Datum: 19.12.01

Warum Ökostromhandel die Energiewende verzögert

Wechsel des Stromhändlers, Ja - "Ökostrom" Nein!

von Wolf von Fabeck
Geschäftsführer im Solarenergie-Förderverein Deutschland

Lassen Sie mich mit einem Geständnis beginnen: Ich bin Mitbegründer der Naturstrom AG, einer Ökostrom-Handelsgesellschaft.
Wir Gründer - Mitglieder aus verschiedenen Umweltvereinen - wollten damals, bevor es das EEG gab, eine bessere Alternative zum Ökostromhandel des RWE und anderer Stromversorger aufbauen; das ist nicht gelungen.

Unser Versuch ist gescheitert, weil Ökostromhandel prinzipiell die Energiewende nicht bewirken kann und sie sogar verzögert. Diese Einsicht hatten wir damals noch nicht. Zwar bestand zwischen uns Gründern Einigkeit darüber, dass im Vergleich zum damaligen Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) der Ökostromhandel nur als kläglicher Notbehelf anzusehen sei. Doch immerhin glaubten wir, einen zusätzlichen Anstoß geben zu können.
Inzwischen machen sich Zweifel breit, ob dieses bescheidene Ziel überhaupt erreicht, ob nicht sogar das Gegenteil bewirkt wird. Für uns im Solarenergie-Förderverein ist es sogar Gewissheit: Jede Beteiligung am Ökostromhandel gefährdet den Fortgang der Energiewende.

Diese Erkenntnis hat nichts mit der Naturstrom AG zu tun; deren Geschäftsleitung hat professionell gearbeitet. Unsere Ablehnung des Ökostromhandels gilt für ALLE Ökostromhandelsgesellschaften und für jede Art von Ökostromhandel! Das zu erkennen, war für uns ein schmerzhafter und langwieriger Prozess. Wir möchten Ihnen heute die Gründe darlegen, die unseren Sinneswandel bewirkt haben.

Ich kann mir gut vorstellen, wie denjenigen zumute ist, die ihren Beitrag am Ökostromkauf leisten und jetzt lesen sollen, dass ihr Beitrag die Energiewende nicht voranbringt, sondern sogar verzögert. Ich hoffe, dass Sie trotzdem die Geduld aufbringen, die folgenden Argumente in Ruhe und Nachdenklichkeit auf sich wirken zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck

Sie können zu diesem Vortrag passende Papier-Vorlagen für Overheadfolien beim SFV anfordern. Die Übersendung per Post ist kostenlos.

Vortrags-Gliederung

In einem ersten Schritt werden Ihnen die prinzipiellen Unterschiede zwischen den beiden „Instrumenten“, dem Ökostromhandel und dem EEG erläutert. Auch wenn Sie sich bereits mit dem Thema beschäftigt haben, werden Sie wahrscheinlich überrascht sein, wie viele und grundsätzliche Unterschiede es gibt.

In einem zweiten Schritt geht es darum, die schwierige Frage zu beantworten, warum der Ökostromhandel nicht einen wenigstens kleinen Nutzen bringt, sondern warum er sogar schadet.

In einem dritten Schritt geht es dann darum, über zusätzliche Möglichkeiten nachzudenken, mit denen Idealisten die Energiewende beschleunigen können.

Über die verschiedenen Verfahren des Ökostromhandels können Sie sich im letzten Kapitel informieren.

Vergleich: Ökostromhandel - EEG

Der Maßstab

Wer etwas beurteilen möchte, sucht einen Vergleichsmaßßstab. Er vergleicht die Kraft eines Spielkameraden mit der des Klassenstärksten, die Helligkeit eines Raumes mit der Helligkeit des Sonnenscheins und alle Maßnahmen, die zur Energiewende führen sollen, vergleicht er mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz.

EEG - Ideales Markteinführungsprogramm

Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) trat am 01.04.2000 in Kraft. Es gilt weltweit als fortschrittlichstes Gesetz zur Markteinführung der Erneuerbaren Energien. Mit einem Minimum an marktwirtschaftlichen Eingriffen erreicht es ein Maximum an Wirkung:
Das EEG garantiert den Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energien, die diesen Strom ins öffentliche Stromnetz einspeisen, eine Mindestvergütung. Diese ist so bemessen, dass sie bei einer vernünftig geplanten und betriebenen Anlage den wirtschaftlichen Betrieb einschließlich der marktüblichen Verzinsung des eingesetzten Kapitals ermöglicht. Dazu ein Beispiel:

Ein Dacheigentümer möchte eine Solarstromanlage errichten. Das Geld dafür leiht er sich bei einer Bank. Tilgung und Zinsen zahlt er mit Hilfe einer Einspeisevergütung, die er vom zuständigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) erhält.
(Anmerkung: Für Strom aus Wasserkraft, Windkraft und Biomasse ist eine kostendeckende Vergütung vorgeschrieben; für Solarstrom zur Zeit noch nicht, doch wird sie im Gesetzestext für die Zukunft in Aussicht gestellt. Zur Zeit müssen die meisten Solaranlagenbetreiber noch etwas dazuzahlen.)

