- Menschliche Arbeit ist teuer und wird zudem hoch mit Steuern und Abgaben belastet.
- Energie ist billig und wird vergleichsweise nur mit geringen Steuern belastet. Außerdem ist Energie im produzierenden Wirtschaftsbereich erheblich produktionsmächtiger.
Dies führt dazu, dass energieintensive Betriebe im produzierenden Wirtschaftsbereich hohe Gewinne erzielen, während die arbeitsintensiven Betriebe mit Verlusten zu kämpfen haben. Arbeitsintensive Betriebe werden deshalb verkleinert oder ganz geschlossen; energieintensive Betriebe werden vergrößert oder neugegründet. Seit Jahrzehnten befindet sich die Wirtschaft in einem solchen Umstellungsprozess.
Die Vergrößerung oder Neuerrichtung eines energieintensiven Betriebes verlangt die Neuanschaffung von Industrierobotern, Fertigungsautomaten, automatischen Produktionsanlagen. Diese Anschaffung kostet Geld.
Kapitalgeber sind im Hinblick auf die zu erwartenden Gewinne gerne bereit, das notwendige Kapital bereitzustellen. Die Ankündigung von Massenentlassungen - genauer gesagt von Umstellungen auf einen energieintensiveren Betrieb - lässt regelmäßig die Aktienkurse des Unternehmens steigen.
Die steuerliche Entlastung von Unternehmen erleichtert und beschleunigt noch die Kapitalbildung und damit die Umstellung. Hier wird die enttäusche Bemerkung von Jürgen Rüttgers besonders verständlich, es sei eine Lebenslüge, dass Steuersenkungen Arbeitsplätze schaffen.
Ist das Kapital der heimliche Gegenspieler der Arbeit?
Steht uns ein neuer Klassenkampf bevor - Arbeiter gegen Großkapital?
Vielleicht kann uns das folgende Gedankenexperiment in dieser wichtigen Frage weiterhelfen: Nehmen wir einmal an, durch eine strikte Entlastung der Arbeit von Sozialabgaben und eine Verlagerung der Last auf die Energiesteuer - ganz gemäß dem Vorschlag des SFV - würden personalintensive Betriebe höhere Gewinne als die energieintensiven Betriebe abwerfen. Unternehmer würden natürlich rasch versuchen, personalintensive Unternehmen zu eröffnen. Aber auch für eine solche Umstellung ist Kapital erforderlich.
Auch die Errichtung personalintensiver Betriebe kostet Geld. Es müssen Arbeitsplätze eingerichtet werden, Büros oder Werkstätten mit Möbeln, Werkbänken, Heizung und Beleuchtung ausgestattet werden. Sozialräume von der Kantine bis zu den Toiletten und einem Raum für die erste Hilfe sind erforderlich. Die Arbeiter und Angestellten brauchen Qualitätswerkzeuge oder Computer.
Wie würden sich die Kapitalgeber dann verhalten? Würden sie für diese Art Umstellung etwa kein Geld geben? Ihre Reaktion ist leicht abzuschätzen. Kapital fließt dorthin, wo die hohen Gewinne winken. Die Aussicht auf höhere Gewinne bei personalintensiven Betrieben würde natürlich die Aktienkurse solcher Unternehmen steigen lassen. Die Folge wäre: Das Wirtschaftssystem würde in umgekehrter Richtung, nämlich von energieintensiv auf personalintensiv, umgestellt. Energieintensive Betriebe würden auslaufen, würden verkleinert oder gar geschlossen. Personalintensive Betriebe würden vergrößert oder neu errichtet.
Verfügbarkeit von Kapital beschleunigt die Neugründung sowohl energieintensiver als auch personalintensiver Unternehmen
Das Ergebnis unserer Überlegungen besagt: Bei der Umstellung von personalintensiver Wirtschaftsweise auf energieintensive Wirtschaftsweise muss die Infrastruktur eines Unternehmens mit Werkhallen, Maschinen und Automaten verändert werden, der eingesetzte Produktionsfaktor Kapital muß teilweise erneuert werden. Das gilt jedoch ebenfalls bei der erhofften Umstellung von energieintensiver auf personalintensive Produktionsweise. Ohne Verfügbarkeit von neuem Kapital ist eine Umstellung weder in der einen noch in der anderen Richtung möglich. Die Kapitalgeber sind somit keine ideologischen Gegner des Produktionsfaktors Arbeit, sondern ihre Entscheidung wird durch die jeweiligen Gewinnaussichten gelenkt. Bei richtiger Gestaltung der Rahmenbedingungen werden die Kapitalgeber die notwendige Umstellung von energieintensiver Produktionsweise auf personalintensive Produktionsweise ebenso unterstützen.