Datum: 23.07.2002
Briefwechsel mit einem Mitarbeiter der XYZ-Stadtwerke
Der Name des Briefpartners, den wir hier anonymisieren, ist dem SFV bekannt.
Anonymus an Solarenergie-Förderverein
Sehr geehrter Herr von Fabeck,
ich habe lange zu dem Thema kostendeckende Vergütung, Umweltstrom, Energiewende und Vorbereitung auf das zweite Solarzeitalter geschwiegen. Der Grund liegt in der Schizophrenie meiner Situation: Im ersten Solarzeitalter hat die Menschheit ihren bescheidenen Energiebedarf durch Nutzung einfacher Solarenergie gedeckt (im Wesentlichen Verbrennung von Biomasse und Nutzung passiver Solarenergie). Seit etwa 150 Jahren beuten wir mit rasender Geschwindigkeit unsere fossilen Energievorräte aus und stehen um die Jahrtausendwende an einem Höchstpunkt der fossilen Energienutzung, die nach Maßstäben der Menschheitsentwicklung ganz schnell zu Ende geht. Selbst unter außer Achtlassung aller Klimaprobleme ist ein konsequentes Handeln angesagt. Die Reserven der fossilen Energie benötigen wir noch dringend zu einem erheblichen Teil, um uns technisch auf einem hohen Niveau eine selbstragende solare Energiewirtschaft aufzubauen. Und damit muss sofort konsequent und entschieden begonnen werden. Doch der Weg mündet in den Kampf um das Versorgungsmonopol, das zur Zeit zum größten Teil noch von den großen Stromkonzernen gehalten wird. Diese werden mit dem noch immer entscheidenden Eckpfeiler der Atomenergienutzung das Feld mit allen Mitteln verteidigen. Die bestehende Macht dieser Großkonzerne schlägt durch bis zu den kleinen und mittleren Energieversorgern, zu denen auch die XYZ-Stadtwerke gehören. In diesen Zwängen steht auch mein Chef, den ich immer wieder mit neuen Vorschlägen zur regenerativen Energienutzung konfrontiere. Die Fülle der Ideen und Gedanken kann ich an dieser Stelle nicht wiedergeben. Dennoch ist mein Erfolg recht bescheiden. Ihre Ausführungen im Editorial zum Solarbrief 2/02 trifft, wie schon so häufig, den Nagel genau auf den Kopf. Wieso sollen Betreiber regenerativer Anlagen aus Idealismus für ihre umweltverträgliche Stromerzeugung draufzahlen. Wieso müssen sie sich geradezu schämen, wenn sie ihre Absicht äußern, Gewinne erzielen zu wollen. Dies wollen unsere Stadtwerke schließlich auch, wenn sie zum Beispiel ein BHKW bauen. Die XYZ-Stadtwerke haben zwar einen kundenfreundlichen Stromeinspeisevertrag und zahlen an 10 Betreiber von PV Anlagen die kostendeckende Vergütung. Doch dies reicht bei Weitem nicht, um den Weg in das zweite Solarzeitalter konsequent zu beschreiten. Auf der anderen Seite haben wir dann auch die bekannten Instrumente (sind es vielleicht sogar Verzögerungsinstrumente) wie Zuschüsse für PV Anlagen (z. Zeit 880 Euro pro kWp für Anlagen von 1-5 kWp mit einem Fördervolumen von 50.000 Euro) und Umweltstrom. Auch wenn wir unsere Umweltstromkunden sehr fair behandeln (100 % der Erlöse gehen in den Bau neuer Anlagen ohne irgend welche Abzüge; die Kunden entscheiden einmal im Jahr selbst, welche Projekte gefördert werden sollen; sie haben einen Sprecher; die Stadtwerke sind nur Organisator und Verwalter, der Umweltstrom wird vor Ort erzeugt mit Wind, PV, Wasser und Klärgas; alle Daten werden offengelegt und den Umweltstromkunden zugeschickt) ist es doch für das übergeordnete Ziel nicht der richtige Weg. Mein Chef sagt zwar ganz richtig:" Bevor die hiesigen Bürger zu anderen Umweltstromangeboten abwandern, sollen sie lieber 