Der Solarstrom wird nicht etwa im eigenen Haus verbraucht, sondern an das EVU für 48,1 Cent/kWh verkauft. Dazu wird er vollständig ins öffentliche Netz eingespeist, „mischt“ sich dort mit dem konventionell erzeugten Strom und wird als Bestandteil des so entstandenen Strommixes an alle Verbraucher weitergegeben.
Wenn der Anlagenbetreiber selber Strom benötigt, kauft er aus dem öffentlichen Stromnetz den gleichen Strommix, den alle anderen erhalten, zum üblichen Preis, z.B. zu 13 Cent/kWh.

Entscheidungsketten

Für die Umsetzung eines Programms ist die sogenannte „Entscheidungskette“ von Bedeutung. Eine Entscheidungskette ergibt sich aus der Aufeinanderfolge der entscheidenden Akteure in der Reihenfolge ihrer Entscheidungsfindung. Die Kette beginnt mit demjenigen Akteur, der die Anfangs-Initiative ergreift und sie endet bei dem Akteur, der den endgültigen Zweck verwirklicht, hier also bei dem Hauseigentümer, der die Anlage bauen lässt. Akteure, die keine eigene Entscheidung treffen, z.B. eine Bank oder der Installateur, werden weggelassen. Kriterien für die Effektivität eines Programms sind insbesondere die Länge der Entscheidungskette und die Übereinstimmung der Interessen aller Akteure.

Länge der Entscheidungskette

Je kürzer die Entscheidungskette ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Bau einer Anlage kommt.

Die Entscheidungskette beim Ökostromhandel ist außerordentlich kompliziert. (siehe Folie)
Sie beginnt bei den Ökostromhändlern. Diese ergreifen die Initiative und werben um Ökostromkunden. Die Ökostromkunden sind nicht in der Lage, die Seriosität der unterschiedlichen Angebote zu prüfen, sie suchen deshalb den Rat eines der zahlreichen Ökostrom-Zertifizierer. Es gibt Zertifikate nach unterschiedlichen Kriterien; z.B. vom TÜV oder vom Grüner Strom Label e.V. oder vom Energie Vision e.V.
Gewissenhafte Zertifizierer überzeugen sich von der Seriosität des Ökostromhändlers, indem sie Verbindung mit Anlagenbetreibern aufnehmen, die bereits durch den Ökostromhändler eine Förderung erfahren haben.

Der Ökostromkunde wählt also einen Ökostromhändler aus und schließt mit ihm einen Ökostromkaufvertrag ab.

Die Zahlungen aus diesem Vertrag (nebst vielen weiteren) gewähren dem Ökostromhändler die finanzielle Grundlage für seinen Vertragsabschluss mit einem neuen Anlagenbetreiber, dem nun ein finanzieller Anreiz zum Bau der Solaranlage geboten wird.

Die „Entscheidungskette“ beim EEG ist dagegen sehr kurz Man kann kaum von einer Kette sprechen, denn sie besteht aus nur einem Glied. Der Hauseigentümer beschließt den Bau einer Solarstromanlage und führt den Bau durch. Initiative und Ausführung liegen in einer Hand! (siehe Folie) Kürzere Ketten gibt es nicht!

Übereinstimmung der Interessen

Je größer die Übereinstimmung in den Interessen der Akteure ist, desto effektiver ist das Programm. Besonders wichtig ist die Übereinstimmung der Interessen des ersten Akteurs mit denen des letzten Akteurs.

Beim Ökostromhandel ist die Übereinstimmung der Interessen zwischen dem Ökostromhändler und dem Solaranlagenbetreiber gering. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Händler eine Gewinnspanne erzielen und deshalb den Ökostrom günstig einkaufen möchte. Da das Angebot der vielen Anlagenbetreiber die Nachfrage der Ökostromkunden weit übersteigt, kann der Händler die Preise drücken. Der Betreiber wäre dagegen für eine Vergütung dankbar, die seine Kosten deckt.
Auch bezüglich der Laufzeit der Stromlieferverträge bestehen unterschiedliche Interessen. Der Händler möchte eine möglichst kurze Bindungsfrist, der Betreiber dagegen wünscht sich Investitionssicherheit durch einen langen Vertrag.

