrom geworden ist. In diesen anderen Ländern führt die Politik nicht zu solchen Erfolgen. |
Gudrun Kopp: Wir müssen unterscheiden zwischen dem Export der Technologien und dem, was hier in Deutschland an Zwangsmaßnahmen per EEG verabschiedet wurde. Der Strom aus EE muss eingespeist werden. Es gibt Preisaufschläge für die Windenergie. Das hat mit dem Export nichts zu tun. In Deutschland muss es um die Effizienz gehen. Es ist nicht akzeptabel, dass Windkraftanlagen installiert werden an wenig windhöffigen Standardorten [Windhöffigkeit = mittlere jährliche Windgeschwindigkeit in Höhe der Nabe einer Windkraftanlage, normalerweise in Meter pro Sekunde (m/s) ausgedrückt - CM]. Auch diese Anlagen bekommen garantierte Einspeisevergütungen.
CM. : Dann möchten Sie etwas machen, was aus Umweltgesichtspunkten sinnvoll ist: Windkraftanlagen dort installieren, wo sie am meisten Strom erzeugen, beispielsweise an der Küste in Frankreich, Großbritannien usw. statt in Süddeutschland. |
Gudrun Kopp: Genau. Jedes dritte Windrad weltweit steht in Deutschland, obwohl wir wenige Standorte haben, die es mit den besten aufnahmen können - höchstens an der Küste.
CM. : Wie kann die deutsche Regierung unter Beteiligung der FDP dafür sorgen, dass der Export von Windkraftanlagen steigt? Denken Sie an die Exportinitiative der dena, wo Sie im Beirat sitzen? |
Gudrun Kopp: Ja, dort werden nicht nur Windkraftanlagen in großem Umfang exportiert, sondern auch Solaranlagen. Und bei solchen dezentralen Anlagen in warmen Ländern wie z.B. in Afrika, wo es keine zusammenhängenden Stromnetze gibt, eignen sich unsere Technologien hervorragend. Aber wir wollen nicht dort mit Zwangsmaßnahmen einsteigen, wo Gas- und Stromnetze gut ausgebaut sind, zumal gerade bei der Windenergie die Zufuhr unstet ist - mal weht der Wind, mal nicht. Durch die Netzschwankungen müssen die konventionellen Kraftwerke für Ausgleich sorgen, was mehr Energie verbraucht und die CO2-Emissionen erhöht. Das hat mit Umweltschutz wenig zu tun. Also Export in Länder mit geeigneten Standorten gerne.
CM. : Sie wollen also die Windkraft für den Export fördern. Dann müssten Sie eigentlich auch die Photovoltaik im Inland fördern, denn dort ist die Industrie noch nicht so ganz gut ausgebaut wie die deutsche Windindustrie. |
Gudrun Kopp: Na ja, wir haben auch schon viel in die Forschung der Solarindustrie gesteckt. Die Solarindustrie würde natürlich sehr gerne weitere Zusagen bekommen..
CM. : Wie jede Industrie.... |
Gudrun Kopp: Es ist die Frage, inwieweit der Staat solche Zusagen macht. Wir wollen aufgrund der hohen Verschuldung in Deutschland eine große Steuerreform umsetzen - einerseits Steuersenkungen für alle Bürger, andererseits Subventionstatbestände soweit wie möglich runterfahren. Denken Sie an die Steinkohlesubventionierungen, wo wir in NRW begonnen haben auszusteigen. Die heimische Steinkohle kann einfach nicht wettbewerbsfähig sein - trotz der hohen Energiepreise. Es muss um Effizienz, Markt und Wettbewerb gehen.
CM. : Bevor wir zur Kohle kommen, noch mal zur Photovoltaik: Wollen Sie die Förderung der PV im EEG ändern - nicht nur die Windindustrie, sondern auch die PV-Industrie müsste sich auf Änderungen gefasst machen? |
Gudrun Kopp: Ja, auch. Wir zahlen jetzt für eine Kilowattstunde Strom aus Photovoltaikanlagen knapp 50 Cent, für konventionell erzeugten Strom 3,5 Cent.