'Umweltstrom' aus unserem Unternehmen beziehen." Doch ist dies nur folgerichtig, wenn man separat das Thema Umweltstrom ohne den größeren Kontext betrachtet. Ich sehe nach 12 Jahren Arbeit keine Möglichkeit, als Mitarbeiter der XYZ-Stadtwerke den konsequenten Weg in das 2. Solarzeitalter zu gehen. Deshalb bleibt mir nur das Bemühen um kleine Schritte weniger tauglicher Mittel. Doch bleibt der Zweifel, ob man mit diesen kleinen hübschen Schritten von immer wieder neuen Förderprogrammen und z.B. einem Umweltstromangebot nicht nur verzögert und verhindert? Wenn es diese Schritte nicht gäbe, wären wir dann weiter? Würden dann die 1-3 % der engagierten Bürger eher auf die Barrikaden gehen, weil sie keine Beruhigungspillen bekommen haben? Mit nachdenklichen und natürlich auch freundlichen Grüßen
Anonymus
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Antwort des Solarenergie-Fördervereins
Sehr geehrter Herr Anonymus
Dank für Ihren nachdenklichen Brief, den wir hier voller Anteilnahme gelesen haben! Wir waren uns einig darin, dass es für Sie wirklich eine bedrückende Situation ist, angesichts der drängenden Probleme nur in kleinsten Schrittchen reagieren zu können. Fast erinnert die Situation an einen dieser schrecklichen Albträume, ini denen man wie gelähmt ist und dem Unheil nicht entfliehen kann. Andererseits bemerken wir hier im Solarenergie-Förderverein doch auch deutlich die Erfolge der vielen kleinen Schrittchen, die Sie und einige Gesinnungsfreunde bundesweit für die Solarenergie durchsetzen. Das Bewusstsein in der Bevölkerung hat sich dadurch erheblich gewandelt:
Ohne die vielen kleinen - zugegebenermaßen oft unbefriedigenden Schrittchen - wäre unsere Bevölkerung etwa noch auf dem Erkenntnisniveau des Durchschnitt-Texaners, der nur das Wort Erdöl buchstabieren kann. Einen Aufstand gegen das Diktat der Atom- und Kohlelobby würde es dann noch viel weniger gegeben haben. Ist es Ihnen recht, wenn wir Ihren Beitrag mit einer Antwort wie eben skizziert - evtl. wenn Sie das wünschen auch anonymisiert - ins Netz stellen?
Mit freundlichen Grüßen |
Anonymus an Solarenergie-Förderverein
Sehr geehrter Herr von Fabeck,
ich danke Ihnen für Ihr Antwortschreiben und Ihre Stellungnahme zu meinen
Überlegungen. Es ist einfach gut, über diese Dinge zu diskutieren, damit
sich die eigenen Ansichten weiterentwickeln können. Ich werde mich auch
weiterhin um die kleinen Schritte bemühen im Bewusstsein, dass viele kleine
Schritte zu der heutigen Situation geführt haben und so viele kleine
Schritte auch in die andere Richtung führen können, wenn sie gemacht werden
und nicht aus Resignation unterlassen werden. Man bleibt ja auch mit den
kleinen Schritten auf dem Weg zum Ziel, auch wenn es einem zu langsam geht.
Für die Alternative "aktiv" nichts zu tun, damit der "Crash" eher und
heftiger kommt und so die Menschheit zum Handeln unausweichlich gezwungen
wird, kann ich mich nicht entscheiden.
Gegen eine Veröffentlichung meiner Gedanken habe ich nichts einzuwenden. Persönlich habe ich auch keine Probleme mit meiner Namensnennung, weil ich bereit bin, mit jedem über meine Ansichten zu diskutieren. Dennoch würde ich für meinen Arbeitgeber eine Anonymisierung vorziehen, weil dies den Interessen meines Chefs entspricht und ich mir auch den Weg für weitere kleine Schritte nicht erschweren möchte.
Mit freundlichen Grüßen
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