Beim EEG ist die Übereinstimmung der Interessen ideal, weil die Entscheidungskette aus nur einem Glied besteht.

Vertrauen ist gut

Der liberalisierte Strommarkt wird bisweilen mit dem liberalisierten Telefonmarkt verglichen, doch dieser Vergleich führt in die Irre. Ein wichtiger Unterschied besteht in der Prüfbarkeit (siehe Folie). Ein Telefonanbieter, der Sie - wenn Sie Ihre Schwiegermutter in Hamburg gewählt haben - stattdessen mit dem Getränkemarkt verbindet, würde rasch seine Kunden verlieren.

Anders ist es im Strommarkt. Der Stromkunde erkennt nicht, mit wem er verbunden ist. Dies ist auch prinzipiell unmöglich, denn er ist gleichzeitig mit allen anderen Teilnehmern am Strommarkt elektrisch verbunden, sowohl mit Tausenden von Stromerzeugern als auch mit Millionen von Verbrauchern (siehe Folie). Die elektrische Energie, die er aus seiner Steckdose zapft, ist aus physikalischer Sicht immer ein Strommix. Der Firma E.ON ist es sogar gerichtlich untersagt worden, etwas anderes zu behaupten. Sinn des Ökostromhandels ist es ja nicht, dass man einer grün angestrichenen Steckdose den Strom aus einem bestimmten Anlagensortiment entnimmt. Mit solchen werbewirksamen Falsch-Behauptungen machen sich die Ökostromhändler eher über ihre Kunden lustig. Entscheidend ist vielmehr, wer das Geld des Ökostromkunden bekommt und was mit diesem Geld geschieht. Dies zu kontrollieren, würde Einblick in alle Geschäftsvorgänge nicht nur des Ökostromhändlers, sondern auch aller mit ihm in Handelskontakt stehenden weiteren Händler und(!) Verbraucher voraussetzen. Die Transparenz, die manche Ökostromhändler z.B. durch Nennung ihrer Lieferanten im Internet bieten, ist unvollständig, weil der Betrachter nur einen kleinen Ausschnitt der Handelsbeziehungen zu sehen bekommt. Je größer das Volumen des Ökostromhandels wird, desto schwieriger wird es für den Ökostromkunden, den Überblick zu behalten. Selbst die Zertifizierer müssen sich auf Stichproben beschränken.

Letztlich ist Ökostromkauf Vertrauenssache.

Kontrolle ist besser

Beim EEG gibt es zwei unerbittliche Kontrollinstanzen (siehe Folie).
1. Der Netzbetreiber kontrolliert, ob der Anlagenbetreiber nicht mehr in Rechnung stellt, als er einspeist. Da die Solaranlagen in seiner Region nahezu den gleichen Sonnenschein mitbekommen, würden Manipulationen sofort durch abweichende Betriebsergebnisse auffallen.

2. Der Anlagenbetreiber kontrolliert, ob der Netzbetreiber jede einzelne Kilowattstunde mit der vorgeschriebenen Mindestvergütung bezahlt.

Beide Kontrollinstanzen haben ein hohes Eigeninteresse an einer wirksamen Kontrolle.

Finanzieller Wirkungsgrad

Bei der Beurteilung eines Markteinführungsprogramms ist der finanzielle Wirkungsgrad von erheblicher Bedeutung. Es geht um die Frage: wieviel kommt letztendlich beim Anlagenbetreiber an?

Beim Ökostromhandel müssen die nicht unerheblichen Verwaltungskosten für Händler, Zertifizierer und Netzbetreiber (Durchleitungsgebühr) durch die Ökostromkunden aufgebracht werden (siehe Folie).

Beim EEG kommt die festgesetzte Einspeisevergütung dem Anlagenbetreiber ohne Abzug von Verwaltungskosten zugute.

Nachhaltigkeit der Programme

Die vom Ökostromhandel eingenommenen Gelder hängen von der jeweiligen wirtschaftspolitischen Grundstimmung und von der wirtschaftlichen Situation der Ökostromkunden ab. Kein Ökostromkunde verpflichtet sich für mehrere Jahre! Das EEG ist ein Gesetz und damit dem wirtschaftlichen Auf und Ab entzogen. Außerdem gewährt es Investitionssicherheit für 20 Jahre. Selbst im Fall einer Gesetzesänderung oder -aufhebung genießen die bisherigen Anlagenbetreiber Vertrauensschutz.

