Sind staatlich festgesetzte Mindestvergütungen als Beihilfe zu verstehen?
Briefwechsel zwischen Mario Monti, EG-Kommission, und Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen
Mario Monti,
Mitglied der Europäischen Kommission
Herrn Minister Hans Eichel
Bundesministerium der Finanzen
Wilhelmstr.97
D-10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Eichel, sehr geehrter Herr Bundesminister,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 21. März d.J., in dem Sie Anregungen zu dem weiteren Verfahren nach dem Erlaß des PreussenElektra-Urteils geben.
Ich habe dieses Urteil sorgfältig gelesen und folgende Schlußfolgerungen für die anhängigen Untersuchungen zum EEG und KWK-G gezogen:
Dem Urteil des Gerichtshofes liegt die Frage zu Grunde, ob der Behilfebegriff des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag auch Regelungen erfaßt, die die Förderung des Zahlungsempfängers bezwecken, wobei die erforderlichen Fördermittel auf Grund von gesetzlich angeordneten Abnahmepflichten zu festgelegten Mindestpreisen einzelnen Unternehmen einer Branche auferlegt werden. Diese Frage, die sich aus einem Rechtsstreit, in dem ein privates Unternehmen verpflichtet war, ergab, hat der EUGH zum Anlaß genommen, sein Urteil lediglich auf private Unternehmen zu beziehen.
Der Gerichtshof erklärt, dass die Verpflichtung privater Elektizitätsversorgungsunternehmen zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu festgelegten Mindestpreisen nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel auf die Unternehmen, die diesen Strom erzeugen, führt. Daher wurde das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe verneint.
Nicht entschieden hat der Gerichtshof die Frage nach der Herkunft der Mittel, wenn ein
öffentliches Unternehmen verpflichtet ist. Auf der Grundlage der ständigen
Rechtsprechung und der bisherigen Praxis der Kommission komme ich zu dem Ergebnis,
dass Zuwendungen aus staatlichen Mitteln gegeben sind, wenn die Zahlungsverpflichtung
ein öffentliches Unternehmen trifft.
Anmerkung des Solarenergie-Fördervereins:
Es scheint, dass Mario Monti das
Urteil des EUGH nicht vollständig gelesen hat. Dort ist unter anderem
Folgendes ausgeführt:
Rechtlicher Rahmen
3 Das Stromeinspeisungsgesetz ist am 1. Januar 1991 in Kraft getreten. In
der ursprünglichen Fassung regelte es nach dem Wortlaut seines §
1 - Anwendungsbereich - die Abnahme von Strom, der ausschließlich
aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Deponiegas, Klärgas oder
aus Produkten oder biologischen Rest- und Abfallstoffen der Land- und
Forstwirtschaft gewonnen wird, durch öffentliche
Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die hierfür zu zahlende
Vergütung.
4 Unstreitig umfasst der Begriff des öffentlichen
Elektrizitätsversorgungsunternehmens sowohl private Unternehmen als
auch solche, die ganz oder teilweise der öffentlichen Hand gehören.
((Unterstreichung durch den SFV))
Daraus folgt, dass Zahlungen auf der Grundlage des Stromeinspeisungsgesetzes dann den Tatbestand der Beihilfe erfüllen, wenn öffentliche Unternehmen verpflichtet sind. Das gleiche gilt für das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz.
Die Kommission wird daher die Überprüfung beider Gesetze vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und in Anwendung des EG-Vertrages sowie der weiteren einschlägigen rechtlichen Regelungen fortführen.
Ich vermag zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auszuschließen, dass das Verfahren gemäß Artikel 88 Abs. 2 EG-Vertrag eröffnet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Mario Monti
Antwortschreiben von Hans Eichel, Bundesministerium der Finanzen
Bundesminsterium der Finanzen
Der BundesministerE C 3 - F 2531 - 34/01
Mitglied der Europäischen Kommission
Sehr geehrter Herr Professor Monti,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 7. Juni 2001, in dem Sie Ihre Absicht darlegen, die
beihilferechtliche Überprüfung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) und
des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWK-Gesetz) trotz des Urteils des
Europäischen Gerichtshofs vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98
(PreussenElektra) fortzuführen.
Ihre Begründung, dass das Stromeinspeisungsgesetz (StrEG), das EEG und das
KWK-Gesetz nur dann nicht den Beihilfetatbestand erfüllten, wenn die
Vergütungsregelungen private Unternehmen treffen, lässt sich nach
meiner Überzeugung nicht auf das EuGH-Urteil stützen. Der Gerichtshof
begründet seine Entscheidung, den Beihilfencharakter der genannten Regelungen zu
verneinen, ausschließlich damit, dass die Vergütungen für regenerativen
Strom nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werden. Sowohl das StrEG als auch EEG und
KWK-Gesetz verpflichten alle Energieversorger - unabhängig von den
Eigentumsverhältnissen - zur Zahlung der gesetzlich festgelegten
Einspeisevergütung. In allen Fällen werden für die Finanzierung der
Vergütungen keine Mittel aus staatlichen Haushalten eingesetzt. Infolge der
Konstruktion des Systems wird vielmehr letztlich der Stromverbraucher belastet. Die
Regelungen dienen dem Umwelt- und Klimaschutz und führen zu einem schonenden
Umgang mit endlichen Energieressourcen.
Eine sachverhaltsbezogene Begründung dafür, dass der Beihilfetatbestand
gleichwohl (nur) dann erfüllt sein soll, wenn öffentliche Unternehmen von der
Vergütungsregelung betroffen sind, ist weder Ihren Ausführungen zu entnehmen
noch sonst ersichtlich. Im Rahmen unserer konsequenten Liberalisierungspolitik haben wir
sämtliche Privilegien für öffentliche Energieversorger abgeschafft.
Öffentliche Energieversorger sind heute in Deutschland unter genau den gleichen
Voraussetzungen am Markt tätig wie ihre privaten Konkurrenten.
Ich kann mir Ihre Rechtsauffassung daher nur mit einer abstrakt-generellen
"Beihilfevermutung" zulasten von Unternehmen erklären, die mehrheitlich im Eigentum
der öffentlichen Hand stehen. Das stünde allerdings in eklatantem Widerspruch
zu Art. 295 EG-V. Dort ist der Grundsatz der Neutralität des Vertrages gegenüber
den Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten verankert. Er ist auch im Rahmen der
Beihilfekontrolle zu beachten.
Nur ergänzend möchte ich anführen, dass das von Ihnen
angekündigte Verfahren die schwer vertretbare Konsequenz hätte, dass
Deutschland alle mehrheitlich in öffentlichem Besitz befindlichen
Elektrizitätsversorger von den Zahlungsverpflichtungen nach dem EEG bzw. dem
KWK-Gesetz befreien müsste, um den Bestand dieser Regelungen zu sichern. Das
brächte drastische Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der privaten Unternehmen mit
sich und stünde damit dem Ziel des EG-Beihilferechts, chancengleichen Wettbewerb
sicherzustellen, entgegen. Denkt man Ihren Ansatz zu Ende, könnte letztlich jede
Zahlung eines öffentlichen Unternehmens eine Beihilfe darstellen und müsste
folglich grundsätzlich nach Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag notifiziert werden.
Ich möchte Sie nachdrücklich bitten, Ihre Rechtsauffassung noch einmal zu
überdenken und von der Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2
EG-Vertrag abzusehen. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass das Kraft-
Wärme-Kopplungsgesetz demnächst durch eine Neuregelung ersetzt werden
soll.
Mit freundlichen Grüßen
Herrn Professor Mario Monti
B-1049 Brüssel
Hans Eichel