CM. : Obwohl die Preise auf den day-ahead-Strommärkten für Strom bei Lastspitzen immer wieder so hoch ist wie die Vergütung für PV? Wir dürfen nicht vergessen, dass PV genau dann Strom erzeugt, wenn er am meisten kostet. Dann relativiert sich der Preis, unter anderem weil keine neuen Kraftwerke gebaut werden müssen, um die Spitzenbedarf zu decken. |
Gudrun Kopp: Mir ist nicht bekannt, dass Solarstrom an der Börse zu 50 Cent gehandelt wird.
CM. : Nicht der Solarstrom, sondern der Strom auf den "spot markets", der in letzter Sekunde eingekauft werden muss, um die Lastspitzen zu decken. |
Gudrun Kopp: Ich finde, es ist in Deutschland schwierig, zu einer Wettbewerbsfähigkeit zu kommen. Für uns Liberale ist es wichtiger, die Technologie zu exportieren, als den Strom daraus zu den hohen Kosten in Deutschland zu produzieren. Lieber konventionelle Kraftwerke modernisieren, dafür haben viele Unternehmen Milliarden an der Seite liegen. In neuen Kraftwerken mit Braun- und Steinkohle muss man den Wirkungsgrad erhöhen, von 37% auf weite über 42%. Das würde uns auch helfen, CO2 einzusparen und eine verlässliche Stromversorgung zu haben, die nicht schwankend ist und kostengünstiger ist.
CM. : Wie steht die FDP zum Emissionshandel, was solche Kraftwerke bezahlbar machen soll? |
Gudrun Kopp: Auf der Webseite von Frau Homburger, unserer umweltpolitischen Sprecherin, finden Sie mehr dazu.
CM. : Die FDP begrüßt also den Emissionshandel? |
Gudrun Kopp: Ja.
CM. : Sie wollen die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängern, oder? |
Gudrun Kopp: Die deutschen Kernkraftwerke sind auf 40 Jahre Betriebszeit ausgelegt - unter strengsten Sicherheitsauflagen und -überprüfungen. Die FDP ist der Auffassung, wenn solche Anlagen technologisch - auch sicherheitstechnologisch - einwandsfrei arbeiten, dann hat die Politik keine willkürliche Begrenzung der Laufzeiten zu beschließen. Technische Anlagen müssen auch so lange laufen dürfen, wie sie konzipiert wurden - also für 40 Jahre. Wenn unsere deutschen Anlagen 40 statt 32 Jahre laufen würden, könnten in diesen 8 Jahren 500 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich eingespart werden.
CM. : Die FDP behauptet auch oft, dass es hier um Arbeitsplätze geht und um den Export deutscher Technologien. Was mich immer wundert ist, wie selten gesagt wird, dass in den nächsten Jahrzehnten viel mehr Kernkraftwerke abgebaut werden müssen, als neu gebaut werden. Im Moment sieht es so aus, als würden lediglich einige Duzend Kernkraftwerke weltweit dazu kommen. Aber bis 2020-2030 dürften fast alle der heute rund 440 laufenden Kernkraftwerke vom Netz gehen. Der Markt für den Abbau solcher Anlagen ist also viel größer als der für den Neubau. Wenn Deutschland früher aussteigt, kann Deutschland führend im Abbau sein. |
Gudrun Kopp: Beim Abbau sieht es so aus, dass Fachleute sagen, innerhalb von fünf Jahren hat Deutschland nicht genügend Fachleute, die den Rückbau von Kernkraftwerken vollziehen könnten. Wir müssten dann Fachleute einkaufen. An der Forschungsanstalt in Karlsruhe z.B. dürfen die Wissenschaftler im Bereich Kerntechnologie an keinerlei internationalen Tagungen und Gremien teilnehmen. Die Regierung hat das verboten, sonst werden alle Mittel für die Forschung abgezogen.
Weltweit werden knapp 40 Kernkraftwerke gebaut, in erster Linie in China, Indien, Südamerika, Südafrika, und auch in den USA werden kleinere Kugelhaufenreaktoren gebaut. Ein Druckwasserreaktor wird in Finnland gebaut, und in Südfrankreich wird diese ITER als Forschungsreaktor gebaut. Das ist die Vorstufe der Fusionstechnik. Wir wollen also nach wie vor in die Forschung der Kernkraft investieren, weil die weltweit führenden Wissenschaftler sagen, dass wir etwa 2040-2050 in der Fusion so weit sein müssten, dass keinerlei Abfälle mehr anfallen. Sie hätten dann kein Verstrahlungsrisiko mehr. Schade, dass die ITER ohne deutsche Beteilung entsteht.