Die Verantwortlichkeit

Ist die Vermeidung einer Klimakatastrophe eine Aufgabe, die von wenigen Idealisten geleistet werden soll, oder handelt es sich um eine Gemeinschaftsaufgabe?

Die Geschichte kennt viele Beispiele für die gemeinschaftliche Abwehr von Gefahren, z.B. die Abwehr von Sturmfluten durch Deichbau, die Abwehr von Feuersbrünsten durch Aufbau und Unterhaltung einer Feuerwehr, die Abwehr der Kriminalität durch Einrichtung der Kriminalpolizei.

Ein Gemeinwesen, welches nicht mehr bereit ist, drohende Gefahren gemeinsam abzuwehren, wird untergehen.

Wir stehen auf dem Standpunkt, dass eine so grundlegend wichtige Aufgabe wie die Abwehr der Klimakatastrophe nicht einigen Idealisten aufgeladen werden darf. Die Beantwortung dieser ethisch wichtigen Frage entscheidet zugleich auch über das zur Verfügung stehende Potenzial (siehe Folie).

Die Energiewende darf nicht den Idealisten aufgebürdet werden!

Das EEG - in jeder Hinsicht überlegen

Der durchgeführte Vergleich zeigt in jeder Hinsicht die Überlegenheit des EEG.

Warum Ökostromhandel das EEG gefährdet

Studie im Auftrag der EU- Kommission

Im Jahr 1997 wurde eine Studie veröffentlicht, welche die Europäische Kommission bei 5 wissenschaftlichen Instituten in Belgien, Dänemark, Frankreich und Deutschland in Auftrag gegeben hatte. Das Ergebnis dieser Studie besagt, dass Europa sich selber aus heimischen erneuerbaren Energien vollständig versorgen kann und dass dies bei entsprechendem politischen Willen sogar schon bis zum Jahr 2050 zu 90 % erfolgen könne.

Diese Studie "Long-Term Integration of renewable Energies into the European energy system" (LTI-Studie) muss wie eine Bombe in den Vorstandsetagen der großen Stromversorger eingeschlagen sein.

„Stranded Investments“

Gestrandete Investitionen nennt die englische Sprache treffend solche Investitionen, die sich nachträglich als unnötig herausstellen.

Der für eine gestrandete Investition verantwortliche Manager zieht sich den Zorn der Aktionäre zu und gefährdet seine Karriere. Wer in diesen Jahren noch Braunkohlekraftwerke errichtet, muss befürchten, wie ein Kapitän behandelt zu werden, der sein Schiff auf Grund gesetzt hat. Um seine Karriere zu retten, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die aufkommende Konkurrenztechnik mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Öffentliche Meinung zwingt zum verdeckten Kampf

Angesichts der großen öffentlichen Zustimmung zu den erneuerbaren Energien kann sich allerdings kein Konzern leisten, die Erneuerbaren Energien öffentlich abzulehnen.

Auszug aus einer Internen Notiz des RWE vom Febr. 1996
"Eine vom Staat angeregte Strompreiserhöhung in Höhe von 10 DM jährlich für jeden Haushalt hat bei unsren Kunden eine hohe Akzeptanz: 80% stimmen ihr zu (bei Abitur, Studium sogar 92%) (...)"

Verdeckter Kampf

So wird nur selten öffentlich zugegeben, dass die Stromkonzerne die Erneuerbaren Energien als Konkurrenz ansehen, die es zu verhindern gilt. Eine für die Stromwirtschaft peinliche Panne war die Veröffentlichung eines Stellenangebots in der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 29. März 1997, in der die MEVAG - ein Stromversorger aus dem westlichen Teil des Landes Brandenburg - unverhohlen die Aufgabe eines einzustellenden Mitarbeiters mit folgenden Worten präzisierte: „... Der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit liegt zum einen in der Sicherung des Umsatzes durch Verhinderung von Stromeigenerzeugungsanlagen (z.B. Erkennen von Eigenerzeugungsgefahrenpotentialen)...“ (Kopie der Anzeige)

Unwirksame Förderung liegt im Interesse der Stromwirtschaft

Selten ist ein Gesetz durch die Stromlobby heftiger bekämpft worden als das EEG und sein Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz (StrEG). Die fast unglaublichen Erfolge des StrEG beim Ausbau der küstennahen Windenergie waren die entscheidende Warnung für die Stromwirtschaft. In dieser Not entdeckte die monopolerprobte Stromwirtschaft den Reiz des freien Marktes.

