Datum: 19.07.2005

Merkels Weg ... zurück!

Zu den energiepolitischen Absichten der Kanzlerkandidatin

Von Wolf von Fabeck
Geschäftsführer im Solarenergie-Förderverein Deutschland

Vorab ein Wort besonders an unsere konservativen und liberalen Leser:

Der SFV ist überparteilich. Überparteilichkeit bedeutet aber nicht, dass wir weghören, wenn sich Vertreter der Parteien zur Energiewende äußern. Im Gegenteil: Als unparteiische Schiedsrichter zeigen wir ihnen bei Verstößen gegen das Gebot der Energiewende die gelbe Karte - unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit.

Derzeit häufen sich destruktive Äußerungen konservativer und liberaler Politiker, die das Aufwachsen der Erneuerbaren Energien blockieren möchten. Hierzu wollen wir nicht schweigen! Wir haben in den letzten fünfzehn Jahren - anfangs unter einer schwarz/gelben, dann unter einer rot/grünen Koalition - den Aufstieg Deutschlands zum Weltmeister in Erneuerbaren Energien verfolgt und fragen uns jetzt verwundert, wo die Union plötzlich ihren früheren energiepolitischen Sachverstand gelassen hat. Hat sie im Triumph des NRW-Wahlsieges vergessen, dass Deutschland von Energieimporten abhängig ist und dass Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran weltweit zur Neige gehen? Besonders beunruhigend sind die Äußerungen von Angela Merkel.

Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. Im Fall eines Wahlsiegs der Konservativen wäre dies Angela Merkel. Obwohl es auch im konservativen Lager profilierte Unterstützer für die Erneuerbaren gibt, würde Frau Merkel entscheiden, und sie würde sich das auch nicht nehmen lassen. Als gelernte Atomphysikerin ist sie an Energiefragen interessiert und hält sich für fachlich kompetent. Über Frau Merkels Pläne berichtete ausführlich die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND vom 09.06.05. Hier ein Auszug:

„Die Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, hat für den Fall eines Wahlsiegs eine Wende in der Energiepolitik angekündigt. ...

Die hohen Energiepreise seien zu einem Wachstumsrisiko für die deutsche Wirtschaft geworden.

Nur Deutschland und Großbritannien hätten sich im Rahmen des Emissionshandels verpflichtet, den Treibhausgasausstoß zu senken. Dies bedeute Wettbewerbsnachteile.

Die Belastung durch die Ökosteuer will Merkel mittelfristig senken.

Merkel äußerte Sympathie für den Vorschlag der Stromversorger, die Menge des eingespeisten Ökostroms mit Quoten zu begrenzen. Hiervon würden vor allem die Betreiber von Kohle- und Kernkraftwerken profitieren.

Merkel wiederholte ihre Ankündigung, die Laufzeiten deutscher Atommeiler zu verlängern. Eine Frist nannte sie nicht.“

Soweit Auszüge aus der Meldung der FINANCIAL TIMES.

 

Verwechselt die Union das Wohl der Stromwirtschaft mit dem Allgemeinwohl?

Um die Erneuerbaren Energien in den Augen der Bevölkerung zu diskreditieren, scheinen der Union die angeblich unbezahlbaren Kosten besonders geeignet. Doch bei anderer Gelegenheit macht sich die Union weniger Sorgen um die Kosten der Stromversorgung. Dies erwies sich Anfang Juni im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat. Bei der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes kämpfte die Union dort nicht gegen die hohen Strompreise, sondern im Gegenteil gegen die vorgesehenen Preiskontrollen der Regulierungsbehörde. (Siehe auch dazu den Bericht der FINANCIAL TIMES - letzter Absatz. )

Verwechselt die Union etwa das Wohlergehen der deutschen Stromindustrie mit dem Wohl der deutschen Wirtschaft oder gar mit dem Allgemeinwohl?

 

Pressemitteilung aus: FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND vom 09.06.05 (Titelseite)

Merkel kündigt Wende in der Energiepolitik an

Unions-Kanzlerkandidatin will Industrie und Versorger entlasten - Kioto-Protokoll soll überarbeitet werden
Von Timm Krägenow und Nicole Kohnert, Berlin

Die Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, hat für den Fall eines Wahlsiegs eine Wende in der Energiepolitik angekündigt. Zudem will sie Kraftwerksbetreiber und Industrie stark entlasten. „Es wird etliche Kurskorrekturen geben, falls wir das Vertrauen der Bevölkerung bekommen.“, sagte Merkel gestern in Berlin. Die hohen Energiepreise seien zu einem Wachstumsrisiko für die deutsche Wirtschaft geworden.

Unter anderem stellte Merkel in Aussicht, die Belastung durch die Ökosteuer zu reduzieren. Wesentliche Projekte der rot-grünen Energiepolitik will die CDU-Chefin korrigieren: den Emissionshandel, Kernenergie-Ausstieg, Klimaschutz und die Förderung erneuerbarer Energien. Hiervon würden vor allem die Betreiber von Kohle- und Kernkraftwerken profitieren. Merkel plant weiterhin, das Kioto-Protokoll und dessen Auflagen zur Reduktion der Treibhausgase auf den Prüfstand zu stellen: „Wir brauchen ein Kioto-Plus.“ Hierbei müssten die USA eingeschlossen werden, die ihre Emissionen bisher nicht begrenzen wollen. Auch die rot-grünen Pläne zur ­Verschärfung des Emissionshandels ab 2008 würden geändert, so Merkel. Nur Deutschland und Großbritannien hätten sich im Rahmen des Emissionshandels verpflichtet, den Treibhausgasausstoß zu senken. Dies bedeute Wettbewerbsnachteile. „Politik im nationalen Schrebergarten ist nicht die richtige Antwort auf die Globalisierung und die weltweiten Herausforderungen.“, sagte Merkel mit Blick auf den Ausstoß in Schwellenländern. Die Belastung durch die Ökosteuer will Merkel mittelfristig senken. Dies sei bei einem Haushaltsdefizit von 40 Mrd. nicht sofort möglich.

Merkel äußerte Sympathie für den Vorschlag der Stromversorger, die Menge des eingespeisten Ökostroms mit Quoten zu begrenzen. Auch Wirtschaftsminister Clement forderte eine Neuausrichtung. Merkel wiederholte ihre Ankündigung, die Laufzeiten deutscher Atommeiler zu verlängern. Eine Frist nannte sie nicht.

Im Vermittlungsverfahren zum Energiewirtschaftsgesetz setzte die Union gestern durch, dass die Kompetenzen der Regulierungsbehörde bei der ­Kontrolle der Netzentgelte eingeschränkt werden. Auf Wunsch von CDU/CSU werden die Netzbetreiber von der Pflicht befreit, wichtige Informationen über ihre Stromnetze zu veröffentlichen.