CM. : Sie wollen also nicht nur in die Endlagerungen, Sicherheit, und Fusion investieren, sondern auch in die nächste Generation von Kernkraftwerken? |
Gudrun Kopp: Insgesamt, die ganze Palette von Wissenschaft und Forschung, die uns voranbringt, um Kernkraft sicherer zu machen. Im Moment stehen die sichersten Kernkraftwerke in Deutschland - noch. Wir müssten doch dran bleiben, auch um die Technik zu exportieren. Dazu müssen wir uns selbst weiter entwickeln.
CM. : In diesen Kern- und Kohlekraftwerken sitzen aber wenig Menschen, wie man beim Abbau der Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie in Ostdeutschland sieht. Schafft man nicht mehr Arbeitsplätze in der Biomasse? |
Gudrun Kopp: Biomasse biete eine gute Möglichkeit für den ländlichen Raum, um Arbeitsplätze zu schaffen. Aber auch die bodennahe Geothermie bietet riesige Chancen, wenn die entsprechende Technik vorliegt. Wasserkraft ist auch grundlastfähig und kommt wie die Braunkohle ohne Subventionen aus. Es hat aber keinen Sinn, Arbeitsplätze hoch zu subventionieren, die uns international weniger wettbewerbsfähig machen. Markt und Wettbewerb statt ideologischer Vorgaben müssen unseren Energiemarkt bestimmen. Wir müssen auch offen für neue Wege sein - bei den erneuerbaren wie bei den bereits bekannten Energieträgern, denn endlich sind diese Energiequellen eigentlich alle. Wer weiß schon, was in 30, 40, 50 Jahren möglich sein wird?
CM. : Wie steht die FDP zur Gründung der neuen Bundesnetzagentur? |
Gudrun Kopp: Wir haben das Energiewirtschaftgesetz, das am 15. Juli mit über einem Jahr Verspätung in Kraft getreten ist, mit verhandelt zwischen Bundesrat und Bundestag. Die FDP hat zugestimmt. Es ist nötig, den Netzzugang zu regulieren. Es gibt zu wenig Wettbewerb und Transparenz. Ob die Preise fallen werden, weiß ich nicht, denn die Netzkosten machen rund 30% des Endpreises aus.
CM. : Ist das auch zu viel Staat? |
Gudrun Kopp: Wir haben aber die Berichts- und Veröffentlichungspflichten um 75% mindert. Da war ein bürokratisches Monstrum vorgesehen.
CM. : Die FDP sieht Wachstum als die Lösung der meisten Wirtschaftprobleme. Kritiker weisen darauf hin, dass wir nur eine Erde haben, die nicht ewig weiter wachsen kann. Und der Markt regelt auch nicht alles, sondern manchmal steigen die Preise für ein knappes Gut, und dann wird das bisschen verbleibende erst recht ausgebeutet. Sie haben in einer Rede gesagt: "Der Markt ist der effizienteste Mechanismus zur Allokation von Ressourcen." Ich nenne Ihnen zwei Fälle, wo genau das nicht passiert ist: 1) In den Meeren sind viele Fischarten und Wale komplett oder fast ausgerottet worden; erst staatliche Vereinbarungen haben viele Arten gerettet - nicht die Märkte. Und 2) das Ozonloch: Den ersten FCKW-freien Kühlschrank hat Greenpeace entwickelt, und die Industrie hat ihn nur zögerlich aufgenommen. |
Gudrun Kopp: Ich finde, es ist völlig altmodisch zu meinen, dass Ökologie und Ökonomie nicht zusammenpassen. Das ist ja gerade die Herausforderung, beides zusammenzuführen. Deshalb sage ich, wer Klimaschutz will, kann nicht auf die 30% Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung verzichten und den Strom aus EE herstellen. Wir müssen nach Wegen suchen, wie wir die Natur am wenigsten verbrauchen und die höchste Energieeffizienz ernten. Beim Fischfang gilt nicht Markt nach Wild-West-Manier, sondern nach Regeln. Wir brauchen so viel Freiheit wie möglich und soviel Regeln wie nötig.
CM. : Ich danke für das Gespräch. |
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20761/1.html