Wer sauberen Strom haben will, solle bitte die Mehrkosten dafür selbst zahlen,
verlangte sie plötzlich. Der RWE-Umwelttarif wurde aus der Taufe gehoben. Dies war die Geburtsstunde des Ökostromhandels.
Eine geniale Idee, wie man die Umweltbewegung mit einem unwirksamen Programm ablenken und beschäftigen kann!

Belege für den verdeckten Kampf gegen das EEG

Es ist nicht auszuschließen, dass jemand sich „vom Saulus zum Paulus“ entwickelt. Es ist aber äußerst unwahrscheinlich, dass ganze Industriezweige eine solche Wandlung gegen ihre eigenen Interessen durchführen. Es mag unter den vielen hundert deutschen Stromversorgern zwei oder drei Stadtwerke-Chefs geben, die sich ernsthaft für den Ausbau der erneuerbaren Energien einsetzen, doch die wären eine große Ausnahme. In der übrigen konventionellen Stromwirtschaft ist das Wunder einer Wandlung vom Saulus zum Paulus nicht geschehen, obwohl ihre Ökostrom-Werbung es uns glauben machen will. Die Stromwirtschaft glaubt doch wohl selber nicht daran, dass sich der Ökostromhandel zu einem Massenboykott gegen Atom- und Kohlestrom entwickeln könnte. Sie würde ihre Werbung sonst sofort einstellen.
Belege für diese Behauptung? Im SFV kommen täglich empörte Anrufe, Telefaxe oder Mails an, die von Schikanen gegenüber den Einspeisewilligen berichten. Diese vieltausendfachen Schikanen dokumentieren eindeutig Ablehnung der Erneuerbaren Energien.

Hier zwei Beispiele:
Das erste Beispiel betrifft das RWE, welches einerseits den „Umwelttarif“ anbietet und andererseits private Einspeiser von Solarstrom durch die Formulierung seiner Einspeiseverträge massiv verunsichert. Dazu siehe den folgenden Auszug aus dem RWE - Einspeisevertrag:

8 Vertragsänderungen
8.1 Änderungen des Vertrages, insbesondere der Ergänzenden Bestimmungen der RWE Plus zur AVBEltV sowie der Technischen Anschlussbedingungen der RWE Net AG (TAB) wird RWE Net dem Anlagenbetreiber jeweils schriftlich mitteilen.
Sofern der Anlagenbetreiber mit den mitgeteilten Änderungen nicht einverstanden ist, steht ihm das Recht zu, den Vertrag zum Ende des der schriftlichen Mitteilung folgenden Monats zu kündigen.

Das zweite Beispiel: Die Arbeitsgemeinschaft kommunaler Versorgungsunternehmen zur Förderung rationeller, sparsamer und umweltschonender Energie- und Wasserverwendung, kurz ASEW, in der sich etwa 200 Stadtwerke zusammengeschlossen haben, hat sich bei dem anspruchsvollsten deutschen Zertifizierer für Ökostrom, beim Grüner Strom Label e.V. um eine Zertifizierung für ihr Energreen-Ökostromangebot beworben und das goldene Label erhalten. Wir sollten deshalb eigentlich davon ausgehen, dass die Mitglieder der ASEW zu den umweltfreundlichsten Stromversorgern Deutschlands gehören. Auch die Gas- und Elektrizitätswerke Köln (GEW) sind Mitglied der ASEW und schmücken sich mit dem gemeinsamen Ökostrom-Angebot. Die GEW gehört leider aber zu der großen Zahl derjenigen, die den Bau privater Solarstromanlagen in ihrem Netzbereich durch abschreckende Vertragsgestaltung massiv behindern. Aus dem Einspeisevertrag der GEW

§ 9 Vertragsbeginn, -dauer und kündigung
1. (...)
2. Beide Vertragsparteien sind berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats zu kündigen.
3. (...)

Die hier vorgesehene monatliche Kündigungsmöglichkeit des Einspeisevertrages durch den aufnahmepflichtigen Netzbetreiber sabotiert die Investitionssicherheit, die das EEG den Anlagenbetreibern für 20 Jahre geben will.

Der Europäische Gerichtshof warnt

In einem Urteil vom 13.03.01 äußert sich der EUGH zu der Frage, ob das StrEG (Vorläufer des EEG) den freien Warenaustausch in der EU behindert. Das Gericht sieht beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts keine Behinderung, da es zur Zeit keinen funktionierenden Handel mit Strom aus Erneuerbaren Energien gäbe. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus die Warnung, dass - wenn es einen funktionierenden Handel mit Strom aus Erneuerbaren Energien (Ökostromhandel) gäbe - die Frage der Vereinbarkeit des StrEG bzw. des EEG mit dem freien Warenaustausch erneut zu prüfen sei. Deutlicher lässt sich die Gefährdung des EEG durch Ökostromhandel wohl kaum belegen!

