Datum: 11.03.2004

Pfaffenberger-Gutachten erwartet Arbeitsplatzvernichtung


Wie man seine Vorurteile gegen die Erneuerbaren Energien wissenschaftlich bemänteln kann

Eine Studie des Bremer Energie-Instituts unter Leitung von Prof. Pfaffenberger vom Dezember 2003 will herausgefunden haben, dass die Erneuerbaren Energien zwar zur Zeit noch Arbeitsplätze schaffen, auf lange Sicht aber wieder vernichten werden. Diese Studie wird von den Gegnern der Energiewende dazu benutzt, die Erneuerbaren Energien zu diskreditieren.

Vorab:

Die Frage, durch welche Maßnahmen Arbeitsplätze geschaffen werden können (oder welche Maßnahmen Arbeitsplätze vernichten), beschäftigt Politik und Wissenschaft seit Jahrzehnten - wie man an der weiteren Zunahme der Arbeitslosigkeit sieht, leider völlig erfolglos. Offensichtlich ist das Instrumentarium, mit dem man Arbeitsplatzeffekte berechnen kann, nicht sehr zuverlässig. Das Bremer Energieinstitut wagt sich somit mit unzureichendem wissenschaftlichen Werkzeug an ein schwieriges Thema heran.

Vorgehensweise der Studie

Pfaffenberger ermittelt zunächst die entstandenen Arbeitsplätze in der Hersteller- und Zulieferindustrie im Jahr 2002. Er kommt auf 61.000 neue Arbeitsplätze. Damit bestätigt die Pfaffenberger-Studie die bestehenden Realitäten.

Dann addiert Pfaffenberger die Arbeitsplätze für die Aufrechterhaltung des Betriebs der EE-Anlagen in den nächsten 20 Jahren: 2.350 Arbeitsplätze. Diese Aussage hat einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad, denn sie stützt sich auf die bisher bestehenden Erfahrungen ab.

Schließlich zieht Pfaffenberger die Arbeitsplätze ab, die seiner Vermutung nach durch die erhöhten Strompreise in den 20 Folgejahren zukünftig an anderer Stelle in der Volkswirtschaft verloren gehen werden - zwanzig Jahre lang jährlich 6.350! Die angeblich verloren gehenden Arbeitsplätze ermittelt er über den sogenannten "Budgeteffekt".

Der Budgeteffekt besagt:
Jeder Bürger hat nur ein bestimmtes finanzielles Budget, welches er jährlich ausgeben will und kann. Wer mehr für den Strom bezahlen muss - denn Strom aus EE ist teurer - kann weniger für andere Produkte und Dienstleistungen bezahlen - und deren Produktion muss dann zurückgefahren werden und dort gehen Arbeitsplätze verloren.

Fehler der Budget-Abschätzung

Die Budget-Abschätzung wird den tatsächlichen Verhältnissen jedoch aus zwei Gründen überhaupt nicht gerecht.

Zum einen berücksichtigt sie nicht die Tatsache, dass die Umstellung auf Erneuerbare Energien weitgreifende strukturelle Veränderungen in der Volkswirtschaft bewirken soll und bewirken wird. Hier seien die Steigerung der Energieeffizienz und das Energiesparen erwähnt, sowie eine Zunahme arbeitsplatzintensiver Unternehmen bei gleichzeitigem Abbau energieintensiver Unternehmen. Ferner ist eine Abnahme der Energieimporte bei verstärkter Nutzung einheimischer Energien zu erwarten und schließlich geht es um den Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung und den Aufbau einer Exportindustrie. All diese Effekte lassen sich nicht in einer Budgetabschätzung unterbringen.

Zum anderen ist das Ergebnis einer Budget-Rechnung sehr anfällig gegen Fehler der Eingangsgrößen. Eingangsgröße sind die vermuteten Mehrkosten für die Erneuerbaren Energien. Diese Mehrkosten hängen von zwei Kostenentwicklungen ab, von der Kostenentwicklung der Erneuerbaren Energien und der Kostenentwicklung der konventionellen Energien. Beide können nur ungefähr abgeschätzt werden. Schon ein kleiner Schätzfehler führt aber zu völlig anderen Endergebnissen. Es ist schlicht unseriös, die Differenz zwischen zwei geschätzten Zahlen, nämlich den zukünftigen (auf zwanzig Jahre im voraus geschätzten) Preisen der Erneuerbaren Energien und den (auf zwanzig Jahren im Voraus geschätzten) zukünftigen Preisen der konventionellen Energien als Grundlage für eine weitere Rechnung zu verwenden. Ein Beispiel mit erfundenen Zahlen soll dies verdeutlichen:
 

Schätzung der Mehrkosten
Geschätzte Kosten der Erneuerbaren Energien 1010
Geschätzte Kosten der Konventionellen Energien
1000
Geschätzte Mehrkosten der Erneuerbaren Energien 10




Tatsächliche Mehrkosten
Tatsächliche Kosten der Erneuerbaren Energien 1000
Tatsächliche Kosten der Konventionellen Energien
1010
Tatsächliche Mehrkosten der Erneuerbaren Energien -10


Ein geringer Schätzfehler von nur wenigen Prozent kann - wie das Beispiel zeigt - sogar das Vorzeichen des Endergebnisses umkehren, d.h. tatsächliche Minderkosten zu angeblichen Mehrkosten machen. Wenn die Mehrkosten negativ werden, d.h. wenn die Erneuerbaren Energien billiger werden als die konventionellen Energien, würde der Budgeteffekt sogar noch weitere zusätzliche Arbeitsplätze ergeben. Arbeitsplatzgewinn statt Arbeitsplatzverlust!
In der Mathematik gilt die "Differenz großer geschätzter Zahlen" deshalb als nicht beweiskräftig. Der Volksmund bezeichnet so etwas als "Kaffesatzleserei".