Der Kampf um das EEG wird letztlich im Bundestag entschieden

Der intensiven Lobbyarbeit der Stromversorger ist es gelungen, die Bundestags-Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. davon zu überzeugen, dass das EEG „beendet“ werden muss. Die F.D.P. hat am 17.03.01 einen dementsprechenden Bundestagsantrag eingebracht, der von den rechten Oppositionsparteien unterstützt wurde.

Aus dem Antrag der F.D.P.

(...) Eingriffe in den Preismechanismus oder das staatliche Diktat bestimmter Techniken zur Energieerzeugung sind (...) aus ordnungspolitischen und aus energiewirtschaftlichen Erwägungen verfehlt. Über die Höhe von Preisen entscheidet der Markt.
Der Staat darf grundsätzlich nicht in die Preisbildung eingreifen.
Das Vorschreiben energiewirtschaftlicher Techniken ist eine Anmaßung von Wissen durch den Staat. (...)

Einzig die SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und die PDS stehen zum EEG. Aber auch in den Regierungsparteien gibt es Abgeordnete, die gegenüber den massiven Angriffen aus der Stromwirtschaft Unentschlossenheit zeigen. Diese Abgeordneten nehmen teilweise selber am Ökostromhandel teil, halten ihn wohl für eine „zweitbeste Alternative“.
Natürlich sind Bundestagsabgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet, aber sie verstehen sich auch als Vertreter ihrer Wähler. Und was denken die Wähler?
Im Wählervolk beflügelt jede Werbung für Ökostrom die schöne, aber belegbar falsche Vorstellung, die Bürger dieses Landes könnten doch noch in einer Massenbewegung den Kauf von Strom aus Atom und Braunkohle boykottieren und damit die Energiewende herbeizwingen. Gerade im linken Spektrum der Wählerschaft ist diese Hoffnung weit verbreitet. Sie wird durch jede Werbung für Ökostrom weiter genährt, besonders dann, wenn diese Werbung von einer vertrauenserweckenden Ökostromhandelsgesellschaft kommt. Die weitere Folge: Abgeordnete, deren Wähler den Ökostromhandel als einen möglichen Weg zur Energiewende ansehen, deren Wähler gar selbst Geld für den Ökostromhandel opfern, tun sich schwer, kompromisslos auf eine Fortsetzung des EEGs hinzuarbeiten.

Deshalb gilt es, Illusionen auszuräumen!

Jede Werbung für Ökostromhandel gefährdet das EEG. Wer keinen Ökostrom kauft, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben!
Wer keinen Ökostrom kauft, handelt richtig!

Stromwechsel Ja! - Ökostrom Nein!

Es ist durchaus sinnvoll, den Stromlieferanten zu wechseln, wenn der neue Stromlieferant die erneuerbaren Energien weniger behindert als der bisherige Stromlieferant.
Recherchieren Sie selbst! Fragen Sie private Solarstrom-Einspeiser nach ihren Erfahrungen.

Wenn Sie wechseln, kaufen Sie ausdrücklich keinen Strom, der als "Ökostrom" angeboten wird. Demonstrieren Sie dem Händler, dass Sie als informierter Stromkunde nicht auf seinen modischen Werbegag reinfallen. Wenn er zwei Tarife anbietet - einen billigen und einen teuren - nehmen Sie den billigen. Den Betrag, den Sie sparen, überweisen Sie lieber als Spende an eine gemeinnützige Organisation.

Zusätzliche Möglichkeiten für Idealisten

Was tun mit wenig Geld?

Regelmäßig taucht an dieser Stelle die Frage auf, was denn der umweltengagierte Bürger ohne eigenes Dach mit einigen Euro jährlich tun könne, um der Klimakatastrophe zu entgehen. Diese Frage erinnert ein wenig an die Frage, die den Kirchen im ausgehenden Mittelalter gestellt wurde, was denn der Gläubige tun könne, um dem Fegefeuer zu entrinnen. Damals wurde von geschäftstüchtigen Kirchenmännern der Ablasshandel erfunden. Überliefert ist der forsche Werbespruch: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele vom Fegefeuer in den Himmel springt“. Es gibt sogar Parallelen bezüglich des finanziellen Wirkungsgrades: Das meiste Geld blieb auch beim Ablasshandel in der „Verwaltung“ stecken...

Wer die Energiewende beschleunigen will, sollte sich vorher genau über die herrschenden Interessen und Programme informieren; diese Arbeit ist das Allerschwierigste an seinem Unterfangen. Sie ist deswegen so schwer, weil etliche der Akteure in bester Absicht handeln und dennoch unzweckmäßige Programme anbieten. Die folgenden Grundsätze sollen Ihnen Ihre Entscheidung erleichtern.

Grundsätze

Wer das EEG als das Beste aller Markteinführungsprogramme ansieht, der sollte folgerichtig sein ganzes Engagement im Energiesektor der Verteidigung und Verbesserung des EEG oder seiner Anwendung widmen.
Wer erkannt hat, dass es darauf ankommt, neue Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien zu bauen, der sollte folgerichtig den Bau von Anlagen direkt unterstützen.

Schwerpunktbildung ist angesagt. Es gilt, sich nicht zu verzetteln!
Das EEG ist der Schwerpunkt.

Nachfolgend einige Anregungen:

Informationsarbeit

Wichtig ist Information der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit und Möglichkeit einer vollständigen (100 %) Energiewende. Es geht darum, Vorurteile gegen Erneuerbare Energien auszuräumen und über die Vorteile des EEG zu informieren. Dazu sind Unterhaltungen im privaten Bereich geeignet oder Leserbriefe oder Wortmeldungen bei Diskussionsveranstaltungen zu Energiefragen. Auch die Mitgliedschaft in einer politischen Partei kann in dieser Hinsicht genutzt werden. Voraussetzung ist natürlich immer der eigene gute Informationsstand.

Unterstützung von Energiewendevereinen

Möglich ist auch die Unterstützung eines Umweltschutzvereins, der sich mit Energiefragen befasst. z.B. des Solarenergie-Fördervereins (verzeihen Sie die Eigenwerbung). Hier gibt es die Möglichkeit einmaliger oder regelmäßiger Spenden oder des Beitritts oder der ehrenamtlichen Mitarbeit. Gerade Vereine, die eine unabhängige Meinung vertreten und sich ihre Unabhängigkeit von staatlichen Zuschüssen bewahren, sind auf viele private Unterstützer angewiesen.

Gemeinschaftsanlagen

Es gibt eine Vielzahl von Unternehmern, die eine Beteiligung an Gemeinschaftsanlagen anbieten.

Kauf von Aktien

Neu entstehende Unternehmen, die die Produktion z.B. von Solarsilizium oder von Solarmodulen planen, haben einen hohen Kapitalbedarf. Sie geben Aktien aus, um diesen Bedarf zu decken. Wer solche Firmen durch den Erwerb ihrer Aktien unterstützt, trägt zur Beschleunigung der Energiewende bei.
Einen persönlichen Vorteil hat er davon nicht. Solche Aktien versprechen auf Jahre hinaus keinen Gewinn, sondern erst dann, wenn die Firma von den „roten in die schwarzen Zahlen“ kommt und die Aktien für den öffentlichen Handel freigibt. Außerdem gibt es immer die Möglichkeit, dass die Firma scheitert und die Aktien ihren Wert vollständig verlieren.

Empfehlung für spezielle Aktiengesellschaften oder Gemeinschaftsanlagen

Der Solarenergie-Förderverein möchte keine besonderen Empfehlungen geben. Wir warnen allerdings vor solchen Unternehmen, die ihre Geldgeber vornehmlich mit Gewinnversprechungen ködern.

Eine Ermutigung zum Schluss: Wer sich für eine finanzielle Beteiligung an einem Unternehmen in Aktien entschieden hat, verliert im schlimmsten Fall seine Einlage. Selbst dann steht er aber nicht schlechter da als der Ökostromkunde, der für den Mehrbetrag, den er freiwillig zahlt, keinen finanziellen Gewinn hat.

Zusammenfassung

Das EEG ist das wirksamste Markteinführungsprogramm

Mit einem minimalen Eingriff in den Markt wird ein Maximum an Wirkung erzielt. Die Überlegenheit des EEG erweist sich beim Vergleich der verschiedensten Details. Das EEG beteiligt alle Stromhändler an der Energiewende, nicht nur die Idealisten.

Die Stromversorger wünschen keine Energiewende

Die Tatsache, dass eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien innerhalb von 50 Jahren möglich ist, wird von den Stromversorgern als Bedrohung wahrgenommen. Sie befürchten gestrandete Investitionen.

Verdeckter Kampf gegen das EEG

Mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung führt die Stromwirtschaft keinen offenen, sondern einen verdeckten Kampf gegen das wirksamste Markteinführungsinstrument, nämlich gegen das EEG. Die Stromwirtschaft sieht den Ökostromhandel als „ungefährliche“, weil unwirksame Alternative zum EEG.

Werbung für Ökostrom ist im Interesse der Stromwirtschaft

Werbung für Ökostrom bestärkt viele Umweltfreunde in der Vorstellung, dass der Kauf von Ökostrom eine signifikante Verminderung der Produktion von Strom aus Kohle und Kernenergie bewirken könne. Würde die Stromwirtschaft dies allerdings selber glauben, würde sie ihre Ökostrom-Werbung sofort einstellen.

Die Entscheidung für das EEG fällt im Bundestag

Die Entscheidung, ob es beim EEG bleibt, erfolgt im Bundestag. Die Abgeordneten fühlen sich als Vertreter ihrer Wähler. Je mehr ihrer Wähler sich am Ökostromhandel beteiligen, desto größer wird die Versuchung für Abgeordnete, den Ökostromhandel als die „zweitbeste Lösung“ hinzunehmen, anstatt das EEG energisch zu verteidigen.

Erzeugung oder Verbrauch fördern?

Es ist erheblich wirkungsvoller, die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu fördern als den Verbrauch. Verbrauch erfolgt auch ohne Ökostromhandel. Zusätzliche freiwillige Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende sollten sich auf die ERZEUGUNG von Strom aus Erneuerbaren Energien konzentrieren.

Aus politischen, insbesondere aus psychologischen Gründen verzögert eine Beteiligung am Ökostromhandel die Energiewende

Deshalb Stromwechsel Ja - "Ökostrom" Nein!

Prinzip des Ökostromhandels

Handel mit Strom aus Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien (EE-Strom)

Das Durchleitungsverfahren

Der Ökostromhändler kauft EE-Strom beim Betreiber von EE-Anlagen und leitet ihn nach den kaufmännischen Regeln des Stromhandels zum Ökostromkunden durch. Dieses Verfahren wird auch als "Händlermodell" bezeichnet.
Die Betreiber der EE-Anlagen erhalten keine Einspeisevergütung nach dem EEG, sondern den Preis, den der Ökostromhändler zahlt. Der Ökostromkunde erhält physikalisch den gleichen Einheitsstrom wie sein Nachbar, der kein Ökostromkunde ist.

Das Aufpreisverfahren

Der Ökostromhändler verkauft keinen EE-Strom, sondern Einheitsstrom mit einem Aufpreis. Den Aufpreis gibt er an einige ausgewählte Betreiber von EE-Anlagen weiter, die ohnehin bereits eine Einspeisevergütung nach EEG erhalten. Die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlagen wird damit verbessert. Das Aufpreisverfahren ist etwa dem Einsammeln von Spenden zugunsten einiger Anlagenbetreiber vergleichbar.

Das Splittingverfahren

Ein Stromhändler nutzt die Tatsache aus, dass im deutschen Strommix immer ein gewisser Anteil von Strom aus EE-Anlagen vorhanden ist. Der Händler spaltet gedanklich diesen Mix auf und verkauft den angeblichen EE-Anteil zu einem höheren Preis. Der Händler ist nicht verpflichtet, einen eventuell erzielten Mehrerlös an einen Lieferanten oder Erzeuger weiterzugeben und tut dies in der Regel auch nicht. Der Ökostromkunde erhält, physikalisch gesehen, Einheitsstrom.

Das Zertifikateverfahren

(In Planung) Hier soll mit Bescheinigungen gehandelt werden, aus denen es sich ergibt, dass eine bestimmte Menge EE-Strom erzeugt wurde. (Bitte nicht verwechseln mit dem Handel mit Emissionszertifikaten!)

Kombination der verschiedenen Verfahren

Die elektrische Energie aus ein und der selben EE-Anlage kann - ohne Verletzung der dargestellten Regeln
1.) nach EEG vergütet werden,
2.) gleichzeitig einen Aufpreis nach dem Aufpreisverfahren erhalten,
3.) schließlich noch nach dem Splittingverfahren weiterverkauft werden.

Welches Verfahren oder welche Verfahrenskombination auch immer gewählt wird, der Ökostromkunde erhält im physikalischen Sinn immer den gleichen bundesdeutschen Einheitsstrom.

Eine Kontrolle, ob seine höheren Zahlungen zum Bau neuer Anlagen führen, die andernfalls nicht gebaut worden wären, ist dem Kunden wegen des Umfangs und der Unübersichtlichkeit des Strommarktes kaum möglich.